Mit einem ziemlich bemüht wirkenden Witz zum Einstieg versuchte Werner Wolf die Anspannung bei der Begrüßung aufzulösen. Er freue sich, sagte der Präsident des 1. FC Köln zum Start in die Pressekonferenz, dass so viele Reporter trotz der für Journalisten ach so frühen Zeit von 11 Uhr zum Gespräch mit dem Vorstand der „Geißböcke“ erschienen seien. Der humorvolle Start in die eigentlich ernste Konversation verpuffte, niemand lachte. Das lag natürlich vor allem daran, dass die Medien, die sich für die Trennung des Bundesligisten von Sportchef Horst Heldt interessierten, nicht vor Ort im Presseraum des Geißbockheims, sondern vor ihren stummgeschalteten Rechnern im Home Office verweilten. Es lag aber auch daran, dass die Anspannung dem in der Kritik stehenden FC-Präsidenten bei seinem Gesprächseinstieg sichtlich anzumerken war.
Einen Abend zuvor hatte der 1. FC Köln bekannt gegeben, dass es für Sportgeschäftsführer Horst Heldt am Geißbockheim nicht weitergehen wird. „Wir sind Horst Heldt sehr dankbar, dass er den Posten beim 1. FC Köln unter schwierigen Rahmenbedingungen übernommen und alles für den FC gegeben hat. Wir wissen, wie sehr er unseren Verein im Herzen trägt – entsprechend ist uns der Schritt nicht leichtgefallen. Aber wir können mit der Zusammenstellung des Kaders und der sportlichen Entwicklung in der abgelaufenen Saison nicht zufrieden sein“, betonte Wolf in der eiligst zusammengeschusterten Pressemitteilung des Vereins. Am Tag nach dem Erreichen des Klassenerhalts über den Umweg der Relegation hatte ein abschließendes Analysegespräch zwischen allen Beteiligten diese Entscheidung hervorgebracht.
“Die Entscheidung ist über Wochen gereift”
Eine Entscheidung, die sich angebahnt hatte. Bereits in den Wochen des Saisonendspurts hatte es fundierte Meldungen gegeben, dass Horst Heldts Weg beim 1. FC Köln nach dem Abschluss der äußerst schwierigen Spielzeit zu Ende gehen wird. FC-Präsident Wolf hatte Abschiedsgerüchte nicht eindrücklich dementieren wollen, der Sportgeschäftsführer selbst ließ sich zu einer reichlich schnippischen Antwort auf die Frage nach seiner Zukunft hinreißen lassen. Ihn würde nichts mehr beim FC überraschen, ließ er verlauten. Um dann nach der wohl überlegten und ziemlich nachvollziehbaren Entscheidung gegen seine Person doch den Überraschten zu geben. “Als ich das am Sonntag am Ende des Gesprächs mit dem Vorstand erfahren habe, war die Enttäuschung sehr groß. Das kam nach dem Klassenerhalt überraschend”, sagte Heldt dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ im ersten Interview nach der Trennung.
“Wir haben ihm die Entscheidung vernünftig begründet. Wir sind der Überzeugung, dass wir unabhängig vom kurzfristigen Ergebnis in Kiel aus langfristigen Erwägungen diese Entscheidung so fällen müssen.”
Ein erzitterter Klassenerhalt jedoch, der seinen Job nicht hatte retten können. „Die Entscheidung zu Horst Heldt ist über Wochen gereift. Der endgültige Entschluss ist am Sonntagmorgen im Gemeinsamen Ausschuss gefasst worden. Wir haben ihm die Entscheidung vernünftig begründet. Wir sind der Überzeugung, dass wir unabhängig vom kurzfristigen Ergebnis in Kiel aus langfristigen Erwägungen diese Entscheidung so fällen müssen“, erklärte Vizepräsident Eckhard Sauren auf der Pressekonferenz am Montag den Ablauf der Trennung und die Beweggründe. Interimistisch übernimmt Aufsichtsratsmitglied Jörg Jakobs im Zusammenspiel mit Ex-Torhüter Thomas Kessler die sportliche Leitung beim FC – wobei interimistisch in diesem Fall bis zum Ende der Saison 2021/22 bedeuten kann, wie der Vorstand klarstellte. „Wir sind überzeugt, eine gute Lösung gefunden zu haben. Wir haben dadurch Zeit, in Ruhe einen Nachfolger für Horst Heldt zu suchen“, so Sauren.
Dass die „Geißböcke“ nach einer nervenaufreibenden Saison einen Nachfolger für ihren Sportgeschäftsführer suchen müssen, ist allerdings verständlich. Horst Heldt hatte zunächst die Vertragsverlängerung mit Markus Gisdol vorangetrieben und dann auch bei sportlichem Misserfolg am Trainer festgehalten. Noch schwerer wog allerdings, dass der ehemalige FC-Profi bei der Kaderplanung in der abgelaufenen Spielzeit kein glückliches Händchen bewiesen hatte. Mit zahlreichen Transfers lag Heldt daneben, über weite Strecken der Saison mussten die Kölner ohne gelernten Mittelstürmer antreten. „Wir haben am Ende der Saison Bilanz gezogen und festgestellt, dass uns die sportlichen Ergebnisse und die Kaderzusammenstellung nicht ausreichen“, unterstrich Wolf auf der Pressekonferenz noch einmal. Der Vorstand habe im Laufe der Saison immer wieder Gespräche mit Horst Heldt geführt und ihm seine Bedenken dargelegt.
Heldt kassiert für Demission eine Millionen-Abfindung
Die Gründe für die Trennung liegen allerdings nicht nur in Entscheidungen, die die Vereinsführung im Rückspiegel betrachten kann. Heldt sei strategisch nicht der richtige Mann für die anstehenden Aufgaben beim FC, heißt es im Vereinsumfeld – das ließ auch Sauren im Pressegespräch en passant durchblicken. Dass der Vorstand dies reichlich spät erkennt und seinen Entschluss aus dem vergangenen Spätsommer, den Vertrag mit Horst Heldt langfristig zu verlängern, korrigiert, wird die angespannte finanzielle Situation des Vereins nochmals zusätzlich belasten. Schon im Sommer wirkte die vorzeitige Ausdehnung des Kontrakts wie Kontinuität um der Kontinuität willen, nicht ob der Wertschätzung für die Arbeit des nun geschassten Sportchefs. Der frühzeitige Abschied vom Geißbockheim wird Heldt dem Vernehmen nach mit einer siebenstelligen Summe versüßt werden.
Angesichts dieser Millionen-Abfindung wird der ehemaligen Stuttgart-, Schalke- und Hannover-Manager sicherlich auch verschmerzen können, dass sein Abgang vom Geißbockheim einmal mehr nicht geräuschlos verlief. Wie angespannt die Arbeitsatmosphäre zwischen Geschäftsführung und Vorstand daher kommt, belegen auch die Umstände, unter denen die Trennung vollzogen wurde. Schon vor dem Analysegespräch mit Heldt stand die Entscheidung schon fest, wichtige Details gelangten schon kurz nach Beendigung der Unterhaltung an die Öffentlichkeit. Nach effzeh.com-Informationen wollte der Vorstand den Bruch mit dem Sportgeschäftsführer erst am Montag verkünden, doch nach den abermaligen Durchstechen von Interna an verbundene Medien wurde eine Mitteilung bereits am späten Sonntagnachmittag veröffentlicht. Ohne ein Zitat von Horst Heldt, was nun wahrlich nicht auf eine einvernehmliche Trennung hindeutet.
Wehrle-Abschied vom Tisch
Wer über das derzeitige Binnenklima am Geißbockheim mehr wissen wollte, der musste während der Pressekonferenz auf Alexander Wehrle achten, der mehr als offensichtlich mit dem Abschied seines Geschäftsführerkollegen haderte. „Ich habe dem Vorstand gestern mitgeteilt, dass ich die Entscheidung bedauerlich finde und gerne mit Horst Heldt weitergearbeitet hätte. Es hat mich nachdenklich gestimmt, aber ich gehe damit professionell um“, gab der Finanzchef der „Geißböcke“ schmallippig zu Protokoll und machte dabei ein Gesicht, als sei der 1. FC Köln soeben doch noch abgestiegen. Gerüchte um einen Rücktritt dementierte Wehrle allerdings: „In einer der wohl schwierigsten finanziellen Situationen der Klubhistorie ist man sich der Verantwortung ganz bewusst. Ich könnte nicht in den Spiegel schauen, wenn ich jetzt sagen würde, ich übernehme keine Verantwortung mehr. Wir haben extreme Herausforderungen vor uns“, sagte der FC-Finanzchef und schob auch einem Wechsel in seine Heimat einen Riegel vor: „Ich respektiere die Entscheidung des Vorstands, an meinem Vertrag festzuhalten. Deshalb habe ich dem VfB Stuttgart auch abgesagt.“
“Ich respektiere die Entscheidung des Vorstands, an meinem Vertrag festzuhalten. Deshalb habe ich dem VfB Stuttgart auch abgesagt.”
Doch nicht nur für den Vorstand war die Trennung von Horst Heldt eine gefühlte Niederlage, auch den FC-Finanzchef scheint der Abgang des Geschäftsführerkollegen zu treffen. Kaum verwunderlich, hatte Wehrle doch maßgeblichen Anteil daran, dass sein Weggefährte aus Stuttgarter Zeiten letztlich im dritten Anlauf doch noch den Weg ans Geißbockheim finden durfte. Im ersten Anlauf hatten die „Geißböcke“ recht unwürdig um die Dienste ihres einstigen Profis geworben, doch Hannover 96 ließ seinen damaligen Sportdirektor nicht in die Heimat ziehen und machte ihn stattdessen einen Wolfsburg-Flirt später zum Geschäftsführer, um ihn wenige Monate danach dann zu entlassen. Als der FC dann Armin Veh, dessen Verpflichtung Wehrle ebenfalls vorangetrieben hatte, als Sportchef herauswarf, war die Bahn vermeintlich frei für Heldt. Hatte der Gemeinsame Ausschuss zunächst noch gegen ihn votiert, holten die „Geißböcke“ den zweifachen Nationalspieler dann doch an Bord.
Jakobs soll nun die kommende Saison planen
Nach anderthalb Jahren ist dieses Missverständnis nun beendet. Der FC hätte jemanden gebraucht, der strukturelle Veränderungen anstößt und strukturiertes Arbeiten abseits der ausgelatschten Pfade möglich macht. Für diese Neuausrichtung war Horst Heldt der falsche Ansprechpartner – und deshalb hat der Vorstand nun den Schlussstrich gezogen. Bei allen Verdiensten, die Heldt durch die Übernahme einer vermeintlichen „Mission Impossible“ (die Mannschaft stand damals nach elf Spielen mit drei Punkten Rückstand aufs rettende Ufer auf Platz 17) und den zweimaligen Ligaverbleib erworben hat, wirkte es wie die logische Konsequenz auf die Entwicklungen seit Jahresbeginn. Schon im Umfeld der Gisdol-Demission kam es im Geißbockheim nach effzeh.com-Informationen zu internen Verwerfungen. Heldt wollte Thorsten Fink als neuen Trainer engagieren, erst auf Intervention des Vorstands schwenkte der FC-Sportchef auf Interimslösung Friedhelm Funkel und den zukünftigen Hoffnungsträger Steffen Baumgart um.
Baumgart wird nun nicht mehr mit dem Sportgeschäftsführer zusammenarbeiten, der ihn gemeinsam mit Jörg Jakobs und Alexander Wehrle ans Geißbockheim gelockt hatte. „Alexander Wehrle und ich haben unmittelbar nach dem Gespräch mit Horst Heldt gemeinsam mit Steffen Baumgart telefoniert. Jörg Jakobs war schon in den Verpflichtungsgesprächen involviert. Auch wir als Vorstand haben Steffen Baumgart im Zuge seiner Verpflichtung kennengelernt. Wir fangen da also nicht bei Null an“, ließ FC-Präsident Werner Wolf wissen. Auch Jakobs versicherte, etwaige Dissonanzen möglichst schnell aus dem Weg räumen zu wollen. „Der Cheftrainer ist das zentrale Element bei allen Kaderthemen. Wir werden gemeinsam und zeitnah planen“, betonte die Kölner Interimslösung, der gemeinsam mit Thomas Kessler nun die zukünftige Ausrichtung bei den „Geißböcken“ prägen soll.
Jakobs gilt als streitbarer Charakter, der auch intern immer wieder in die Kritik geraten war, aber auch bei seinem ersten Intermezzo an vorderster Front von 2012 bis 2013 einen guten Job gemacht hatte. Auch die aus FC-Sicht ziemlich ergiebige Transferperiode im Winter 2019/20 hatte der Sporthochschuldozent maßgeblich vorbereitet, als der Verein nach dem Veh-Abgang ohne Sportchef daher kam. Kessler, der derzeit seine Management-Ausbildung beim DFB vorantreibt, soll als Bindeglied zur Mannschaft fungieren, die Nähe zum täglichen Geschäft halten. „Ich freue mich über die Chance und die Aufgabe. Es liegt viel Arbeit vor uns. Ich bin heiß darauf und guter Dinge, dass wir das gut hinbekommen“, gab sich der einstige Torwart, der im vergangenen Sommer seine Profikarriere beendet hatte, betont optimistisch. Und es liegt wahrlich viel Arbeit vor dem neuen Duo: Ein aufgeblähter Kader, viele Leihrückkehrer, kaum bis gar kein Budget.
Trio gilt als Nachfolge-Kandidaten
Immerhin hat sich der FC durch die Interimslösung Zeit erkauft, einen Heldt-Nachfolger in Ruhe suchen zu können. Neben den üblichen Verdächtigen wie Michael Reschke, Jan Schindelmeiser oder Michael Preetz, die sofort zur Verfügung stünden, fallen rund ums Geißbockheim immer wieder drei Namen: Johannes Spors (derzeit Vitesse Arnheim) war bereits als Nachfolger von Jörg Schmadtke ein heißer Kandidat, wurde allerdings in letzter Sekunde von Armin Veh ausgestochen. Auch Samir Arabi (Arminia Bielefeld) und Rachid Azzouzi (SpVgg Greuther Fürth) werden – trotz ihrer Vertragssituation bei ihren Vereinen – angeblich gehandelt. Eines ist klar: Bei der Entscheidung für einen neuen Sportchef braucht der FC-Vorstand ein glücklicheres Händchen als bei der Auswahl entscheidender Positionen zuletzt. Im besten Falle soll der zukünftige Sportchef am Geißbockheim eine Ära prägen, die über einzelne Personen hinaus geht.
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Bis dahin wird auch die Demission Heldts die FC-Führungsetage nicht aus der Schusslinie nehmen können, zumal die Kommunikation eines grundsätzlich richtigen Entschlusses wieder einmal gründlich misslang. Die Kritik am Wirken des derzeitigen Präsidiums hat auch die zwar ausführliche, aber wenig souverän wirkende Pressekonferenz nicht verstummen lassen – genau wie die stets schwelende Debatte um die Vereinsstruktur beim 1. FC Köln. Die hatte Friedhelm Funkel nach dem erreichten Klassenerhalt abermals befeuert: „Es dürfen nicht immer – überspitzt gesagt – 100 Leute bei jedem Thema mitsprechen. Diese ganzen Gremien mit so vielen Personen ohne Fußballkompetenz hemmen den Verein zu sehr. Diese Eindrücke gebe ich gerne weiter, damit nicht wieder bis zum letzten Spieltag gezittert werden muss“, haute der Trainerroutinier in die altbekannte Kerbe, ohne dabei in irgendeiner Weise Details zu nennen, noch Beispiele aufzuzeigen. Welche Gremien ihm in den sieben Wochen bei seiner Rückkehr zum 1. FC Köln in die Quere kamen, bleibt wohl für immer sein Geheimnis.
“Sind in der größten existenziellen Krise des Profifußballs”
Ungeachtet dieser Debatte, die im Vorfeld der Mitgliederversammlung am 17. Juni in der Kölnarena noch mehr an Fahrt aufnehmen dürfte, hat der 1. FC Köln eine schwierige Zukunft vor sich: „Wir sind in der größten existenziellen Krise, die der Fußball und einzelne Clubs je gesehen haben. Ein Großteil unserer Arbeit geht derzeit um die Frage, wie wir die Liquidität sicherstellen und ein bundesligataugliches Team zusammenstellen können“, gab auch Präsident Werner Wolf einen düsteren Ausblick auf die anstehenden Aufgaben – und annoncierte gemeinsam mit Vize Eckhard Sauren einen Siebenjahresplan, den der Vorstand bei der Mitgliederversammlung vorstellen wolle. „Wir sind überzeugt, dass man in der Bundesliga erfolgreich sein kann, wenn man sehr langfristig denkt. Das tun wir“, betonte Sauren. Und Wolf unterstrich, dass der Termin Mitte Juni für ihn enorm wichtig sei: „Wir als Vorstand sind für alles, was beim FC passiert, in der Verantwortung – und zwar den Mitgliedern gegenüber. Wir werden ihnen bei der Mitgliederversammlung unseren Rechenschaftsbericht vorlegen“, so der FC-Präsident. Vielleicht gelingt ihm dann der Einstieg auch ohne allzu sehr bemühten Witz.