In Köln ist es rund um den ruhmreichen 1. FC Köln selten ruhig. Erst recht nicht, wenn bei den “Geißböcken” eine Mitgliederversammlung ansteht. Und in diesem Jahr haben sich, auch durch die pandemiebedingte Verschiebung viele Themen angestaut. Nach dem Rücktritt von Dr. Jürgen Sieger steht mit Carsten Wettich ein drittes Mitglied für den Vereinsvorstand zur Wahl, diverse Satzungsänderungsträge sowie die Bilanz des Geschäftsjahres 2019/2020 stehen auf der Tagesordnung. Hinzu kommt das Novum einer virtuellen Versammlung. Grund genug, Ho-Yeon Kim und Christian Hoheisel, die Vorsitzenden des Mitgliederrates, zum Interview zu laden und mit dem Führungsduo des Gremiums über die brisanten Themen rund um die Veranstaltung zu sprechen. Sie erklären, warum sie gar nicht so glücklich mit dem virtuellen Format sind, was sie von einzelnen Anträgen halten und plädieren leidenschaftlich für Carsten Wettich.
effzeh.com: Die Mitgliederversammlung hätte vergangenen Herbst stattfinden sollen, die nächste reguläre MV steht schon in drei Monaten an. Warum habt ihr sie so lange aufgeschoben? Warum gab es nicht schon 2020 eine digitale Mitgliederversammlung (MV)?
Ho-Yeon Kim: Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens wollten wir die MV möglichst als Präsenzveranstaltung durchführen und, wenn das aus bekannten Gründen nicht geht, zumindest eine Hybridveranstaltung. Unsere Vorstellung war, dass bei einer Hybridveranstaltung mindestens 1.000 Mitglieder vor Ort in der Kölnarena sein können. Irgendwann geht halt das Geschäftsjahr zu Ende und es muss eine Mitgliederversammlung bis zum 29. Juni des Folgejahres abgehalten werden. Um die Frist einzuhalten, machen wir jetzt eben eine virtuelle Variante. Für den ursprünglich im Oktober geplanten Termin fehlten noch einige technische Voraussetzungen, weswegen wir verschieben mussten.
“Im Prinzip sind wir komplett für eine Präsenzveranstaltung. Durch die Erfahrungen mit der Corona-Pandemie fühlen wir uns auch eigentlich darin bestärkt, dass das die richtige Entscheidung ist.”
Aber ihr hättet lieber eine Präsenzveranstaltung abgehalten?
Christian Hoheisel: Im Prinzip sind wir komplett dafür. Durch die Erfahrungen mit der Corona-Pandemie fühlen wir uns auch eigentlich darin bestärkt, dass das die richtige Entscheidung ist. Es ist einfach etwas anderes, ob man virtuell konferiert oder sich im echten Leben trifft. Ich glaube, dass die kommende Mitgliederversammlung das bestätigen wird. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass der Wunsch mancher Menschen, künftig virtuelle Mitgliederversammlungen abzuhalten, kräftig zurückgehen wird. Nichts kann in meinen Augen das reale Treffen ersetzen! Ich persönlich tue mich schwer mit diesem Format, wie wir es am Donnerstag machen werden.
Gab es denn die Alternative, die Mitgliederversammlung über das Geschäftsjahr hinaus zu verschieben?
Christian Hoheisel: Es gab auch manche, die das gefordert haben. Die gefordert haben, dass der Verein das Bußgeld riskieren müsse. Wenn wir über den 30. Juni des Folgejahres hinausgehen, würde das Bundesamt für Justiz ein Bußgeldverfahren einleiten. Man muss den Jahresabschluss spätestens ein Jahr nach Abschluss des Geschäftsjahres veröffentlichen. Dann steht am 1. Juli – auch zu Recht – in der Zeitung: „Bußgeldverfahren gegen den 1. FC Köln eingeleitet – Bilanz nicht veröffentlicht“. Das kann man auch gegenüber den Kreditgebern und Banken nicht bringen, das wäre verheerend.
Ho-Yeon Kim: Wir reden gerade von der Saison 2019/2020 und wir haben gerade die Saison 2020/21 abgeschlossen. Wie lang sollen die Berichte der Gremien denn werden? Irgendwann muss das einfach gemacht werden, sonst kommen wir mit den Inhalten nicht mehr hinterher. In der ganzen Diskussion sind auch Themen, die man jetzt endlich abschließen muss. Nur so können wir das neue beginnen. Wir mussten die möglichen Termine mit dem 1. FC Köln, der Kölnarena, aber auch dem Dienstleister Voting Partner koordinieren. Der Kompromiss war der 17. Juni.
Ich nehme auf jeden Fall mit, dass ihr mit der rein digitalen Versammlung nicht wirklich glücklich seid und auch eine Hybridversammlung nicht die bevorzugte Variante für künftige Versammlung ist?
Ho-Yeon Kim: Da muss man etwas differenzieren. Für dieses Jahr ist es schon die richtige Lösung. Um zu entscheiden, ob das für die Zukunft die richtige Lösung ist, dafür müssen wir uns jetzt erst einmal anschauen, wie das jetzt läuft. Wir haben mit mehreren Dienstleistern gesprochen und alle haben gesagt, dass sie mit einer Hybridveranstaltung in dieser Größenordnung keine Erfahrung haben. Wir müssen überlegen, ob wir aus Sicht des Mitgliederrates mit dem technischen Dienstleister zufrieden sind. Vom Mitgliederrat waren damit Fabian Schwab und ich intensiv befasst und stehen mit der Verwaltung in engem Austausch. Das ist derzeit der von uns favorisierte Dienstleister.
“Es erfordert auch sehr viel Konzentration, einer digitalen Versammlung so lange zu folgen – auf einem kleinen Monitor. Ob das so entspannt abläuft, wie sich das einige vorstellen, wage ich zu bezweifeln.”
Das Verlangen nach einer virtuellen Teilnahme scheint aber von außen betrachtet relativ groß zu sein, wenn man sich die Meinung vieler Mitglieder anschaut.
Ho-Yeon Kim: Wir können verstehen, dass Mitglieder, die von weiter herkommen, auch an der MV teilnehmen möchten. Auf der anderen Seite müssen wir abwägen, wie viel Aufwand wir betreiben können, damit mehr Mitglieder dabei sein können. Einen Livestream haben wir auch in den letzten Jahren angeboten. Wenn wir aber allen die Möglichkeit einer Abstimmung geben wollen, dann wird es ungleich komplizierter und aufwändiger. Wir müssen bei diesem Thema Erfahrungswerte sammeln. Beim Karlsruher SC ist man zum Beispiel in die digitale Mitgliederversammlung mit vielen Teilnehmer*innen gestartet. Das hat aber im Laufe der Versammlung stark abgenommen. Innerhalb des Corona-Jahres musste der Verein noch zwei weitere Mitgliederversammlungen abhalten und jedes Mal hat die Anzahl der Anmeldungen stark abgenommen und sich irgendwann auf einem normalen Wert eingependelt. Man muss sich einfach klarmachen: So eine digitale Mitgliederversammlung dauert mehrere Stunden, in denen man einfach nur am Bildschirm sitzt. Wichtiger Hinweis an dieser Stelle an alle Smartphone-Nutzer: Loggt euch vorher ins WLAN ein, denkt an ein Ladekabel und ladet eure Bluetooth-Kopfhörer auf – es wird länger dauern. Zudem erfordert es einfach auch sehr viel Konzentration, einer digitalen Versammlung so lange zu folgen – auf einem kleinen Monitor. Ob das so entspannt abläuft, wie sich das einige vorstellen, wage ich zu bezweifeln.
In den letzten Tagen hat Dynamo Dresden nach technischen Schwierigkeiten die digitale Mitgliederversammlung abgebrochen, Schalke hat nach technische Schwierigkeiten bei der Probeabstimmung die Versammlung ebenfalls abgebrochen. Wie ist der FC diesbezüglich aufgestellt und gibt es Vorkehrungen, falls am Donnerstag ähnliche Schwierigkeiten mit Voting Partner auftauchen sollten?
Ho-Yeon Kim: Die Fälle muss man ein wenig differenzieren. Im Fall Dresden können wir zumindest aus Köln nicht sagen, woran es gelegen hat. Schalke hat auf eine eigenentwickelte Lösung gesetzt, wovon wir beim FC abgesehen haben. Stattdessen haben wir einen Partner auf dem Markt gesucht, der bereits Veranstaltungen mit einer ähnlichen Größe durchgeführt hat. Den haben wir mit Voting Partner gefunden, der auch bei einigen anderen Fußballvereinen eine größere Anzahl an Teilnehmern betreut hat. Dabei waren sogenannte Last- und Perfomance-Tests wichtige Bestandteile. Von außen betrachtet sind die technischen Probleme am Wochenende aufgetreten, weil die Last für die eingesetzten Server zu groß wurde. Das versuchen wir dadurch zu lösen, dass wir mehrere Systeme bereithalten und damit im Bedarfsfall einfach unsere Kapazitäten hochfahren können. Natürlich kann man nicht alles ausschließen, allerdings denke ich, dass wir das für uns mögliche umgesetzt haben, um einen möglichst sicheren und stabilen Ablauf zu gewährleisten.
Und jetzt mietet der Verein die ganze Kölnarena für rund 20 Menschen, während der Rest der Mitgliedschaft des 1. FC Köln vor einem Monitor sitzt?
Ho-Yeon Kim: Nein, das tun wir nicht. Wir mieten einen kleinen Teil der Kölnarena, nicht die ganze Halle. Wir werden nicht in der leeren Kölnarena sitzen.
Inzwischen hat sich hoffentlich jedes FC-Mitglied, das teilnehmen möchte, mit der Anmeldung befasst. Eine der häufigsten Fragen war, warum sich manche authentifizieren müssen und andere nicht.
Ho-Yeon Kim: Grundsätzlich ist die Planung so gewesen, dass jeder, der schon einmal auf einer Mitgliederversammlung anwesend war und sich am Counter registriert hat, sich nicht über das ID-Now-Verfahren authentifizieren muss. Wir haben dann noch all diejenigen hineingenommen, die dem FC in der Vergangenheit einen Identitätsnachweis geschickt haben, sprich etwa eine Studienbescheinigung oder einen Ermäßigungsnachweis wie den Rentenbescheid. Auch die Reisegruppe, die mit dem Verein zur Europa League Spielen geflogen ist, hat sich am Flughafen ausgewiesen und gilt für uns damit als authentifiziert.
Wenn ich in der Mitgliederversammlung eine Frage stelle, dann sehe ich leider nicht, was die anderen so fragen. Das befeuert die Sorge vor einer intransparenten Veranstaltung.
Ho-Yeon Kim: Das hängt auch damit zusammen, dass man bei anderen Vereinen die Erfahrung gemacht hat, dass zu einem Tagesordnungspunkt 300 Fragen oder Redebeiträge eingereicht wurden. Wenn ein Beitrag 1000 Zeichen hat, habe ich innerhalb von fünf Minuten 300.000 Zeichen zu lesen. Auch das wäre dann irgendwo nicht mehr richtig transparent. Darum versuchen wir, die Beziehung zwischen Verein und Mitglied 1:1 aufrecht zu erhalten. Der Mitgliederrat hat den Vorstand darauf hingewiesen, dass die eingereichten Fragen transparent dargestellt werden müssen. Das heißt: Fragen sollen möglichst geclustert, sprich ähnliche Fragen sollen gesammelt und zusammengefasst werden. Meinungen und Redebeiträge werden naturgemäß nicht geclustert. Beleidigungen werden nicht im Wortlaut vorgelesen. Das Team, das clustert und Meinungen oder Redebeiträge sammelt, besteht aus der Verwaltung, aber mit Christian und Engelbert Fassbender sind auch Vertreter des Mitgliederrates dabei.
Christian Hoheisel: Es kommt auch etwas darauf an, wie viele Fragen gestellt werden. Beim Mitgliederstammtisch wurden rund 600 Fragen gestellt, wir haben ein enges Programm und wenn das in der Taktzahl weiterläuft, dann wird es spannend, wie lange die Veranstaltung läuft und wie lange eine repräsentative Anzahl an Leuten dabei ist. Werden am Ende mehr Mitglieder anwesend sein als bei einer Präsenzveranstaltung? Das wird eine der spannenden Fragen sein. Ich bin mir sicher, dass ich trotz Müdigkeit eher bis Mitternacht bleibe, wenn ich in der Kölnarena sitze und extra dafür hingefahren bin, als wenn ich zuhause die Versammlung einfach wegklicken kann, weil ich um 22.30 Uhr müde werde. Ich bin mir sicher, dass es nach hinten heraus einen ziemlichen Abfall der Nutzerzahlen geben wird.
“Beim Mitgliederstammtisch wurden rund 600 Fragen gestellt, wir haben ein enges Programm und wenn das in der Taktzahl weiterläuft, dann wird es spannend, wie lange die Veranstaltung läuft und wie lange eine repräsentative Anzahl an Leuten dabei ist.”
Antragsteller stellen ihren Antrag bei Präsenzveranstaltungen im Normalfall selbst noch einmal mit ihren eigenen Worten vor. Ist das für die digitale MV auch so vorgesehen?
Ho-Yeon Kim: Nein. Die Antragsteller schreiben ihren Text vor, der dann vorgelesen wird. Auch die Beantwortung der Fragen wird seitens der Antragssteller über den Chat erfolgen.
Es stehen auch wieder Satzungsänderungsanträge auf der Tagesordnung. Einer fehlt jedoch: Der gemeinsame Antrag des Mitgliederrates und des Vorstands zur Investoren-Thematik wurde wieder von der Tagesordnung genommen. Das Argument dabei war, dass für eine Diskussion darüber mehr Austausch nötig ist, als ihn eine digitale Veranstaltung bieten kann. Warum stehen denn dann überhaupt noch so viele Anträge auf der Tagesordnung?
Christian Hoheisel: Wir haben die Antragsteller angesprochen und darauf hingewiesen. Sie wollten ihre Anträge aber nicht zurückziehen, sondern in diesem Format zur Abstimmung bringen. Dabei muss man unterscheiden. Zum einen den Antrag zur Satzungsreform und den Anteilen: Ich persönlich bedaure, dass er nicht kommt, weil er unser Entwurf, unser großes und erklärtes Ziel ist. Leider gab es aus den Reihen der Unterstützer, die den Antrag in der Sache wollen, auch die klare Aussage, ihn nicht zu unterstützen, weil es keine breite Debatte dazu gegeben hat. Ich bedaure das sehr, aber dann müssen wir das im Sommer, wenn die Pandemie eine Auseinandersetzung wieder zulässt, nachholen. Ziel ist es dann, den Antrag bei einer der nächsten Mitgliederversammlungen zur Abstimmung zu stellen.
Wie steht ihr zu den anderen Anträgen?
Christian Hoheisel: Die Anträge, die von einzelnen Mitgliedern gestellt werden, sind teilweise brandgefährlich. Insbesondere der Antrag, der das Vorschlagsrecht des Mitgliederrates für den Vorstand de facto beseitigen will. Mit diesem Antrag will man nichts anderes als die demokratischen Strukturen in der Vereinsdemokratie schädigen. Dagegen müssen wir ankämpfen. Wir können nicht verbieten, dass solche Anträge gestellt werden. Klar ist aber auch: Wenn so ein Antrag durchkommt, hätte das in meinen Augen verheerende Auswirkungen für den 1. FC Köln. Erstens: Was ist von einem Aufsichtsrat zu halten, der völlig machtlos ist, weil er den Vorstand nicht nominieren darf. Zweitens: Würde das dazu führen, dass verschiedene Vorstandsteams im Wahlkampf gegeneinander antreten und vorgehen würden. Das wollte auch der alte Vorstand unter Werner Spinner nicht. Darum haben wir damals die Satzung dahingehend geändert, dass wir nur ein Team nominieren. In der Regel fallen die Mitgliederversammlungen immer in den Herbst, sprich der Wahlkampf würde dann pünktlich zum ersten Spieltag beginnen. Da würde sich jeder Trainer, jeder Spieler und jeder Geschäftsführer Sport bedanken und sagen: Leute, das geht überhaupt nicht. Deswegen sind das Anträge, die einfach nur aus einer Wut heraus, ohne diese Gedanken zu Ende zu denken, gestellt werden. Da müssen wir dringend an die Mitglieder appellieren, dass sie diesen Anträgen einen Riegel vorschieben und zum Ausdruck bringen, dass sie das so nicht wollen.
Ho-Yeon Kim: Solche Wahlkämpfe werden auch schnell populistisch, es geht schnell nicht mehr um Inhalte, sondern um Popularität. Wenn man sich andere Vereine anschaut, die das genauso gemacht haben: Da werden viele Versprechen gegeben, die hinterher eingelöst werden müssen, was bei einigen zu einer sehr hohen Verschuldung geführt hat. Da wird dann versprochen, einen Gönner mitzubringen, der Geld in den Verein steckt. Am Ende steht aber gar keine Strategie dahinter, das wird nur behauptet, um gewählt zu werden. Für uns alle steht das Wohle des 1. FC Köln im Vordergrund und damit Sachthemen, das ist kein Beliebtheitswettbewerb.
“Für uns alle steht das Wohle des 1. FC Köln im Vordergrund und damit Sachthemen, das ist kein Beliebtheitswettbewerb.”
In der Öffentlichkeit wird gerade allerdings sehr viel über Sachthemen diskutiert, von außen ist die Vereinsstruktur des 1. FC Köln wieder einmal gewaltig unter Beschuss. Wie schätzt ihr die derzeitige Lage ein?
Christian Hoheisel: Man muss sich klarmachen, was da gerade abläuft. Da wird von interessierter Seite versucht, den FC zu einem Investorenclub umzumodeln. Da kommen Spielerberater, Ex-Trainer und andere Leute, die sich vernetzen und denen es darum geht, selbst an die Fleischtöpfe zu kommen und sich die Kohle danach wieder gegenseitig zuzuschustern. Das kann man auch gar nicht drastisch genug formulieren. Und wenn man die Ergebnisse anderer Traditionsvereine ansieht: Genau das wollen bestimmte Personen auch in Köln – und die Ergebnisse sind verheerend. Diese Clubs stehen auf gleicher Höhe oder unter dem 1. FC Köln und deswegen ist auch die Argumentation „Wir können nicht überleben, wenn wir uns dem nicht ausliefern“ kompletter Schwachsinn. Das Gegenteil ist richtig, das zeigen uns Clubs wie Mainz 05 oder der SC Freiburg. Denen müssen wir nacheifern, weil bezogen auf die letzten zehn Jahren haben solche Vereine eine deutlich bessere Bilanz, das muss man einfach mal so anerkennen. Und das muss der Weg sein! Wenn jetzt Leute aus Frust, weil der aktuelle Vorstand viele Dinge nicht so stringent umgesetzt hat, wie wir uns das vielleicht gewünscht haben, darum jetzt „den anderen“ nachlaufen, dann wäre das ein Drama.
Ein vermeintliches Argument, das auch in dieser Diskussion immer wieder kommt, ist der Mär der „zu vielen Gremien, die hineinreden“. Zuerst formuliert von Armin Veh, der den Mitgliederrat als „Vollamateure“ bezeichnete, wird dieser Vorwurf an der Vereinsstruktur immer wieder aufgenommen, zuletzt von Berater Volker Struth und Noch-Trainer Friedhelm Funkel. Was sagt ihr dazu?
Ho-Yeon Kim: Das kommt vielleicht daher, dass die Begriffe „Mitgliederrat“ und „Gemeinsamer Ausschuss“ bei anderen Vereinen nicht geläufig sind. Wenn wir allerdings die Begrifflichkeiten durch „Aufsichtsrat“ und „Gesellschafterausschuss“ ersetzen würden, dann wäre das für viele wieder geläufiger. Und auch diese Gremien gibt es in anderen Vereinen der Profi-Ligen, egal welche Vereinsgröße. Wichtig ist in meinen Augen zu betonen, dass wir eben nicht überall hineinreden. Ich habe letztens die Behauptung gelesen, dass der Gemeinsame Ausschuss auch für einfache Dienstverträge zuständig ist, was jeglicher Grundlage entbehrt. Nur weil es jemand behauptet, stimmt es noch lange nicht.
Steht der Verein in diesem Sommer eurer Meinung nach an einer Art Wendepunkt?
Christian Hoheisel: Ich glaube, dass wir jetzt in der Situation sind, dass Strukturen aufgebaut und Entscheidungen im sportlichen Bereich getroffen wurden und wir eben nicht den nächsten Ex-Geschäftsführer eines anderen Vereins schnellstmöglich verpflichten. Ich glaube, dass wir hier wirklich die Chance haben, aus dem Hamsterrad herauszukommen. Aber wenn das jetzt wieder in die andere Richtung geht, wird es noch viel schwieriger. Und das müssen auch die wissen, die jetzt sagen, dass sie keine Lust auf die Mitgliederversammlung haben, nicht dabei sein wollen oder die die Wahl von Carsten Wettich in den Vorstand ablehnen, weil sie von der Performance des Vorstands nicht überzeugt sind. Wenn es einmal kippt, dann ist es aus! Wenn die zuvor beschriebenen Personen an die Macht kommen, werden sehr schnell Anteile am 1. FC Köln verkauft. Und wenn das einmal geschehen ist, kann man das nicht mehr so einfach rückgängig machen. Auch weil die Satzung es aktuell einfach hergibt, dass Anteile verkauft werden und zudem die finanzielle Situation auch durch Corona angespannt ist.
Ho-Yeon Kim: Carsten Wettich hat es beim Mitgliederstammtisch bereits vorgerechnet: Der 1. FC Köln hat einen Wert von vielleicht 250 Millionen Euro. Wenn man zehn Prozent verkauft, hat der Verein 25 Millionen in der Tasche. Wenn man es wie andere Vereine macht, holt man damit drei Spieler, weil man unter Druck gerät und das Geld vermeintlich verwenden muss. Auch die Preise steigen für diese Vereine, wie es die Vergangenheit gezeigt hat. Die Anteile sind unwiederbringlich weg, die Spielerwerte werden abgeschrieben, somit ist auch das eingeworbene Eigenkapital weg. Und dieser Investor wird irgendwann eine Rendite erwarten.
Christian Hoheisel: Das genau ist der Punkt, es ist doch klar, wer das alles am Ende bezahlt: Die Fans bezahlen das. Auch die, die jetzt danach schreien. Man sieht ja zum Beispiel in England, wozu das geführt hat. Die Preise sind ins Uferlose gestiegen und Fußball ist kein Volkssport mehr. Das Publikum wurde komplett ausgetauscht.
“Carsten ist ein echter FC-Fan, ein kompetenter Jurist dazu, der jahrelang konstruktiv im Mitgliederrat und im Gemeinsamen Ausschuss mitgearbeitet in den schwierigsten Situationen hat. Dass ausgerechnet er jetzt zwischen die Fronten gerät, ist traurig!”
Ihr habt Carsten Wettich angesprochen: Obwohl nur ein Nachrücker für den Vorstand zur Wahl steht, wird über die Kölner Medienhäuser und auch die sozialen Medien massiv Wahlkampf betrieben, vor allem im negativen Sinn. Wie seht ihr das?
Christian Hoheisel: Das ist einfach nur tragisch. Carsten Wettich ist ein echter FC-Fan, ein kompetenter Jurist dazu. Carsten hat jahrelang konstruktiv im Mitgliederrat und im Gemeinsamen Ausschuss mitgearbeitet in den schwierigsten Situationen. Darüber hinaus hat er diesem Vorstand sehr gutgetan. Er hat sich in vielerlei Hinsicht eingebracht – sei es die Durchfinanzierung des Vereins oder die Ausgestaltung von Verträgen – was natürlich draußen keiner sieht. Dass ausgerechnet er jetzt zwischen die Fronten gerät, ist traurig. Wir haben ihn aufgestellt, weil wir nach dem Abgang von Jürgen Sieger – der aus unserer Sicht immer der Ideengeber im Vorstand sein sollte – jemanden brauchten, der keine Eingewöhnungszeit benötigt. Jemand, der die Themen kennt und nicht fragt „Was ist jetzt nochmal genau mit dem Geißbockheim?“. Und da war Carsten genau der richtige Kandidat, der diese Kriterien am besten erfüllt hat. Genau darum ist es so traurig, dass die gesamte Kritik an allem, was in den letzten zwei Jahren gelaufen oder eben nicht gelaufen ist, auch aus der Unterstützerszene, jetzt bei ihm abgeladen wird. Ich halte das für grundfalsch.
Da hat sich aber seit der Wahl des Vorstands im September 2019 natürlich eine Menge Frust angestaut, der jetzt zur Sprache kommen kann und auch kommt.
Christian Hoheisel: Gerade Carsten hat sich sehr für die Neustrukturierung des Fandialogs eingesetzt. Mit Pierre Klapp gibt es jetzt einen neutralen Moderator, der die Treffen leitet. Das ist eins seiner Projekte und er hat das mit auf den Weg gebracht. Damit sind auch viele Versprechungen umgesetzt worden. Darum wäre es bedauerlich, wenn Carsten den Volkszorn abbekommen würde.
Viele selbst dem Vorstand wohlgesonnene Fans sind unzufrieden mit der Arbeit des Vorstands, der lange Zeit gefühlt abgetaucht war. Wie fällt denn euer Zwischenzeugnis für den Vorstand seit ihrem Amtsantritt aus? Seid ihr zufrieden mit der Arbeit von Werner Wolf und Eckhard Sauren?
Ho-Yeon Kim: Wir müssen unterscheiden zwischen einer internen und einer externen Sicht auf die geleistete Arbeit. Bei vielen Themenfeldern, welche intern abgelaufen sind, sehen wir gute Ergebnisse. So sind wir beim Ausbau NLZ erst auf der Zielgeraden durch die Kommunalwahl gestoppt worden, hatten aber bis dahin ein deutlich besseres Tempo drauf als vorher. Die Pandemie hat einiges an Arbeit erfordert, um den Verein auf Kurs zu halten, vor allem finanziell. Auch bei der Schaffung nachhaltiger Strukturen sind die ersten richtigen Schritte gegangen worden. Unsere strategische Kaderplanung wurde neu etabliert und ist personenunabhängiger. Diese Maßnahmen sind zwar unspektakulär nach Außen, allerdings musst du auch erst einmal Strukturen dafür aufbrechen. Wir hoffen davon in Zukunft profitieren zu können. Die Außenkommunikation und die Einbeziehung der Mitglieder, hier sehen wir noch Potentiale für die restliche Amtszeit. Es ist einiges unglücklich gelaufen, in anderen Fällen hätten wir ein anderes Tempo erwartet. Inhaltlich werden wir das auf der Mitgliederversammlung präsentieren.
Beim Mitgliederstammtisch haben Werner Wolf und Eckhard Sauren angekündigt, auch im Falle einer Nicht-Wahl von Carsten weiterzumachen. Wie würde es denn in diesem Fall weitergehen?
Ho-Yeon Kim: Das Recht, diese Position dann interimistisch zu besetzen, obliegt dem Mitgliederrat. Bei der nächsten Mitgliederversammlung würde dann über einen neuen Vorschlag abgestimmt. Das ist in diesem Kontext besonders zu betonen, weil sich dann eben nicht jeder auf den Interims-Posten bewerben kann, wie manche Leute denken, sondern der Posten dann wieder aus dem Mitgliederrat besetzt wird. Darüber hinaus haben wir bereits Mitte Juni und für das Vorschlagsrecht aus dem Mitgliederrat für die Nachwahl auf der nächsten Mitgliederversammlung ist die Frist 15. August. Wer sich von extern bewerben möchte, hat dann bis Ende Juli anderthalb Monate Zeit, die entsprechende Anzahl an Unterschriften beizubringen. Wir reden da über drei Prozent der Mitgliedschaft, also rund 3.500 Unterschriften.
Christian Hoheisel: Das ergibt also überhaupt keinen Sinn und wurde den FC auch in Turbulenzen stürzen, was niemand wirklich konstruktiv finden kann. Wer jetzt unbedingt einen neuen Vorstand haben will: Dieser Vorstand hat noch ein Mandat bis 2022, gut eineinhalb Jahre. Dann macht euch jetzt Gedanken und tretet 2022 an.
“Wer jetzt unbedingt einen neuen Vorstand haben will: Dieser Vorstand hat noch ein Mandat bis 2022, gut eineinhalb Jahre. Dann macht euch jetzt Gedanken und tretet 2022 an.”
Habt ihr letzte Worte vor der Mitgliederversammlung und die Leser*innen?
Christian Hoheisel: Meldet euch an und klickt euch rein!
Ho-Yeon Kim: Egal, wo ihr die Mitgliederversammlung verfolgen werdet: Packt euch ein Ladekabel ein!