Der erste Stresstest für den neuen Vorstand wurde direkt zur extremen Belastungsprobe für die Zusammenarbeit innerhalb des Triumvirats an der Spitze der „Geißböcke“ und dem Verhältnis zu den anderen Vereinsgremien. So war es wenig verwunderlich, dass der Dampfer namens 1. FC Köln bis Weihnachten weiter in unruhigen Gewässern schipperte. Nach nicht einmal 100 Tagen zog Jürgen Sieger Konsequenzen aus den Entwicklungen im Club und besonders innerhalb des Präsidiums: Der angesehene Wirtschaftsjurist schmiss als Vizepräsident aus Unzufriedenheit mit der Gesamtsituation hin – der Mitgliederrat entsandte Carsten Wettich als Ersatz. Kurz darauf die nächste öffentlich geführte Fehde: Mitgliederratschef Stefan Müller-Römer kritisierte mit drastischen Worten das chinesische Regime und das dortige FC-Engagement, um nur wenig später nach dem entsprechenden weltweiten Presseecho von Werner Wolf in einer Pressemitteilung in die Schranken verwiesen zu werden.
Für das Binnenklima am Geißbockheim nicht sonderlich förderlich, doch dafür hatte der Aufsteiger auf dem Platz endlich mehr Grund zur Freude: Mit einem erstaunlichen Zwischensprint kämpfte und spielte sich die Gisdol-Elf aus allen Abstiegssorgen heraus sogar in die Nähe der Europapokal-Plätze. Gestoppt wurde dieser Lauf nicht so sehr auf sportlicher denn eher auf gesellschaftlicher Ebene: Die COVID-19-Pandemie stellte beileibe nicht nur den 1. FC Köln vor große Herausforderungen, die Existenz der Profiabteilung stand zeitweise aufgrund der Bundesliga-Pause auf dem Spiel. Finanziell und kommunikativ gefordert kam der FC-Vorstand nur zögerlich aus der Deckung, überließ das Spielfeld der Öffentlichkeit viel mehr den Geschäftsführern Alexander Wehrle und Horst Heldt. Ein Bild, das bereits seit Beginn der Amtszeit prägend ist für das neue Präsidium. Das „Wolf-Rudel“ hält sich im Zweifel im Hintergrund – für den einen nach den Erfahrungen der Vergangenheit die bessere Wahl, für einige Kritiker ein unnötiges Abtauchen.
Dem Wahlkampfmotto treu – auch bei schwierigen Themen
So ist auch kaum verwunderlich, dass der aktuelle Vorstand angesichts des eigenen (Nicht-)Handelns und der äußeren Umstände noch nicht zu prägenden Gesichtern des Vereins geworden ist. Wohin es den FC-Dampfer mit ihren derzeitigen Kapitänen verschlagen wird, ist bei so unverschuldet wie selbstverschuldet rauem Seegang noch nicht klar zu erkennen. Wie schwierig eine Kurskorrektur am Geißbockheim allerdings auch ist, zeigen ausgerechnet die letzten Wochen: Dass aus der vielleicht nicht formvollendet präsentierten, aber nicht nur nach den Pleiten und Pannen in der Clubkommunikation umso verständlicheren Trennung von Medienchef Tobias Kaufmann ein in- wie externes Politikum wurde, zeigt die Abwehrkräfte der KGaA-Angestellten im Umgang mit den Vereinsverantwortlichen. Dass mitunter beim 1. FC Köln „der Schwanz mit dem Hund wedelt“, wie es schon öfters in den Gremien hieß, ist im Grüngürtel längst ein offenes Geheimnis.
Dass Werner Wolf und Co. hierbei erst spät (für einige zu spät) eingriffen, bedeutet aber auch: Nach einem Jahr in unruhigen Gewässern ist der Vorstand bereit, sich endgültig freizuschwimmen und auch schmerzhafte Entscheidungen treffen zu wollen. Dass dies nicht ohne Trennungsschmerz vonstatten geht, sollte jedem, der das Beste für den 1. FC Köln im Sinne hat, bewusst sein. Wer das derzeitige Führungstrio bei den „Geißböcken“ beobachtet und auch ihre aktuellen Bemühungen um die Einbindung der FC-Altinternationalen und der Belegschaft am Geißbockheim miteinbezieht, wird wissen, dass Veränderungen innerhalb des Vereins unter diesem Präsidium eher mit dem feinem Skalpell denn mit dem Vorschlaghammer erfolgen werden. „Gemeinsam gewinnen alle“ – der Vorstand will seinem Wahlkampf-Motto auch dann treu bleiben, wenn angesichts der Wucht, die der FC in solchen Fragen mitunter entwickeln kann, vielleicht andere Schritte geeigneter wären.
“Das ist ein Problem des 1. FC Köln. Es gelingt uns einfach nicht, aus welchen Gründen auch immer, diese Ruhe reinzubringen“, erklärte FC-Präsident Wolf zuletzt gegenüber der „Sportschau“ und will zukünftig weiter daran arbeiten, eine größere Einheit in den Club zu bringen: “Wenn sie Krach haben, dann haben sie immer Zentrifugalkräfte. Das kostet Aufmerksamkeit und lenkt sie vom eigentlichen Geschehen ab. Deshalb möchte ich an unserer Zielsetzung festhalten – mehr Ruhe in diesen Verein zu bringen“, so der einstige Bitburger-Boss. Klar dürfte ihm sein: Das wird kein einfaches Unterfangen, das neben psychologischem Geschick und Ausgleichsstreben auch die nötige Entscheidungskompetenz bedarf. Nicht nur intern bei der notwendigen Neuaufstellung, sondern auch extern mit dem Bauvorhaben am Geißbockheim, der stets schwelenden Stadiondebatte und der Entfremdung des Profifußballs von den eigenen Fans warten große Aufgaben auf den Club. Es bleiben wenig vergnügungssteuerpflichtige Zeiten an der Spitze des 1. FC Köln.