Diese Entwicklung schlägt sich in diesem frühen Stadium der Saison auch im Ligavergleich nieder: Waren die „Geißböcke“ in der vergangenen Saison in der 2. Bundesliga noch das Team mit den meisten Pässen pro Spiel, zählen sie nun mit lediglich 302,19 Anspielen in 90 Minuten zu den schwächsten fünf Mannschaften im Wettbewerb. In der Passgenauigkeit rangiert der effzeh sogar auf einem Abstiegsplatz: Nur 76,7 Prozent aller Anspiele der Kölner Kicker kommen beim Mitspieler an. Auch in Sachen „progressive passes“ sind die Beierlorzer-Schützlinge im Ligavergleich im Tabellenkeller angesiedelt.
Das Gros der langen Bälle, die der 1. FC Köln spielt, vereint derweil ein Trio auf sich: Torwart Timo Horn, Kapitän Jonas Hector und Neuzugang Sebastiaan Bornauw zeichnen sich für über die Hälfte dieser Anspiele verantwortlich. Hector und Bornauw zählen zu den Top-20 der Bundesliga, wenn es um die Genauigkeit ihrer langen Bälle geht, liegen dabei allerdings deutlich hinter Spitzenreiter Niklas Moisander zurück. Der routinierte Finne in Diensten von Werder Bremen bringt fast 72,5 Prozent seiner Anspiele über die Distanz an den Mann, bei den beiden Kölnern liegt die Erfolgsquote über 20 Prozent dahinter.
Auch wenn etwa die Hälfte dieser langen Bälle aus der effzeh-Defensive den Weg zum Mitspieler finden, scheint diese Bilanz nicht die Herangehensweise der Kölner in den bisherigen Partien zu rechtfertigen. Eine Herangehensweise, die das Team nicht von der Qualität des Gegners abhängig zu machen scheint: Gegen Freiburg – eine Mannschaft, die zu den schwächeren zählt, wenn es um zugelassene Pässe pro Defensivaktion geht – spielten die Beierlorzer-Schützlinge 74 lange Bälle. Zum Vergleich: Gegen Wolfsburg waren es nur 48, gegen Dortmund 54. Besonders gegen den BVB stach der lange Ball als taktische Mittel auch statistisch heraus: Weil der effzeh nur 28,33 Prozent des Ballbesitzes hatte, war fast jeder vierte Pass ein langer. Der höchste Anteil in der bisherigen Saison!
Der Flankenfokus beim 1. FC Köln
Der 1. FC Köln legt offenbar großen Wert auf Flanken: 16,25 pro Spiel bedeuten den vierthöchsten Wert in der Bundesliga – 32,7 Prozent davon finden ihren Weg zum eigenen Mitspieler, knapp über dem Ligadurchschnitt. Dabei ist vor allem die Richtung auffällig: Hatte der effzeh in der vergangenen Saison noch vermehrt den Fünfmeterraum von außen attackiert (nur Anfangs vorherige Mannschaft Holstein Kiel machte dies häufiger), ging nun lediglich eine von 52 Flanken in diesen Bereich.
Auf der oben zu sehenden Grafik sind die Areale, die die Beierlorzer-Schützlinge im Spiel beim SC Freiburg mit einer Flanke zu erreichen versuchten, sehr schön veranschaulicht. Diese Visualisierung ist durchaus repräsentativ für die bisherige Ausrichtung der Mannschaft unter ihrem neuen Trainer. Beispielsweise ist über die drei Bundesliga-Partien hinweg keine dominante Seite zu erkennen, von der die Flanken geschlagen werden. Unter Vorgänger Markus Anfang hatte der effzeh noch vermehrt von der rechten Seite aus versucht, Hereingaben in den Strafraum zu bringen. 165 Flanken mehr als von links – eine Bilanz mit klarem Muster.
Beierlorzer hält seine Mannschaft offensichtlich dazu an, per Hereingabe den Bereich zwischen der Grenze des Fünfmeterraums und dem Elfmeterpunkt anzuvisieren. Eine Strategie, die sich bis jetzt für den 1. FC Köln bezahlt gemacht hat: Fünf der sieben Tore, die die „Geißböcke“ in den vier Pflichtspielen dieser Saison erzielt haben, fielen nach Flanken. Als Beispiel sei hier der Anthony Modestes Kopfballtreffer zum Ausgleich in Freiburg genannt. Skhiris Flanke aus dem linken Halbfeld fand den Franzosen, der wuchtig einnickte.
Der Zielspieler namens Anthony Modeste
Eine Szene, die auch zeigt, weshalb Achim Beierlorzer großen Wert darauf legt, die Kopfballstärke von Anthony Modeste ins Kölner Spiel einzubinden. Ein Großteil der langen Pässe werden auf den Franzosen geschlagen, der als Zielspieler diese Bälle entweder festmachen oder direkt zu seinen Mitspielern weiterleiten soll. Dass der 30-Jährige vor dem gegnerischen Tor für Gefahr sorgen kann, sollte hinlänglich bekannt sein. Oft lauert er in der Zone zwischen Fünfmeterraum und Elfmeterpunkt, dort setzt er auch seine Torschüsse ab – in genau jenem Bereich, auf dem der Schwerpunkt der Flanken beim 1. FC Köln liegt.
Wie stark Modeste in der Luft ist, beweisen die Zahlen aus der laufenden Spielzeit: Modeste gewinnt über 60 Prozent seiner Kopfballduelle – einzig Wolfsburgs Wout Weghorst und Dortmunds Mats Hummels können eine bessere Bilanz vorweisen. Kaum verwunderlich, dass das einzige Saisontor des Franzosen natürlich ein Kopfballtreffer war. Noch in der vergangenen Spielzeit wurde diese Qualität nur wenig ins Spiel gebracht: Nur eins von sechs Saisontoren erzielte Modeste mit dem Kopf. Zwar gewann er ebenfalls starke 60,6 Prozent seiner Luftzweikämpfe, doch war lediglich in insgesamt 38 dieser Duelle verwickelt. 2019/20 ging der Stürmer bereits in 33 Kopfballduelle.
Beierlorzer dürfte dies bei seiner Analyse sicherlich aufgefallen sein – auch deshalb ist Modeste ein wichtiger Faktor für die Spielweise, die der 1. FC Köln in dieser Saison bislang an den Tag legt. Doch trotz der besseren Einbindung des Torjägers hat der effzeh durchaus Probleme in der Offensive: Vier Treffer erzielten die „Geißböcke“ in den drei bisherigen Partien, der xG-Wert lag dabei lediglich bei 2,83. Waren die Kölner in der vergangenen Spielzeit noch das treffsicherste Team der 2. Bundesliga (84 Tore in 34 Spielen), sind sie eine Spielklasse höher bisher die Mannschaft mit der schlechtesten Schussgenauigkeit: Lediglich 20,7 Prozent der Abschlüsse kommen aufs Tor.
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