Keine zwölf Minuten waren im Müngersdorfer Stadion gespielt, da schauten die Fans des 1. FC Köln besorgt auf den Rasen und besorgt auf die Anzeigetafel. 0:3 hieß es zu diesem Zeitpunkt schon aus Sicht der „Geißböcke“ gegen einen furios auftrumpfenden FC Bayern München. Robert Lewandowski (3.), Kingsley Coman (5.) und Serge Gnabry (12.) hatten den Rekordmeister schon nach nicht einmal einem Dutzend Zeigerumdrehungen haushoch in Führung geschossen. Es bahnte sich ein Debakel für die Kölner an, die in der Anfangsphase jegliche Bundesligatauglichkeit vermissen ließen.
Dass es zur Pause weiterhin bei einem bis dato schmeichelhaften Drei-Tore-Rückstand blieb, hatte die Mannschaft von Trainer Markus Gisdol weniger einem eigenen Aufbäumen denn dem Umstand zu verdanken, dass der FCB so manche Möglichkeit auf weitere Treffer fahrlässig liegen ließ. Dazu rettete gleich in zwei Situationen das Aluminium für die heillos überfordert wirkenden „Geißböcke“, die wie schon in den Heimspielen gegen Wolfsburg (3:1) und Freiburg (4:0) zu Beginn der Begegnung rätselhaft abwesend wirkten. Diesmal traf der FC allerdings auf einen Gegner, der dies eiskalt auszunutzen verstand. „In der ersten Halbzeit haben wir die ersten Minuten komplett verschlafen, das darf uns so nicht passieren“, urteilte auch Torwart Timo Horn.
“Wir wussten, dass wir den Fans etwas zurückgeben mussten”
Nach vier Heimsiegen in Serie wollte der FC dem Tabellenführer im Duell der formstärksten Teams in der Bundesliga auf die Zehen treten – doch stattdessen bekam die Gisdol-Elf in der ersten Halbzeit von den Münchenern eine Fußball-Lehrstunde erteilt. Die überragende Offensive um die omnipräsenten Thomas Müller, der die ersten beiden Treffer vorbereitete, und Serge Gnabry machte mit der Kölner Abwehr, was sie wollte. Der Aufsteiger kam derweil bis zur Pause über weite Strecken nicht einmal in die Zweikämpfe, um zumindest Gegenwehr zu simulieren.
“Wir hatten das Gefühl, dass sie zwei Mann Überzahl waren.”
“Es war schwer, die Bayern zu greifen – gerade im Mittelfeld. Wir hatten das Gefühl, dass sie zwei Mann Überzahl waren”, analysierte Mark Uth nach dem Abpfiff. Die Konsequenz: Erstmals in seiner glanzvollen Historie lag der 1. FC Köln in der Bundesliga zu einem solch frühen Zeitpunkt bereits mit 0:3 hinten. Und doch zeigten die „Geißböcke“ in dieser Partie noch einmal ihr anderes, ihr kämpferisches Gesicht. Nach dem Seitenwechsel verschoben sich die Kräfteverhältnisse in Köln-Müngersdorf nämlich zugunsten des hoffnungslos zurückliegenden Außenseiters, der die Bayern für deren nachlassendes Engagement bestrafen wollte.
“Der Trainer hat in der Pause gesagt, dass wir die erste Halbzeit vergessen sollen. Wir haben gesagt, dass wir wieder bei 0:0 anfangen. Wir wussten, dass wir den Fans etwas zurückgeben mussten. Es sind wieder 50.000 gekommen, die wollten nicht sehen, wie der FC abgeschlachtet wird“, betonte Mark Uth die Motivationsgrundlage hinter dem durchaus sehenswerten Aufbäumen der Gastgeber in der zweiten Hälfte.
Der 1. FC Köln scheitert am VAR und Manuel Neuer
Direkt nach dem Seitenwechsel hatten die FC-Anhänger dann auch erstmals Grund zu jubeln – allerdings nur für kurze Zeit. Jhon Cordoba schob auf Vorlage von Ellyes Skhiri zum vermeintlichen 1:3 ein, doch der Video-Assistent machte dem Aufbruchsignal ein jähes Ende (48.). Dennoch schöpften die Gastgeber aus dieser Szene Hoffnung und spielten deutlich mutiger als noch im ersten Durchgang. Cordoba musste zum zweiten Mal an diesem Sonntagnachmittag wegen einer Abseitsstellung auf ein Tor verzichten (55.), kurz danach rettete Nationaltorhüter Manuel Neuer in höchster Not gegen Uth (62.).
Mitten hinein in diese Kölner Drangphase zeigte sich aber abermals die individuelle Qualität des Rekordmeisters: Mit einem trockenen Abschluss von der Strafraumgrenze beseitigte Gnabry sämtliche Zweifel an einer möglichen Aufholjagd der „Geißböcke“ (66.). Oder vielleicht auch nicht: Denn keine vier Minuten später belohnte sich der FC für eine couragierte zweite Hälfte, Mark Uth schob auf Zuspiel des eingewechselten Florian Kainz zum 1:4 ein (72.). Das erste Heimtor mit dem Geißbock auf der Brust für den gebürtigen Porzer.
Es war der Startschuss für eine verrückte Schlussphase, die aus Kölner Sicht durchaus noch einmal Spannung in die Partie hätte bringen können. Cordoba scheiterte allein vor Neuer (78.), auch der kurz darauf für den Kolumbianer ins Spiel gekommene Anthony Modeste zog zweimal (86., 88.) im direkten Duell mit dem Nationaltorhüter den Kürzeren. Hätte die Begegnung da noch einmal kippen können? Das fragte sich so manch Kölner Fan, wenngleich sich auch die Bayern in Sachen Chancenverwertung an diesem Nachmittag nicht von ihrer Schokoladenseite zeigten.
Das Positive für die wichtigen Spiele mitnehmen
„In der zweiten Halbzeit konnte man uns keinen Vorwurf machen. Uns hat ein wenig das Glück gefehlt“, war FC-Schlussmann Horn mit dem Auftritt nach dem Seitenwechsel zufrieden. Kölns Sportgeschäftsführer Horst Heldt sah das im Anschluss genauso: „Wir wussten, dass wir einen Sahnetag brauchen, um Bayern weh zu tun. Das haben wir in der zweiten Hälfte sogar gemacht, da haben wir uns gesammelt und eine gute Partie abgeliefert. Es ist ein gutes Zeichen, dass unsere Fans das honoriert haben“, erklärte der ehemalige FC-Profi: „Wir müssen über die Anfangsphase reden und die gute Leistung aus dem zweiten Durchgang mitnehmen. Der Auftritt in Hälfte zwei war absolut in Ordnung. Darauf müssen wir aufbauen.“
“Die Gegner, gegen die wir punkten müssen, kommen in den nächsten Wochen.”
Das ist tatsächlich die gute Nachricht, die der FC aus diesem ungleichen Duell mit dem Branchenprimus mitnehmen kann. Auch gegen einen solchen Gegner bekommen die „Geißböcke“, wenn alles passt, ihre Möglichkeiten. Doch diese müssen dann auch genutzt werden – besonders bei den anstehenden Aufgaben, die vor dem Aufsteiger liegen. „Die Gegner, gegen die wir punkten müssen, kommen in den nächsten Wochen“, betont Timo Horn mit Blick auf die nächsten Partien.
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Am Karnevalssamstag ist der 1. FC Köln dann bei Hertha BSC zu Gast – die Berliner rangieren lediglich drei Zähler vor der Gisdol-Elf auf Platz 13. Verzichten muss der FC im Duell der Tabellennachbarn dabei gleich auf zwei wichtige Stützen: Sebastiaan Bornauw holte sich unnötig beim Stand von 1:4 seine fünfte Gelbe Karte ab, Noah Katterbach zog sich bereits im ersten Durchgang eine Bänderverletzung im Sprunggelenk zu und wird den Kölnern im Abstiegskampf bis auf weiteres fehlen.