5 von 34 Spieltagen in der Bundesliga sind bereits passé – und der 1. FC Köln drückt jetzt eigenmächtig den Reset-Button. Mit dem Heimspiel gegen Hertha BSC am Sonntag beginnt eine Serie an Spielen gegen Gegner, wo sich der Aufsteiger ein wenig mehr Chancen auf Punkte ausrechnet als noch gegen Dortmund, Gladbach und München – eine Garantie dafür, dass die unteren Tabellenränge deswegen bald hinter dem effzeh liegen, ist das aber noch lange nicht.
Rein psychologisch betrachtet ist es natürlich hilfreich, jetzt einen “zweiten” Saisonstart auszurufen und damit den Eindruck zu erwecken, dass es die ersten fünf Spiele in dieser Form gar nicht gegeben hätte. Für das Umfeld und für die Fans mag das vielleicht stimmen, aber gleichzeitig durchläuft eine Fußballmannschaft auch immer einen Entwicklungsprozess – und da bieten die ersten fünf Spiele des Teams von Trainer Achim Beierlorzer genügend Ansatzpunkte für eine nötige Verbesserung.
Die Mechanismen greifen – wenn auch nur phasenweise
Beierlorzers Idee ist in der Umsetzung sichtbar, die Mechanismen greifen – wenn auch nur phasenweise. Gegen Dortmund und Bayern lief es über gewisse Perioden im Spiel ganz gut, woran sich die Mannschaft aufrichten kann. In beiden Spielen war zu erkennen, dass die Mannschaft in einigen Szenen zu “gierig” auf den Ballgewinn war, wie es der effzeh-Coach unter der Woche im Pressegespräch beschrieb.
Das zeigte sich in München beim 0:1 durch Robert Lewandowski, als Rafael Czichos den Raum öffnete. Auch beim 1:2 gegen Dortmund wollte der effzeh zu sehr auf den Ballgewinn gehen und vergaß Lukasz Piszczek auf dem Flügel, der den Kopfballtreffer durch Achraf Hakimi vorbereitete. Mit diesen Szenen kann Beierlorzer arbeiten, die Fehler aufzeigen und alternative Lösungsmöglichkeiten anbieten, sodass sich im Idealfall ein Lernprozess stattfindet.
Gegen Freiburg und auch gegen Gladbach hinterließ die Leistung jedoch mehrere Fragen. Gerade die Lösungsfindung in eigenem Ballbesitz erscheint beim FC derzeit wenig stabil, zu häufig wird überhastet eine falsche Entscheidung getroffen, die eine Abschlussmöglichkeit verhindert. Nicht nur deswegen kommt der Bundesliga-Aufsteiger auf die zweitgeringste Anzahl an guten Torgelegenheiten (17, nur die TSG Hoffenheim hat mit 15 weniger).
Die individuelle Qualität im Sturm sticht noch nicht
Die richtige Kombination aus dem intensiven Gegenpressing und konstruktiven Lösungen mit Ball dürfte deswegen ein Arbeitsschwerpunkt für Beierlorzer und das Team sein. Dazu gehört auch, welche Rolle Spieler wie Anthony Modeste, Simon Terodde, Louis Schaub und Dominick Drexler bekommen, die ihre hohe individuelle Qualität bis dato noch nicht gewinnbringend in das System einbringen konnten.
Die vormals hochgelobte Offensive des FC ist bisher noch den Beweis schuldig, dass sie für 40 bis 50 Tore gut ist, die den Klassenerhalt (bei einer soliden Defensive) garantieren würden. Aber auch hier gilt: Jedes Spiel hilft in der Entwicklung. Langfristig eine Mannschaft in der Bundesliga zu entwickeln ist ein hehres Ziel – irgendwann braucht es dann aber doch Punkte.
Die Etablierung einer Spielidee bei gleichzeitigem Erfolgsdruck begleitet den 1. FC Köln nicht zum ersten Mal. In der vergangenen Spielzeit, als der FC noch unter Markus Anfang in der 2. Bundesliga antrat, kam der Erweckungsmoment im Monat Oktober, als der ehemalige Kieler Trainer womöglich durch Einwirkung von außen von seinem System abrücken musste.
Beim 1. FC Köln ist “Druck auf dem Kessel”
Danach spielte der FC pragmatischer, mit Dreierkette und zwei Stürmern – und gewann seine Spiele. Ein Jahr später ist im Herbst wieder “Druck auf dem Kessel” beim 1. FC Köln, wie es Sportgeschäftsführer Armin Veh unter der Woche beschrieb. Das liegt aber nicht nur an den Ergebnissen. Insgesamt werden auch die Äußerungen der Verantwortlichen deutlicher, was sich an Vehs deutlicher Kritik an Rafael Czichos zeigte – der Verteidiger sah bei den ersten beiden Gegentoren in München nicht glücklich aus und wurde durch seinen Vorgesetzten in einer Fußball-Talksendung in den Senkel gestellt.
Vincent Koziello, der gegen den FCB nicht im Kader war, war dann später in der Woche Thema bei Achim Beierlorzer, der öffentlich eine “Trotzreaktion” des Franzosen forderte. Der Fußballlehrer wolle, “dass mir ein Spieler deutlich zeigt, dass meine Entscheidung falsch war”. Der Spanier Jorge Meré, zuletzt nur Bankdrücker, war ebenfalls von Beierlorzer über die Medien aufgefordert worden, die Spielidee noch mehr anzunehmen und damit seine Chancen auf Einsatzzeit zu erhöhen.
Es ist eine vollkommen legitime Strategie, über medialen Druck bei Spielern eine Reaktion einzufordern. Die entscheidende Frage ist nur, ob sich die Verantwortlichen, die sich dementsprechend äußern, der Konsequenzen bewusst sind – denn mit deutlichen Aussagen in der Presse holt man auch keine Punkte. Die Äußerungen in Bezug auf Czichos, Koziello und Meré mögen berechtigt sein, lenken aber von der entscheidenden Thematik ab – wann ist die Spielidee so tragfähig, dass sie dem FC Punkte bringt?
Entscheidende Wochen für die “Geißböcke”
Die Mannschaft in Ruhe zu entwickeln und von allen äußeren Störfaktoren abzuhalten könnte die Grundlage sein, dass die “Geißböcke” in den nächsten Wochen den Beweis erbringen, in dieser Saison den Klassenerhalt in der Bundesliga schaffen zu können. Verfällt der Verein in alte Muster und stellt öffentlich Verantwortungsträger in Frage, die vorher “als Ideallösung” präsentiert wurden, könnte dieses Ziel gefährdet sein. Die Protagonisten sind sich einig: Gegen Hertha muss dringend ein Sieg her. Gelingt das nicht, könnte es auch in den nächsten Wochen unruhig werden am Bundesliga-Standort in Köln.