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Kolumnen

Jeff-Jas-Kolumne: Fußball ist immer noch wichtig?

Zum Start der Europameisterschaft fehlt das Feuer, das sonst in Fans lodert. Zumindest bei unserem Autoren, der nur noch beim 1. FC Köln so richtig in Fahrt kommt. Die Jeff-Jas-Kolumne.

The Olympic Stadium in Rome ready for the opening match of Euro 2020 Turkey-Italy. Rome Italy, June 10th, 2021 Rome Italy - ZUMAm169 20210610_zac_m169_007 Copyright: xMassimoxInsabatox
Foto: imago images / ZUMA wire

Leev Lück,

interessiert ihr euch noch für Fußball? Also so richtig? So richtig richtig richtig? Ich irgendwie nicht mehr. Abseits des glorreichen, oft kopierten und selten erreichten 1. FC Köln (hier bitte lustigen Spruch über FC ist nicht Fußball einsetzen) habe ich mein Interesse an diesem Sport, der mein Leben über weite Strecken im Guten wie im Schlechten geprägt hat, irgendwie verloren. Wobei stop: Nicht das Interesse an diesem Sport, sondern am Profifußball in seiner derzeitigen Form. Zuletzt soll im Hause Jeff Jas sogar anderes im TV gelaufen sein, als Europapokalfinale liefen. Früher hätte darauf vermutlich die soziale Ächtung im Freundeskreis gestanden, heute kann ich das problemlos an prominenter Stelle zugeben. Wie gut, dass ich immer noch im Home Office verweile und mich im Büro nicht für diese „Wissenslücken“ rechtfertigen muss. Bin doch schließlich fußballverrückt, weiß doch jeder.

Und es ist mittlerweile nicht einmal so, dass ich mich bewusst gegen irgendwelche Fußballevents entscheiden würde. Es ist vielmehr, dass ich erst gar nicht davon erfahre, welcher Kick nun wieder auf welchem der zahllosen Sender, die sich an einer Übertragung versuchen dürfen, läuft. Zuletzt lief ein Testspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft – und ich vernahm es am Morgen danach, als ich im Videotext (jajaja, wie Oldschool) vom Ergebnis überrascht wurde. So verwundert es auch nicht wirklich, dass ich dieser EM 2020, die aber 2021 stattfindet, nicht sonderlich entgegengefiebert habe. Das Duell zwischen Italien und der Türkei lief ohne Kommentar auf dem Third Screen – neben einer belanglosen Serie und dem epischen Tennismatch zwischen Novak Djokovic und Rafael Nadal bei den French Open.

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Bis auf den FC: Fußball als Nebensache

Kein Vergleich zu früher, als ich schon Wochen vor dem Turnierstart die Sonderhefte durchgesuchtet, Kader auswendig gelernt, Paninialben vollgeklebt und mich auf jedes einzelne verdammte Spiel gefreut habe. Ich kannte jeden Spieler, der teilnahm. Mit Namen, Geburtsdatum und Verein. Dass Trifon Iwanow, dieser bulgarische Teufelskerl, die Abwehr von Rapid Wien zusammenhält. Wo Kolumbiens Fußballlegende Carlos Valderrama seine Löwenmähne auf das Spielfeld befördert. Wie Kameruns unzähmbare Löwen den beschwerlichen Weg zur WM geschafft haben. Dass es irgendwo da draußen Clubs mit so klangvollen Namen wie Hercules Alicante, Urawa Red Diamonds oder Dnepr Dnepropetrowsk gibt. Heute bin ich froh, wenn ich drei Spieler auf dem Platz kenne – wo diese derzeit spielen: Nebensächlich. Was ist nur passiert, dass Fußball für mich zur verdammten Nebensache geworden ist?

Da ist es doch irgendwie tröstlich, dass ich mich immerhin noch um den glorreichen 1. FC Köln aufregen kann. Weniger wegen der Leistungen auf dem Platz, das bin ich seit 25 Jahren ja kaum anderes gewohnt. Mehr so wegen des Drumherums rund um diesen schrecklich schönen Verein. Dank dieser ungerechten Sache namens Relegation haben wir gerade so noch den Klassenerhalt eingetütet – und da dachte ich mir: Jetzt kann erstens diese Relegation endlich abgeschafft werden und zweitens können wir uns alle ein paar Tage freuen, danach ein wenig nach dieser so nervlich komplett aufreibenden Saison mit Happy End die Beine ausschütteln und dann auf den Start der neuen Saison hinfiebern. Das dürfte doch eigentlich nicht zu viel verlangt sein – wenn es halt nicht der 1. FC Köln wäre, den wir alle kennen.

Wer sollte sonst Schuld sein außer die bösen Gremien?

Was folgte, war die klassische Definition eines Chaosclubs. Trotz Klassenerhalt. Ein Sportchef, der gemessen an seiner Leistung mehr als ordentlich absahnt, sich nach seiner gerechtfertigten Entlassung aber aufführt wie ein verschmähter Pubertierender. Ein desorientiert wirkender Vorstand, dessen Führungsqualitäten mit Taubenzüchterverein eine Beleidigung für jeden Taubenzüchterverein wäre. Und dann die öffentlichen Einlassungen jedes Schwaadlappen Antons, der nicht schnell genug den Anruf vom Kölner Stadt-Anzeiger (bei uns nur als Kölner Stadt-Anzünder bekannt) wegdrücken konnte. Ob nun Relegationsretter Friedhelm Funkel, Wolfgang Bosbach oder Volker Struth, der Spielerberater des üblichen Misstrauens: Jedes Würstchen darf unter dem Deckmantel des Fandaseins und der Sorge um den FC seinen Senf zur Situation am Geißbockheim dazu geben.

Foto: imago images / Sven Simon

Wobei: Nicht jedes Würstchen. Nur diejenigen, die perfekt in diese schmierige Kampagne passen, die einzig und allein das Ziel hat, die Mitbestimmung der Fans als das Kernproblem auszumachen. Die Gremien sind’s gewesen, wer auch sonst? Vielleicht die Menschen aus der Branche, die seit jeher sich aufs sinnlose Geld verbrennen verstehen? Die Horst Heldts, Armin Vehs, Michael Meiers? Die Wolfgang Overaths, Toni Schumachers und andere einstige Top-Leute aus der Branche? Niemals sind solche Menschen mit Fußballhintergrund und Sportkompetenz an der Misere schuld. Das können nur sinistere Kräfte gewesen sein, die deren hervorragendes Wirken immer und immer wieder einbremsen. Der Mitgliederrat hat bestimmt die Spieler ausgesucht, ihnen zu teure Verträge angedreht und Kaderplanungen aus der Hölle angedacht. Ganz bestimmt, lasst euch da nichts anderes erzählen.

Lasst euch nicht für blöd verkaufen!

Diese so plumpe wie offensichtliche Masche der eigenen Exkulpation durch untereinander völlig verflochtene Figuren wäre ehrlich gesagt ziemlich lustig, wenn es nicht um den 1. FC Köln gehen würde. Dass nicht einmal kritisch nachgehorcht wird, woher die Eindrücke zur Gremienarbeit denn eigentlich kommen. Warum Gegenbeispiele wie Mainz 05 genannt werden, die als e. V. ohne ausgegliederte Profiabteilung so gar nicht ins Schema passen. Wieso der Erfolg der Bundesliga-Konkurrenz wie Union Berlin wenig überraschend unterschlagen wird. Und dass es nicht zur Sprache kommt, dass der angebliche Fußball- und Vereinsstruktur-Experte Volker Struth dieselbe Masche schon in Kooperation mit Reiner Calmund (hat sich bisher noch nicht geäußert, kann gern so bleiben) beim Hamburger SV abgezogen hat. Mit dem bekannten Erfolg. Der HSV ist dank der veräußerten Anteile auf dem besten Wege zum Stammgast in der Champions League zu werden. Also der 2. Bundesliga.

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Ihr merkt: Mich regt das selbst beim Schreiben schon wieder extrem auf. Ich meine: Ich kann den kölsch-katholischen Hang zum Messiasglauben und zur Heiligenverehrung irgendwo nachvollziehen, auch wenn mir diese allgegenwärtige Sehnsucht nach dem starken Mann völlig zuwider ist. Aber doch bitte nicht den FC in welcher Form auch immer an diesen Zirkus voller Clowns verscherbeln, der nichts anderes im Sinne hat als sich auf irgendeine Art und Weise die Taschen noch mehr zu füllen. Das kann – bei allem berechtigten Ärger und Frust über die sportlich unbefriedigende Situation beim FC – doch nicht die Lösung sein. Als wäre Geld am Geißbockheim in der jüngsten Vergangenheit das Problem gewesen. Als wäre fehlender Stallgeruch aus der Fußballbranche das Problem gewesen. Lasst euch doch nicht für blöd verkaufen, Leute!

Manchmal muss die Fußballwelt simpel sein

Und bevor ich noch komplett den Verstand verliere (Spötter sagen: Zu spät!) und mein Blutdruck bedrohliche Ausmaße erreicht, freue ich mich einfach darauf, bald wieder auf irgendeinen Kreisligaplatz zu stehen. Bratwurst in der einen Hand, Bierchen in der anderen. Wieder dumme Sprüche („Der 10er hat schon Gelb!“) kloppen, wieder herzlich über kuriose Szenen lachen. Manchmal kann die Fußballwelt ganz simpel sein, manchmal muss die Fußballwelt für mich ganz simpel sein. An der Bande mit der Bande – die Aussicht darauf lässt mich sogar die EM irgendwie ertragen. Auch wenn ich immer noch nicht wirklich weiß, wer da wo wann gegeneinander spielen wird. Vielleicht kommt in diesem Fall der Appetit beim Essen. Es wird aber wohl eher ein freudloser Imbiss denn ein Gaumenschmaus, den ich häufiger zu mir nehmen möchte. Wir lesen uns in der neuen Saison!

Euer Jeff Jas

In unregelmäßigen Abständen schreibt Jeff Jas an dieser Stelle über die groben Fouls und versteckten Nickligkeiten im Fußball, die Diskussionen auf dem Platz, an der Seitenlinie, in der Kabine, auf der Tribüne und an der Theke. Er fühlt sich überall zuhause, wo der Ball rollt: Vom Aschenplatz auf der Schäl Sick über das Müngersdorfer Stadion im Kölner Westen bis zu den Hochglanzarenen dieser Welt.

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