Und es gibt ihn doch. Lange hatten viele interessierte Beobachter überlegt, ob der 1. FC Köln tatsächlich einen existierenden Vorstand hat. Spötter wollten sogar schon eine Vermisstenanzeige für das Triumvirat um Werner Wolf aufgeben. Zu zurückhaltend, ja gar gefühlt abwesend hatte das Präsidium des Bundesligisten seit seiner Wahl im September 2019 agiert. Nicht einmal 24 Stunden nach dem Klassenerhalt, den die „Geißböcke“ über den Umweg der Relegation einfuhren, waren allerdings zwei Sachen klar: Zum einen hat der 1. FC Köln tatsächlich einen Vorstand, der aus den Hufen kommen und Entscheidungen treffen kann. Zum anderen ist Horst Heldt nicht mehr Sportgeschäftsführer des 1. FC Köln.
„Wir können mit der Zusammenstellung des Kaders und der sportlichen Entwicklung in der abgelaufenen Saison nicht zufrieden sein“, sagte FC-Präsident Werner Wolf bei der Verkündung, die einmal mehr überstürzt veröffentlicht werden musste, nachdem die erfolgte Entscheidung ihren Weg über die stets gut informierten Medien rund um den Verein nach draußen fand. Dass der Zeitplan, den der Vorstand bei der Trennung vom massiv in die Kritik gerateten Sportchef angepeilt hatte, durch die mittlerweile wieder üblich gewordenen Durchstechereien durcheinandergeriet, war allerdings nur eine Randnotiz einer richtigen und richtungsweisenden Entscheidung.
Kein glückliches Händchen auf dem Transfermarkt
Die Vereinsführung, nicht zu Unrecht rund um das Geißbockheim als durchsetzungs- und handlungsschwach wahrgenommen, hatte sich nach erfolgtem Klassenerhalt endlich dazu durchgerungen, durchzugreifen und eine erste Veränderung im Kölner Machtgefüge anzugehen. Die Zweifel an Horst Heldt: Sie waren zuletzt gewachsen, als der 1. FC Köln im Abstiegskampf zunehmend unter Druck gekommen war. Die (zu) späte Trennung von Markus Gisdol, dessen Vertrag Heldt erst im Sommer 2020 noch ohne Not vorzeitig verlängert. Die Suche nach einem kurz- und mittelfristigen Nachfolger für den erfolglosen Trainer, die aufgrund unterschiedlicher Ansichten zu einer internen Machtprobe wurde.
Aber es war vor allem die mehr als dürftige Bilanz auf dem Transfermarkt, die der Kölner Sportchef zu verantworten hat. Knapp 20 Millionen Euro hatte Horst Heldt in dieser Saison in den Kader der „Geißböcke“ investieren dürfen, Qualität hatte der ehemalige FC-Profi dafür allerdings kaum ans Geißbockheim bringen können. Fast die gesamte Spielzeit hinweg hatten die Kölner ohne etatmäßigen Mittelstürmer absolvieren müssen, die Transfers wie Emmanuel Dennis, Max Meyer, Dimitrios Limnios oder Tolu Arokodare waren fast durchgängig teure Flops, die der Mannschaft aus verschiedensten Gründen nicht weiterhelfen konnten. Selbst bei wohlwollendster Betrachtung eine nicht ausreichende Bilanz, die nicht einmal mehr FC-Präsident Werner Wolf noch mit „befriedigend plus“ bewerten konnte.
Ein Neuanfang war unumgänglich
So verwundert die schnelle Entscheidung gegen Heldt trotz des erreichten Klassenerhalts nur wenige rund um den 1. FC Köln. Dass das Tischtuch zwischen den Beteiligten zerschnitten war, darauf deuteten die vergangenen Wochen bereits hin. Wolf wollte Heldt keine Jobgarantie für den Abstiegsfall ausstellen, Heldt brüskierte seine Vorgesetzten mit einer schnippischen Antwort auf die Frage nach seiner Zukunft im Vorfeld des Schalke-Spiels. Wie es um die Atmosphäre zwischen dem nun geschassten Sportgeschäftsführer und dem Präsidium zum Ende bestellt war, das zeigt letztlich auch die Pressemitteilung des Vereins, in der nicht einmal ein Zitat Heldts zu finden ist. Ein Neuanfang, das scheint nach dieser nervenaufreibenden Saison mit Happy End deutlich geworden zu sein, war am Geißbockheim unumgänglich geworden.
Und nicht etwa, weil beim 1. FC Köln zu viele Menschen oder Gremien mitreden. Die misslungene Kaderplanung, die Nibelungentreue zu Markus Gisdol: Das sind Entscheidungen, die Horst Heldt zwar nicht ausschließlich allein, aber doch zuvorderst selbst zu verantworten hat. Entscheidungen, die er und nicht irgendwelche Gremien getroffen hat. Und auch wenn es dank anderslautender Aussagen aus dem Geißbockheim vielleicht verrückt anmutet, aber: Die Verantwortlichen heißen nicht aus Zufall so, sondern weil sie die Verantwortung für die Entscheidungen tragen – und dafür nebenbei angemerkt fürstlich entlohnt werden. Deshalb ist die Strukturfrage für die Demission übrigens genauso irrelevant wie Heldts unbestrittene Zuneigung zum FC oder gar seine sportliche Vergangenheit im Club.
Schwache Entscheider treffen schwache Entscheidungen
Das Problem beim 1. FC Köln ist weiterhin nicht, dass zu viele Menschen mitreden würden. Vielleicht wäre es sogar besser gewesen, es wären mehr Menschen an den Entscheidungen beteiligt gewesen. Vielleicht hätten diese verhindern können, dass ein Mittelstürmer, der keiner ist, verpflichtet wurde. Oder der x-te zentrale Mittelfeldspieler, nur weil die Spieleragentur des Vertrauens diesen gerade im Angebot gehabt hatte. Oder ein vermeintlich talentierter Stürmer, der allerdings nicht für die U21 auflaufen und dort Spielpraxis sammeln darf, was niemanden außerhalb des Geißbockheims überraschte. Allein dieser kleine Ausschnitt zeigt, wie weit eine Strukturdebatte am entscheidenden Punkt vorbeizielt. Das Problem ist beim FC schlichtweg: Schwache Entscheider treffen schwache Entscheidungen.
Hier sitzt auch der Vorstand mit im Boot, der Heldts Vertrag im vergangenen Sommer langfristig verlängerte und dies mit der Sehnsucht nach Kontinuität verargumentierte. Dass nun schon weniger als ein Jahr später Schluss für den Sportchef ist, ist auch eine Niederlage für den Kurs der Vereinsführung, die sich mit den Entscheidungen in Personalfragen zunehmend von ihren Unterstützern entfernt hatte. Dass die komplett nachvollziehbare Trennung von Horst Heldt auch kommunikativ einmal mehr schlecht vorbereitet wurde und sich die Verantwortlichen in den Fallstricken der Kölner Medienlandschaft verhedderten, passt da ins Bild, das der Vorstand seit Amtsantritt im September 2019 bislang abgegeben hat. So richtig angekommen als Chefs scheinen Wolf und Co. auch nach anderthalb Jahren immer noch nicht zu sein.
Die Aufarbeitung darf nicht bei Heldt stoppen
Immerhin: Eine Alternative für die sportliche Leitung hatte der FC direkt an der Hand. Mit Jörg Jakobs zieht nun jemand in vorderster Front die Strippen bei den „Geißböcken“, der diesen Verein aus dem Effeff kennt und schon nach dem Abstieg 2012 bewiesen hat, dass er in einer Krise unter schwierigen Umständen strukturiert zu arbeiten versteht. Stallgeruch, Erfahrung, Netzwerk, Fachkompetenz: Heldts Nachfolger auf Zeit entspricht nahezu allen Vorstellungen, die rund um den FC bei der Besetzung von Posten gern gesehen sind. Dass die Interimslösung, die der Sporthochschuldozent zusammen mit Ex-Profi Thomas Kessler bildet, bis zum Ende der kommenden Saison angedacht ist, ist kein schlechter Schachzug der Verantwortlichen und nimmt dem FC ein wenig den Zeitdruck.
Zeit, die am Geißbockheim zwingend genutzt werden muss: Um beispielsweise die Frage zu beantworten, wohin dieser Verein eigentlich auf welchem Wege will. Wieder einmal steht der 1. FC Köln vor einer richtungsweisenden Entscheidung auf einem enorm wichtigen Posten. Doch mit einem neuem Sportchef ist es bei den „Geißböcken“ nicht getan. Die Aufarbeitung der Probleme, unter denen der Verein seit geraumer Zeit leidet – sie darf nicht an diesem Punkt stoppen, damit Horst Heldt nicht letztlich ein billiges Bauernopfer bleibt. Die Aufarbeitung der Probleme am Geißbockheim – sie gilt für alle Beteiligten, von den Spielern über die Geschäftsführung bis in die Gremien. Damit sich eine solche Saison nicht mehr wiederholt. Und vielleicht auch keine Vermisstenanzeigen für den Vorstand aufgegeben werden müssen.