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Analyse

2:2 gegen den 1. FC Union Berlin: Der Auftakt einer Torhüter-Diskussion beim 1. FC Köln?

Pfiffe, später Ausgleich, noch spätere Kritik: Das 2:2 gegen Union Berlin hat die Gemüter rund um den 1. FC Köln erhitzt. Besonders im Fokus der Diskussionen: FC-Keeper Timo Horn, der an beiden Gegentreffern Aktien hatte.

Foto: Lukas Schulze/Getty Images

Wieder einen Rückstand wettgemacht, wieder in einer schwierigen Partie spät zurückgekommen: Der 1. FC Köln zeigt beim 2:2 (1:2) gegen den 1. FC Union Berlin einmal mehr Moral und belohnt sich durch ein Kopfballtor von Anthony Modeste kurz vor Schluss für das hartnäckige Am-Ball-bleiben gegen einen hervorragend organisierten Gegner, der es über weite Strecken hervorragend verstand, die Stärken der “Geißböcke” aus dem Spiel zu nehmen und die eigenen Qualitäten zur Leitlinie der Begegnung zu machen. Dennoch erholt sich der FC wieder einmal vor heimischem Publikum gegen ein auf internationalem Parkett agierendes Team von einem Rückstand, darf einen vielleicht glücklichen, aber hart erkämpften Punktgewinn bejubeln. Und doch ist danach die Stimmung rund um die Mannschaft gedämpft.

Nicht erst nach der Partie wurde auf Seiten zahlreicher Fans viel Kritik geübt, gerade auch im Spiel war immer wieder Geraune und sogar Pfiffe von den Tribünen zu hören. Das lag neben einem schwierigem Spiel gegen einen starken Gegner vor allem an der Ungeduld der über 45.000 Heim-Fans, die selbst sinnvolle Rückpässe im Spielaufbau mit Unmutsbekundungen quittierten. Vor allem auf Keeper Timo Horn prasselte nach dem Spiel viel Kritik ein, die in dieser Analyse einem genaueren Blick unterzogen werden soll. Bei beiden Gegentoren sieht der FC-Torwart nicht gut aus, so dass die in Köln mittlerweile hinlänglich bekannte Torhüter-Diskussion wieder aufflammt. Mit einem genaueren Blick auf die Details vor beiden Berliner Treffern soll dafür zumindest eine präzisere Kritik ermöglicht werden, dafür richten wir den Blick auf die Reaktionen des Torhüters beim Ausgleich sowie beim 1:2 kurz vor dem Halbzeitpfiff.

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Bei Technik-Fragen Gospodarek fragen!

Viele Hobby-Kicker und Fußball-Begeisterte wissen bei Feldspielern genau, was sie unter ‘Technik’ verstehen können. So brauchte man keinen Expert*innen-Status, um die besondere Schusstechnik von Lukas Podolski oder Marcel Risse zu erkennen. Das fußballerische Können von Ausnahme-Spielern wie Ondrej Duda und Louis Schaub bei ihren Ballannahmen ist ebenso auffällig wie die Kopfbälle von Anthony Modeste. Doch auch bei den Torhütern gibt es solche Kategorien, die den durchschnittlichen Zuschauenden nicht immer ins Auge springen können.

Timo Horn zählt in diesen Fragen leider nicht immer zu der Kategorie der guten Torhüter in der Bundesliga. Besonders auffällig sind bei ihm zwei Merkmale: Das Wegdrehen bei Schüssen auf den Körper und das Nach-Hinten-Rudern der Arme bei nahenden Schüssen. Während der verkleinerte Block verhältnismäßig einfach zu erkennen ist, sind die zurückgezogenen Arme eher ein Detail. In solchen Kleinigkeiten merkt man seit dem Torwarttrainer-Wechsel von Andreas Menger zu Uwe Gospodarek zwar schon häufig eine Verbesserung, gegen Union Berlin erlebte man dann aber einen Rückfall in alte Muster.

Das 1:1 als Sammelbecken von technischen Mängeln

Es sind gerade die Details, die beim schnellen Ausgleich der “Eisernen” zum 1:1 den Unterschied zwischen Gegentor und Parade ausmachen. Bei Julian Ryersons Treffer aus 18 Metern und einem vermeintlich eher ungefährlichen Winkel rutscht der lockere Ball ins kurze Eck durch, wo Timo Horn nur hinterherguckt. Durch die nach hinten gezogenen Arme kann der Kölner Schlussmann erst mit einer kleinen Verzögerung das Gewicht nach vorne links verlagern. Bei der Reaktionszeit spielt auch ein weiteres Detail mit rein, das in der Bundesliga aber auch von anderen Keepern immer wieder zu beobachten ist: der Zwischensprung.

Als Ryerson zum Schuss ausholt, dient das Horn als Signal nach oben zu springen. Von diesem Sprung erhofft sich ein Keeper generell einen besseren Abdruck. Falsch getimt führt ein solcher Sprung aber zu einer negativen Konsequenz: eine verkürzte Reaktionszeit. Naturgemäß kann ein Mensch nämlich bekanntlich seine Richtung nur verändern, wenn er Kontakt zum Boden hat. Timo Horn, der wichtige Sekundenbruchteile in der Luft verliert, während die Kugel schon auf sein Tor zurollt, hat also weniger Zeit, um sich in die Ecke zu bewegen. Das wäre gerade in diesem Falle vermeidbar gewesen, weil sich der Schuss bereits vorher mit dem Ausholen ankündigte und der lockere Schuss so auch ohne Zwischenschritt einfach hätte erreicht werden können.

Der Rückstand als Fortsetzung der fehlerhaften Kleinigkeiten

Weil der FC-Keeper selbst merkt, dass er mit der fehlenden Spannung und der verzögerten Reaktion sehr spät dran ist, führt er die Parade gar nicht mehr aus. Er schaut stattdessen zu, wie der durchaus haltbare Abschluss ins Eck rollt. Genau dieses Hinterherschauen ist wohl das berüchtigste Markenzeichen des Keepers bei denjenigen Fans, die sich nach Jahren mit dem Rondorfer Eigengewächs eine Veränderung zwischen den Pfosten wünschen. Beim 1:2 reagiert Horn zumindest, doch erneut kann man nicht von einem unhaltbaren Schuss sprechen, auch wenn Grischa Prömels Versuch noch durch FC-Verteidiger Timo Hübers abgefälscht wurde. Zwar sei entlastend hinzugefügt, dass der Berliner aus relativ kurzer Distanz abzog, doch schon wieder macht die Nummer Eins der “Geißböcke” einige Kleinigkeiten falsch.

Neben dem erneuten Nach-Hinten-Schwingen der Arme, das bei einem hohen Abschluss für verkürzte Rektionszeit gesorgt hätte, fällt vor allem erneut der fehlende Bodenkontakt auf. Der Schuss wird aus elf Metern abgegeben, zu diesem Zeitpunkt befindet sich Horn gerade beim Sprung in die Luft. Wegen der kurzen Strecke für den Ball setzt Horn erst auf dem Boden auf, als der Ball den Fünfer schon erreicht hat und beinahe neben ihm ist. Es bleibt also keine Zeit, den Körper nach unten fallen zu lassen. Erneut fehlt es so schlicht an der Möglichkeit seine Richtung zu verändern, weil der Kontakt zum Boden fehlt.

Zwei Gegentore, an denen Timo Horn seine Aktien hat. Doch es waren nicht nur die Nackenschläge vor dem Seitenwechsel, die für Kritik am Kölner Torwart sorgten. Das Zuspiel auf Rafael Czichos, das vor dem 1:2 zum verhängnisvollen Ballverlust führte, wird ebenso diskutiert. Für lautstarken Groll im Stadion sorgte derweil eine Aktion in der zweiten Hälfte, als Horn aus seinem Tor eilte und den Ball relativ unnötig ins Seitenaus klärte. Die Folge: Deutliche Unmutsbekundungen von den Rängen. Unangefochten, das muss einmal mehr festgestellt werden, ist der Status des einstigen Publikumslieblings längst nicht mehr – es wird unter FC-Fans seit einiger Zeit offen diskutiert, ob ein Torwartwechsel der Mannschaft gut tun könnte.

Was heißt das für die Saison?

FC-Coach Steffen Baumgart betont immer wieder, dass die Position als Nummer Eins (erst einmal) gefestigt ist und Marvin Schwäbe sich hinter dem Eigengewächs und Vize-Kapitän anstellen muss. Mit dem Union-Spiel wird aber klar, dass auch Torwarttrainer Uwe Gospodarek keine Wunder vollbringen und Timo Horns technische Unsauberkeiten innerhalb einer Hinrunde abstellen kann. Beim Blick auf den Liga-Vergleich fällt auf, dass der FC erneut einen der Keeper mit der schwächsten Save-Percentage (Anteil der gehaltenen Schüsse zur Gesamtzahl) stellt. Horn liegt in diesem Ranking mit 60,8 Prozent nur vor Alexander Schwolow (Hertha) und dem Fürther Duo Marius Funk und Sascha Burchert. Durch den mutigen Ansatz der Geißböcke kommen auch viele Schüsse auf den Kasten, sodass der FC mit 20 Gegentreffern die drittmeisten Treffer hinnehmen muss.

Foto: Simon Hofmann/Getty Images

In der Rangliste der Torwahrscheinlichkeiten gegen sich lässt der FC jedoch Dortmund, Leverkusen und Bochum hinter sich, was bedeutet, dass die Vereine aus gefährlicheren Chancen weniger Tore kassieren. Was das für einen Unterschied machen kann, konnte man vor einer Woche beim BVB erleben. Dass eine Torhüter-Diskussion als Beitrag zum immer wieder als so schädlich beschriebenen Umfeld für Verunsicherung führen kann, ist zwar richtig. Andererseits muss beim 1. FC Köln auf allen Ebenen aber auch ein neues Verhältnis zu eigenen Fehlern entstehen. Und bei dieser Fehler-Kultur darf es auch für einen „Kölsche Jung“ mit jahrelanger Bundesliga-Erfahrung keine Ausnahmen geben. Timo Horn hat seine Entwicklung mit einem neuen Torwarttrainer selbst in der Hand.

Wohlwissend um die Kritik wird dem Platzhirsch zwischen den Kölner Pfosten von Vereinsseite bereits zur Seite gesprungen: „Timo ist unsere Nummer eins. Das ist er nicht erst seit gestern, sondern schon sehr lange. Er hat viele gute Leistungen für den FC gebracht. Ich sehe das nicht so kritisch, wie es dargestellt wird”, wird Thomas Kessler, einst Horns Stellvertreter und nun Leiter der Lizenzspielerabteilung, im “Express zitiert: “Timo hatte hier im Klub eine sehr schwierige Phase. Aber ich finde, er hat sich sehr stabilisiert und zeigt gute Leistungen. Er spielt nicht aus nostalgischen Gründen, oder weil er schon immer die Nummer eins war, sondern weil er es im Training und den Spielen untermauert. Für ihn zählt der Leistungsgedanke wie für jeden anderen auch“, so die einstige Nummer zwei beim FC. Leistung wird Horn in den kommenden Wochen zeigen müssen, will er die durchaus berechtigte Kritik einiger Fans entkräften.

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