Über den Absturz des glorreichen 1. FC Köln in der vergangenen Saison ist viel geschrieben worden. Köpfe wurden sich heiß diskutiert über die Gründe, wer weshalb mit wem nicht mehr konnte und deswegen alles in die Brüche geht. Manchmal gelingt es einem, das ganze Desaster ziemlich weit von sich zu schieben, der Kölner an sich ist hervorragend im Verdrängen und Vergessen. Manchmal sind die Erinnerungen allerdings mächtiger, kommt es zu Flashbacks zwischen seligem Blick in die Vergangenheit und fadem Nachgeschmack. Heute, am 7. Dezember, ist eher letzteres der Fall, denn vor einem Jahr kämpfte der effzeh um den Einzug in die K.o.-Phase der Europa League – ein Jahr später spielt er in Regensburg.
Und was war das für ein Trip nach Belgrad zum sechsten und abschließenden Gruppenspiel unseres Europapokal-Abenteuers. Dank eines 1:0-Erfolg gegen den FC Arsenal (B-Elf, aber was solls? Wir haben Arsenal geschlagen!) stand das Tor zur Runde der letzten 32 in der Europa League einen klitzekleinen Spalt weit auf. Die einzige Aufgabe: Roter Stern in ihrem eigenen Stadion schlagen. Was soll da bloß schiefgehen? Es ging eine Menge schief. Gefühlte drölfzig effzeh-Spieler fielen verletzungsbedingt aus, mehrere Kicker aus der U19 und der U21 füllten den Kader auf, damit Trainer Stefan Ruthenbeck überhaupt elf Jungs mit dem Geißbock auf der Brust auf den Platz schicken konnte. Und auf den Rängen? Die Vorfreude der zig tausend Kölner, die sich in die serbische Hauptstadt aufgemacht hatten, wich angesichts des Treibens im unteren Teil des Gästeblocks Enttäuschung, Wut und Scham. Die 1:0-Niederlage und das Ausscheiden im Europapokal als Kirsche auf dem Scheißhaufen dieser Saison.
Die kölsche Realität: Regensburg statt Belgrad
Exakt ein Jahr später heißt die Realität: Regensburg statt Belgrad. Schon in der vergangenen Saison kam auf Twitter nach den desaströsen Auftritten in der Bundesliga und dem abermalig anstehenden Abstieg der Hashtag #RoadToRainsborough auf. „Kommende Saison: Alle nach Regensburg. Wir nennen es Rainsborough und tun so, als wäre es das Viertelfinale der UEFA Europa League“, hieß es dort. Galgenhumor können wir effzeh-Fans. Wir machen uns die Welt eben im Herzen schön, auch wenn sie für die Augen recht biestig daherkommt. Doch es steckt schließlich neben der gewissen Bitterkeit und dem lustigen Ansatz ein wahrer Kern dahinter: Wir müssen die Realität annehmen, wie sie derzeit ist, ohne aber zum einen die schöne Erinnerung an die sechs Europapokal-Spiele zu vergessen und zum anderen nicht gleichzeitig daran zu zerbrechen. „Et ess wie et ess“, heißt es dazu passend im Kölschen Grundgesetz. Und jetzt ist es eben Regensburg – und das ist alles andere als schlimm.
Kommende Saison: Alle nach Regensburg. Wir nennen es Rainsborough und tun so, als wäre es das Viertelfinale der #UEL. #effzeh #roadtorainsborough pic.twitter.com/EDXyelzj13
— effzeh_history (@effzeh_history) December 11, 2017
Wer erinnert sich beispielsweise nicht gern an das letzte Gastspiel des 1. FC Köln in der Oberpfalz? Nach 0:2-Rückstand (unter anderem traf der Ex-Kölner Christian Rahn) wachten die „Geißböcke“ 2013 erst sehr spät auf. Sehr spät, aber nicht zu spät. Anthony Ujah schaffte in der 87. Minute den Anschlusstreffer, der das Startsignal für eine unbeschreibliche Aufholjagd war. Kurz darauf schaffte Dominic Maroh im Anschluss an eine Ecke sogar noch der nicht mehr für möglich gehaltenen Ausgleich (90.). Doch wer dachte, das sei der Höhepunkt einer verrückten Schlussphase, der hatte die Rechnung ohne Sascha Bigalke gemacht. Der kleine Mittelfeld-Wuseler nahm den Ball in der dritten Minute der Nachspielzeit aus der Distanz direkt und versenkte eiskalt zum 3:2-Siegtreffer für die Kölner. Der Autor dieser Zeilen bekam dies freilich nicht mehr im Stadion mit: Nach dem bitteren 0:2 verließ er fluchend das Stadion und setzte sich in die direkt am Gästeblock gelegene Kneipe. Das 3:2 bekam er dann bei der Fahrt in die Regensburger Innenstadt mit – noch heute ist dies völlig zurecht Grund zu derben Frotzeleien. Kleine Sünden bestraft der liebe Gott eben sofort.
Jahn Regensburg seit zehn Spielen ohne Niederlage
Dass dies auch dem 1. FC Köln beim Auswärtsspiel in Regensburg passieren könnte, zeigt ein Blick auf die letzten Ergebnisse des SSV Jahn. Seit dem fünften Spieltag, als es eine 0:2-Heimniederlage gegen Dynamo Dresden gab, sind die Oberpfälzer ohne Niederlage in der 2. Bundesliga. In allen zehn Partien, die sie ungeschlagen blieben, traf der Jahn auch ins gegnerische Tor. Unbestrittenes Highlight dieser durchaus vielsagenden Serie: Der 5:0-Kantersieg in Hamburg, der nicht nur in der Liga für großes Erstaunen sorgte. „Wir haben eine Mannschaft vor der Brust, die die letzten zehn Spiele nicht verloren hat. Sie spielen aggressiv und gehen gut ins Gegenpressing. Regensburg ist schwer zu bespielen. Sie sind als Team zusammengewachsen. Sie haben Spiele hinten raus gedreht. Es ist eine Mannschaft, die sich nie aufgibt. Das Spiel wird eine schwere Aufgabe“ weiß auch effzeh-Coach Markus Anfang, der auf Spielmacher Louis Schaub und Marco Höger verzichten muss, um die Qualität der Mannschaft von Trainer Achim Beierlorzer.
Man neigt nach guten Ergebnissen dazu, sich in die Komfortzone zu begeben und zu denken, das läuft jetzt. Wir haben die Jungs auf diese Gefahr hingewiesen. Wir müssen unseren Weg jetzt weitergehen!
Die #RoadToRainsborough wird also dem Vernehmen nach für den 1. FC Köln keine einfache Reise, obwohl die Formkurve bei den „Geißböcken“ steil nach oben zeigt. 15 Treffer erzielten Simon Terodde, Jhon Cordoba & Co. bei ihren letzten drei Erfolgen – die beste Offensive der 2. Bundesliga will diese Torgefahr auch in Regensburg auf den Platz bringen. Gerade auswärts zeigte sich der effzeh in dieser Saison bis auf das Hamburg-Spiel sehr konstant und punktete, was das Zeug hält: Lediglich der HSV konnte auf fremdem Platz mehr Zähler einsammeln als die Anfang-Schützlinge. Bilanzen, die sich sehen lassen können, aber die keinen Sieg in der Oberpfalz garantieren. „Wir dürfen uns nicht ausruhen“ – so lautete das Motto der Trainingswoche am Geißbockheim. Das gilt auch für die 90 Minuten beim SSV Jahn, der gezeigt hat, welch unangenehmer Gegner er sein kann. „Man neigt nach guten Ergebnissen dazu, sich in die Komfortzone zu begeben und zu denken, das läuft jetzt. Wir haben die Jungs auf diese Gefahr hingewiesen. Wir müssen unseren Weg jetzt weitergehen“, mahnte effzeh-Coach Anfang noch auf der abschließenden Pressekonferenz vor dem Freitagsspiel. Der Weg heißt: #RoadToRainsborough. Und ist hoffentlich erfolgreich.