Wolf, Sauren und Wettich waren in den vergangenen Monaten nicht sonderlich präsent und aktiv. Selbst wenn sie eher im Hintergrund gearbeitet und die Lage analysiert haben – wann gibt es Entscheidungen, Richtungsvorgaben, Zielformulierungen? Weil all dies fehlt, wird die Wahl von Carsten Wettich auch zu einer Abstimmung über die bisherige Amtszeit des Vorstands – alles deutet darauf hin, dass es durchaus knapp werden könnte für den Nachrücker aus dem Mitgliederrat. Würde er nicht gewählt, wäre der Vorstand gescheitert. Ein knappes Votum zu Gunsten Wettichs, das aktuell am wahrscheinlichsten erscheint, wäre aber auch nicht wirklich ein starkes Mandat für das Vorstandstrio.
Nach der Relegation wird also nur dreieinhalb Wochen später der nächste Showdown auf den 1. FC Köln warten. Die Mitgliederversammlung soll rein digital stattfinden, aus Vereinskreisen ist unter Berufung auf ähnliche Veranstaltungen bei anderen Vereinen zu hören, dass zwischen 10.000 und 20.000 Mitglieder daran teilnehmen werden. Die technische und infrastrukturelle Durchführung der Veranstaltung steht dabei besonders im Fokus: ein reibungsloser Ablauf ist nicht garantiert.
Der Vorstand geht anschlagen in die Mitgliederversammlung
Die Teilnahme ist zwar deutlich leichter, allerdings können Mitglieder ihre Rechte bei einer virtuellen Veranstaltung nicht in der gleichen Form wahrnehmen, wie es in Präsenz möglich wäre – das haben Studien zu Aktionärsversammlungen während der Pandemie gezeigt. Fragen können zwar gestellt, müssen aber schriftlich eingereicht werden. Eigentlich müsste sich der Vorstand den Mitgliedern direkt stellen, woraus eine ganz andere Interaktion erwachsen würde – doch dieses Mal fehlt der direkte Kontakt. Eine Mitgliederversammlung ist immer noch der entscheidende Ort, an dem es um Vereinspolitik geht. Es sind nicht die Artikel in den Zeitungen aus dem Dumont-Haus, des kicker, der Bild: Dieser Moment gehört denjenigen Mitgliedern, die sich das gesamte Jahr über mit diesen Themen auseinandersetzen. Doch auch sie sitzen dieses Mal nur an den Bildschirmen und können nicht direkt Einfluss ausüben. Es ist eine frappierende Parallele zur leeren Südkurve bei Heimspielen des 1. FC Köln.
Der Vorstand des FC geht durchaus angezählt in diese wichtige Veranstaltung – wie steht es um ein weiteres wichtiges Gremium des Vereins? Viele Diskussionen in der Domstadt und darüber hinaus thematisieren immer wieder die Rolle des Mitgliederrats, der in seiner Funktion als mitgliedergeführtes Aufsichts- und Kontrollorgan immer noch eine der größten Errungenschaften der letzten Jahre beim 1. FC Köln ist. Zur Erinnerung: Der FC verfügt über eine der demokratischsten Satzungen der Bundesliga.
Laut effzeh.com-Informationen sind aber auch innerhalb des Vereins die Fronten verhärtet: Einerseits zwischen Vorstand und Mitgliederrat, andererseits innerhalb des Mitgliederrats. Die Kommunikation zwischen Vorstand und Mitgliederrat verläuft offenbar nicht so geradlinig und zielgerichtet, wie sich viele es wünschen würden. Innerhalb des Mitgliederrats sind die Lager auch relativ zerstritten, was unter anderem an den Vorgängen rund um den geleakten Mailverkehr des früheren Vorsitzenden Stefan Müller-Römer liegen soll. Der Mitgliederrat hatte im September 2020 mehrheitlich entschieden, ihn als Vorsitzenden abzuwählen. Ho-Yeon Kim folgte ihm im Amt, Christian Hoheisel wurde sein Stellvertreter. In den letzten Monaten ist der Mitgliederrat nicht wirklich durch konstruktive Sacharbeit aufgefallen, Impulse waren nach außen und auch nach innen kaum wahrnehmbar.
Es steht nicht gut um den 1. FC Köln als Verein
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Rechte und Pflichten des Mitgliederrats auf dem Papier im Grunde eine gute Sache sind. Das hilft aber leider nichts, wenn Mitgliederratsvertreter im Gemeinsamen Ausschuss nichts tun können, wenn dort Entscheidungen von größerer wirtschaftlicher Tragweite gegen ihren Willen getroffen werden. Davon gab es beim FC in den letzten Jahren einige, und nicht alle stellten sich als Erfolg heraus (Rückkehr von Anthony Modeste, Einstellung von Horst Heldt im zweiten Durchgang, Vertragsverlängerungen mit Sportchef und Trainer).
Das Abstimmungsverfahren im Gemeinsamen Ausschuss verdeutlicht dieses Problem: Präsident Wolf und seine beiden Vizepräsidenten vereinen drei Stimmen auf sich, mit Jörn Stobbe und Lionel Souque als Vorsitzende des Aufsichts- und Beirats gibt es zwei weitere, eher vorstandsnahe Stimmen. Der Mitgliederrat kann also maximal zwei Stimmen abgeben. Es ist eher unwahrscheinlich, dass ein einziges Vorstandsmitglied gegen einen Vorschlag stimmt, auch Stobbe und Souque dürften in entscheidenden Fragen eher immer dem Vorstand folgen, um keinen Konflikt zu schaffen und den Vorstand nicht zu diskreditieren. Selbst wenn sich der Mitgliederrat dagegen positionieren würde, verlöre er eine Abstimmung mit 2:5. So sind viele Transfers und Verträge beim FC einfach durchgewunken worden, der Mitgliederrat konnte seiner Kontrollfunktion nicht vollends ausüben. Vielleicht müsste die Satzung an dieser Stelle entsprechend nachgeschärft werden.
Ein weitgehend inaktiver Vorstand und ein mitgliedergeführtes Aufsichtsgremium mit eigenen Problemen – es steht nicht gut um den 1. FC Köln als Verein. Und auch der Tochter, der Kapitalgesellschaft auf Aktien (KGaA), die den Spielbetrieb organisiert, geht es nicht allzu blendend: Aus sportlicher Sicht endete die Saison nur über den Umweg der Relegation mit dem Klassenerhalt, die Finanzlage der „Geißböcke“ ist nicht weniger bedenklich. Vor wenigen Wochen präsentierte Finanzgeschäftsführer Alexander Wehrle die Zahlen für das Geschäftsjahr 2019/2020. Ein Minus von mehr als 20 Millionen Euro, weniger Eigenkapital, mehr Schulden – so lautet die Bilanz bis zum 30.6.2020. Ungefähr ein Jahr später dürfte die Lage daher noch schlimmer sein, sodass die Zahlungsfähigkeit des FC aktuell nur durch Kredite und eine Bürgschaft beim Land Nordrhein-Westfalen aufrechterhalten werden kann. Auch private Geldgeber stellen dem Verein Geld zur Verfügung. Zur Erinnerung: Alexander Wehrle hatte zu Saisonbeginn mit vier Geisterspielen kalkuliert.
Ein anderer Weg als beispielsweise in Bremen
In der Außendarstellung geht der FC hier auch einen etwas eigenen Weg. Werder Bremen, das sich durch eigene Fehler und die Auswirkungen der Pandemie ebenfalls in eine finanziell bedrohliche Lage gebracht hat und gerade in die 2. Bundesliga abgestiegen ist, bietet Privatanlegern ebenfalls eine Anleihe an, die zwischen 20 und 30 Millionen Euro einbringen soll – dadurch soll die Insolvenz vermieden werden. In einem Wertpapierprospekt über 219 Seiten lässt der Bundesligist die Hosen herunter, wie es das Portal deichstube.de beschreibt, auch weil diese Risiken bei einer solchen Anlage dem Interessenten offengelegt werden müssen.
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