Beim 1. FC Köln wird mal wieder über Ruhe diskutiert. Beziehungsweise über Unruhe, die gerade herrscht, aber möglichst bald durch Ruhe ersetzt werden soll. Der Wunsch nach dieser mysteriösen Ruhe ist so etwas wie das kölsche Murmeltier, das täglich grüßt. Der stolze Traditionsverein ist bereits seit Jahrzehnten vor allem nämlich eines: Ein Unruheherd.
Abstieg, Aufstieg, Abstieg, Aufstieg, Abstieg, Aufstieg, Abstieg, Aufstieg, Abstieg, Aufstieg, Europa League, Abstieg, Aufstieg. So lautet die weniger stolze Bilanz der letzten Jahrzehnte. Ruhe und Harmonie haben es ganz offensichtlich schwer am Rhein. Dennoch werden diese beiden Attribute beim 1. FC Köln gefühlt alle paar Wochen eingefordert.
“Unruhe hatten wir lange genug”
Auch jetzt, wo die „Geißböcke“ mal wieder den direkten Wiederaufstieg in die Bundesliga geschafft haben und die wichtigste politische Frage mit dem Verzicht auf eine weitere Kandidatur der beiden Vizepräsidenten, Toni Schumacher und Markus Ritterbach, schon früher als erwartet geklärt zu sein scheint, ruft man im und rund um den Verein wieder nach: Ruhe!
Ex-Präsident Werner Spinner, der, nachdem er von seinen Vizepräsidenten durch eine Illoyalität ins Wanken gebracht wurde, von seinem Amt zurückgetreten war, ließ es sich dennoch nicht nehmen, den Entschluss seiner Ex-Kollegen via „Express“ zu kommentieren. “Das ist eine gute Entscheidung und verdient Respekt. Es ist immer besser, wenn die Geschäfte sauber und im freundschaftlichen Austausch übergeben werden“ Eine Kampfkandidatur sei für ihn nie ein Thema gewesen, erklärt Spinner. Denn: „Dieser Klub braucht dringend Ruhe.“ Das sieht auch Carsten Wettich offenbar so: „Unruhe hatten wir lange genug“, sagte der Vorsitzende des Mitgliederrats in diesen Tagen der „Rheinischen Post“.
Nach Ruhe dürstete es Ritterbach und Schumacher aber offenbar nicht allzu sehr. Sie begründeten ihre Entscheidung zwar damit, dass sie einen weiteren Machtkampf der Gremien im Club verhindern und somit auch das Votum des Mitgliederrats akzeptieren wollen, nutzten ihr Statement aber auch für eine kleine Abrechnung. „Hass, Misstrauen und Unwahrheiten“ würden „weitergehen“, wenn sie kandidierten, befürchten die Vizepräsidenten, so liest man. Statt ihre Sicht der Dinge „öffentlich auszubreiten“ und „noch mehr Unruhe“ in den Verein zu bringen, habe man sich in den letzten Wochen zurückgehalten, erklären Ritterbach und Schumacher und fügen an: „In einem Wahlkampf wäre dies nicht möglich, da müsste man Klartext reden.“
Kommunikation im Stile einer beleidigten Leberwurst
Das Statement, so viel ist immerhin klar, spricht weder Klartext, noch zeigt es besondere Zurückhaltung. Die Erklärung der Vize-Präsidenten passt in Stil und Tonfall zur Kommunikation des Clubs in der jüngeren Vergangenheit: Angefangen mit einem peinlich-emotionalen offenen Brief an die Ultras des Vereins, den nicht alle im Club unterschreiben wollten, über dreiste Aussagen zu Mitgliederinitiativen im Vereinsmagazin, wegretuschierte „Vorstand raus!“-Banner auf Fotos, bis hinzu leicht überdrehten Stellungnahmen zu wenig gelesenen Südkurven-Flyern.
“In einem Wahlkampf wäre dies nicht möglich, da müsste man Klartext reden.”
Dort lieferte der effzeh ein Lehrstück in Sachen „Streisand-Effekt“ ab, indem man den dort abgedruckten Text eines Fans durch öffentliches Klagen über den fraglos unschön formulierten Wunsch, der neue Vorstand möge „durchs Geißbockheim kärchern“ und alle „Inkompetenz beseitigen“, einem viel größeren Publikum überhaupt erst zugänglich machte. Die „Wilde Horde“ publizierte prompt den kompletten Beitrag – und abgesehen von der Geschmacklosigkeit am Ende hatte die darin vorgetragene Kritik durchaus Hand und Fuß.
Statt auf souveräne und einende Kommunikation in alle Richtungen zu setzen, macht der Club spätestens, seit dem die Verantwortlichen bei der letzten Mitgliederversammlung bei nahezu allen Themen erhebliche inhaltliche Niederlagen einstecken mussten, oft eher den Eindruck einer beleidigten Leberwurst. Dann wirkt die Club-Kommunikation, als würde man sich bei Kleinigkeiten, die mit ein bisschen Geschick gegen die Kritiker verwendet werden könnten, vor Freude die Finger lecken, während man gleichzeitig versucht berechtigte Kritikpunkte als böswillige Kampagne zu verteufeln oder klein zu halten. Das jüngste Statement von Ritterbach und Schumacher setzt diese „Tradition“ mit seiner „Wir sind die wahren Opfer“-Attitüde nahtlos fort.
Unharmonische Zusammenarbeit im FC-Vorstand
Fast zeitgleich zum Statement der Vizepräsidenten wurde unterdessen in „Kölner Stadt-Anzeiger“ und „kicker“ publik, dass es Markus Ritterbach gewesen sein soll, der eine Sprachnachricht von Ex-Präsident Spinner an die Geschäftsführung weitergeleitet hatte. Das „Fachmagazin“ erging sich daher in nahezu rührseliger Trauer um Schumacher, ohne plausibel zu erklären, warum ein Verbleib der Vereinsikone im Vorstand so wichtig gewesen wäre. Schumacher, so liest man, hätte jedenfalls auch ohne Ritterbach weitergemacht. Auch Werner Spinner fand im „Express“ übrigens nur für einen seiner ehemaligen Kollegen lobende Worte, zu Ritterbach sagte der Ex-Präsident nichts. Ruhe? Na ja.
Wie unharmonisch es beim 1. FC Köln auch nach dem Entschluss der beiden scheidenden Vizepräsidenten zugeht, wird in diesen Tagen ebenfalls sichtbar. An eine konstruktive Vorstandsarbeit ist mit Ritterbach und Schumacher wohl spätestens, nachdem Stefan Müller-Römer vom Mitgliederrat als Ersatz für Spinner ins oberste Vereinsgremium entsandt wurde, nicht mehr zu denken. Das Duo ignoriert seinen neuen Vorstandskollegen dem Vernehmen nach so gut es geht. Dass sich dieser Zustand in den nächsten Wochen ändert, erscheint unwahrscheinlich. Bei der Saisonabschlussfeier des Clubs hielten die Vorstände jeweils getrennt voneinander ihre Reden.
“Vielleicht habe ich schon Klarheit über meine Zukunft, ich bin ein selbstbestimmender Mensch.”
Die Situation an der Spitze des Clubs bedeutet für einen anderen Unruheherd des 1. FC Köln vorerst mehr Freiheiten: Armin Veh, der merkwürdigerweise schon den öffentlichen Machtkampf mit Werner Spinner schadlos überstanden hatte, und ähnlich wie sein Kollege Alexander Wehrle wohl einen Verbleib von Ritterbach und Schumacher im Amt bevorzugt hätte, wird im Sommer zur zentralen Figur im Geißbockheim. Der Geschäftsführer fackelte auch nicht lange und nutzte zu Wochenbeginn prompt ein „Express“-Interview, um seine Zukunftsvisionen zu offenbaren.
Veh mit Verbaloffensive
Bis wann er denn Klarheit über seine Zukunft beim 1. FC Köln haben wolle, wurde der Franke gefragt. „Vielleicht habe ich die schon, ich bin ein selbstbestimmender Mensch“, ließ Veh wissen und kokettierte somit indirekt mit einem Abschied aus eigenen Stücken. Es wäre nicht das erste Mal in der Karriere des ehemaligen Bundesliga-Trainers, dass er die Brocken hinschmeißt.
Doch auch was die vereinspolitischen Entwicklungen angeht, nimmt Veh kein Blatt vor den Mund. Dass Werner Wolf, Jürgen Sieger und Eckhard Sauren ein gutes Team seien, glaube er zwar schon. Das vom Kandidatenteam geplante „Kompetenzteam Sport“, das den künftigen Vorstand in fußballerischen Fragen beraten soll, brauche es nach Auffassung des Geschäftsführers aber nicht unbedingt. „Meiner Meinung nach sollte man die Entscheidung, die ein Geschäftsführer Sport fällt, wenn er transparent arbeitet und alles erklärt, akzeptieren“, lässt Veh seine potentiellen zukünftigen Vorgesetzten wissen. „Ich treffe meine Entscheidungen ja auch nicht alleine, sondern gemeinsam mit den Trainern, Scouts und anderen Mitarbeitern. Wir sind selbst ein Kompetenzteam.“
Mit Transparenz habe er allerdings kein Problem, sagt der 58-Jährige. Dinge zu erklären, sei seine Aufgabe und da sei es selbstverständlich, „die Leute mitzunehmen, die den Verein führen“. Bei dieser einseitigen Kommunikation soll es – wenn es nach Armin Veh geht – aber auch bleiben: „Diskutieren geht mir zu weit“, stellt der Geschäftsführer klar. Le club c’est moi?
Die nächste Baustelle ist bereits eröffnet
Während die Konfliktlinie zwischen Werner Spinner und dem Kölner Sportchef erst kurz vor dem Abgang des Ex-Präsidenten offensichtlich geworden war, eröffnet Veh mit Blick auf die Pläne des Kandidatenteams des Vereins jetzt bereits, bevor der potentielle Vorstand überhaupt zur Wahl stand, die nächste Baustelle – erneut in der Öffentlichkeit. Sollte in der Domstadt im Sommer – unwahrscheinlich, aber ja nicht unmöglich – so etwas wie Ruhe einkehren, könnte sie spätestens nach der Vorstandswahl also schon wieder vorbei sein.
“Erklären kann ich gerne alles – diskutieren geht mir aber zu weit.”
Das neue Präsidium wird dann vermutlich die Geschäftsführung und andere Positionen im Club auf den Prüfstand stellen – vielleicht haben die Herren Wolf, Sieger und Sauren bei einigen Themen dann sogar Lust auf eine Diskussion mit Armin Veh. Und täglich grüßt das kölsche Murmeltier.