Die TSG Hoffenheim gewinnt knapp mit 1:0 beim 1. FC Köln. In einem Spiel, das an hochkarätigen Chancen nicht arm war, überraschte lediglich, dass tatsächlich nur ein Tor gefallen ist. Per Kopfball entschied Stefan Posch die Partie zugunsten der Kraichgauer, die genau wie die “Geißböcke” viele Möglichkeiten liegen ließen. Ansonsten bekamen die geneigten Zuschauenden ziemlich genau das, was vor dem Spiel zu erwarten war: solange flanken, bis irgendwann einmal ein Spieler den Kopf entscheidend dran bekommt. In unserer Analyse möchten wir den Flankenfokus einmal genauer beleuchten.
Die Gäste begannen, wie man es von der TSG kennt, in einem 3-5-2, bei dem auf einigen Positionen auf Grund von Ausfällen rotiert werden musste. Dieses System hat Trainer Sebastian Hoeneß inzwischen implementiert und damit unter anderem im Hinspiel genau richtig gelegen (5:0). Da Steffen Baumgart an jenem verhängnisvollen 8. Spieltag seiner Mannschaft ein 4-4-2 mit Raute verordnet hatte und damit das Mittelfeldzentrum weitestgehend preisgab, korrigierte der Trainer sich nun im Rückspiel und setzte auf ein 4-2-3-1 mit relativ klarer Doppelsechs, die Salih Özcan und Ellyes Skhiri bekleideten – mehr zu den Beiden weiter unten. Auf der rechten Offensivposition kam Dejan Ljubicic zum Einsatz; wohl auch, um Rechtsverteidiger Benno Schmitz gegen die Offensivläufe von David Raum zu unterstützten und die Kreise des Hoffenheimer Außenspielers einzuschränken.
Schwierigkeiten beim Zugriff
Allerdings gelang dies zu selten, da die Hoffenheimer inzwischen ihr System mitunter darauf ausgerichtet haben, Raum in Flankenpositionen zu bringen. Das Muster ist dabei immer ähnlich: Kevin Akpoguma schob häufig mit auf die linke Offensivposition, auch Angelo Stiller spielte viel eher auf der linken Acht anstatt des Zentrum neben Diadie Samassekou zu halten. Dabei ging gar nicht jeder Angriff über die linke Flanke der TSG: Oft überlud man auch den linken Halbraum und spielte erst mit dem letzten Pass in die Schnittstelle David Raum frei, der dann ohne den ganz großen Gegnerdruck flanken konnte. Allerdings lag das weniger daran, dass die Kölner es schlecht gemacht hätten, sondern viel mehr daran, dass die Hoffenheimer mit Ihlas Bebou auch oft einen zweiten Spieler in der Schnittstelle zwischen Schmitz und Luca Killian lauern hatten.
“Grundsätzlich muss man sagen, dass dieses Spiel in der Entwicklung wieder ein Schritt nach vorne war. Wir müssen uns vor Augen halten, wo wir herkommen.“
~ Thomas Kessler
Wenn also der Passweg auf Raum zu war, konnte man immer auch noch Bebou mit scharfen Pässen oder Lupfern finden – sein Pfostentreffer (14.) ist ein Musterbeispiel dieses Angriffsmusters, auch wenn er hier noch knapp im Abseits stand. Wie aber wollten die Kölner das Spiel angehen? Der Plan war durchaus das Baumgart-typische hohe Anlaufen mit schnellem Umschalten. Allerdings gelang dem FC nie ein unmittelbarer Zugriff auf die Hoffenheimer Aufbaureihe. Wegen Akpogumas bereits erwähnter höherer Position eröffnete Hoffenheim von hinten oft nur mit zwei Feldspielern (gegebenenfalls ergänzt um Torwart Oliver Baumann) auf, jedoch waren dies mit Florian Grillitsch und Stefan Posch zwei extrem pressingresistente, technisch starke Spieler, die sich oft auch aus brenzligen Situationen spielerisch befreien und sogar einen öffnenden Pass spielen konnten. An solchen Szenen merkt man – alle Ideologie einmal außen vorgelassen –, warum Hoffenheim regelmäßig um die europäischen Plätze mitspielt, während die Domstädter hier noch einen langen Weg der Entwicklung vor sich haben.
Teil dieser Entwicklung sollte es auch sein, einen Plan B herauszubilden, was man gegen Gegner tun kann, gegen die das Pressing nicht greift. Auffallend oft sind dies Teams, die in Dreierkette aufbauen – auch die Siege gegen Eintracht Frankfurt und den SC Freiburg konnten über den mangelnden Zugriff im Pressing nicht hinwegtäuschen. Hier wäre es für die kommende Sommervorbereitung vielleicht eine Idee, selber auch ein System mit Dreier-/Fünferkette einzustudieren, um womöglich einmal das System des Gegners spiegeln zu können. Gerade auch angesichts von Baumgarts Pressing- und Flankenfokus wäre ein Fünfermittelfeld mit zwei hohen Außenspielern durchaus einmal als Gedankenexperiment spannend. Allerdings müssten dafür, falls dies vereinsseitig überhaupt gewünscht ist, im Sommer auch entsprechende Spielertypen verpflichtet werden.
A tale of two Sechser
Spannend ist ebenfalls der Blick auf die Kölsche Doppelsechs. Seit Ellyes Skhiris Rückkehr vom Afrika-Cup steht Trainer Baumgart vor der Aufgabe, den Tunesier, Salih Özcan und Dejan Ljubicic in sein System zu integrieren. Wer vor der Saison gedacht hätte, dass dabei Salih Özcan der tiefere der beiden Sechser sein würde, um den herum alles weitere aufgebaut werden würde … der hätte mindestens einmal ungläubige Blicke geerntet. Tatsächlich scheint der Plan zu sein, dass das FC-Eigengewächs in der Regel die tiefe Sechs relativ konsequent hält und nur situativ vertikal nach vorne stößt, um mit seiner Physis und deutlich verbesserten Antizipationsgabe Angriffe des Gegners im Keim zu ersticken oder selber etwas zu initiieren.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Ein Beitrag geteilt von Anthony Modeste 🤓 (@anthonymodeste27)
Skhiri hingegen spielt den umtriebigen Staubsauger, der überall dort in der horizontalen Achse auftaucht, wo gerade Not am Mann ist. Von der Aufgabenverteilung – nicht aber von den Spielertypen her – erinnert dies ein wenig an die Aufteilung von Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira während der WM 2014. Zwar muss man kritisch anmerken, dass dies beim FC noch nicht recht eingespielt wirkt und gerade Skhiri vorerst etwas von seinem Einfluss auf das Spiel verloren hat. Jedoch steckt der Versuch auch noch in den Kinderschuhen und mit einem Formabfall Skhiris nach Verletzung und Afrika-Cup war ohnehin zu rechnen. Für die Zukunft ist dies aber ein sehr spannendes Modell, das noch für den letzten Punch in der Saisonendphase sorgen könnte.
Positives aus dem Hoffenheim-Spiel
Zwar wurden hier bislang eher Dinge angesprochen, die noch nicht richtig funktioniert haben – und ehrlicherweise muss man sagen, dass Ihlas Bebou an einem besseren Tag auch drei Tore schießen muss –, jedoch braucht sich der FC ob dieses Spiels nicht zu grämen. Man sollte nicht vergessen, dass man ohne Abwehrchef Timo Hübers und Kapitän Jonas Hector angetreten ist und es selbst in dieser Konstellation vermochte, einem Gegner wie Hoffenheim in den letzten zwanzig Minuten den eigenen Spielstil aufzudrücken. Mit dem Mute der Verzweiflung und der Umstellung auf nur noch eine Sechs gelang es immer wieder, die Außenbahnspieler in Flankenpositionen zu bringen und die Köpfe von Anthony Modeste, Sebastian Andersson und auch Tim Lemperle zu finden.
Auch hier gilt, wie bei Bebou: An einem besseren Tag macht einer der Kölner Stürmer noch den Ausgleich. Vielleicht wäre es auch sinnvoll gewesen, das Signal zur vollen Offensive (durch die Einwechslungen Dudas und Lemperles) schon früher als erst zur 89. Minute zu geben. Der FC kann also viel aus diesem Spiel an sich und von der TSG im Speziellen lernen. Da die Ansätze von Baumgart und Hoeneß durchaus ähnlich sind, kann man sich anhand Hoffenheims Spiel durchaus vorstellen, wo der Weg des 1. FC Köln einmal hinführen könnte, wenn man Baumgarts Idee konsequent mitgeht. Das Spiel hat in dieser Hinsicht sehr gut gezeigt, wo man schon steht – und wo noch viel Strecke zu gehen ist.