Die Saison des 1. FC Köln bleibt eine einzige Tragödie: Beim 2:3 gegen den VfB Stuttgart werden die effzeh-Fehler bitter bestraft und sorgen für das dramatische Ende vieler Hoffnungen.
Nach dem Abpfiff fiel auch die kleinste Hoffnung beim 1. FC Köln in sich zusammen. Die Fans spendeten ihrer Mannschaft nochmals Applaus und Trost. Trost hatten eigentlich alle Beteiligten auf Kölner Seite dringend nötig – nach einem völlig surrealen Nachmittag, der anders geplant war und dessen Ende am Anfang nicht greifbar war. Trost hatte besonders Timo Horn nötig, der nach einem gebrauchten Sonntag wie Jonas Hector noch auf dem Platz bittere Tränen vergoss. Danach ging die Leidensgemeinschaft 1. FC Köln schweigend und kopfschüttelnd aus dem Stadion. In dem Wissen: Das dürfte es gewesen sein!
Und es war eine nahezu groteske Mischung an individuellen Fehlern, kollektivem Unvermögen, beinahe skurrilem Pech und unglücklichen Begleitumständen, die einen eigentlich perfekten Nachmittag in ein wahres Drama kippen ließ. Dabei war doch alles, wie es so schön heißt, angerichtet: Die Ausgangslage war nach dem Remis zwischen Hamburg und Mainz sowie der Wolfsburger Niederlage gegen die hundertprozentig werbetreibende Tochter eines Chemiekonzerns hervorragend, dazu kamen die „Geißböcke“ stark aus der Kabine. Claudio Pizarro traf, der effzeh um den brillanten Vincent Koziello spielte den VfB schwindlig und riss das Publikum mit. Es roch nach Hoffnung in Müngersdorf – nicht nur tabellarisch, auch fußballerisch.
Alles, was dem 1. FC Köln fehlte, war das 2:0
Einzig: Die Belohnung blieb aus. Mehrere Situationen nach schnellen Ballgewinnen wurden nicht zielstrebig ausgespielt, Simon Terodde verpasste nach Wahnsinnssolo des wie aufgezogen agierenden Koziello das 2:0, das kurz danach fallen sollte: Der auffällige Osako staubte ab und ließ Müngersdorf für kurze Augenblicke jubeln, bevor der Video-Assistent (zu Recht) eingriff und dem Treffer die Anerkennung verweigerte. Dennoch: Der effzeh machte Spaß, spielte tollen Fußball und der taktische Schachzug von Ruthenbeck, Stoßstürmer Terodde von den spielstarken Osako und Pizarro flankieren zu lassen, ging so auf wie das Kölner Pressing, das den VfB und besonders Badstuber vor große Probleme stellte. Doch der Knockout sollte alsbald folgen – und für den sorgte der effzeh selbst.
Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images
Vorne zu freigiebig und hinten mit grotesken Aussetzern: Innerhalb von zwei Minuten schmiss der glorreiche 1. FC Köln eine bärenstarke erste Hälfte weg. Erst verlor Höger gegen Thommy die Orientierung (Gomez sagte: Danke!), dann ließ Horn eine bessere Rückgabe durch die Hände gleiten (Gomez sagte: Danke!). Statt Pausenführung stand es 1:2 – und niemand, wirklich niemand im Stadion konnte fassen, was dort gerade passiert war. Fragend blickten die Fans in die Runde, Antworten fanden sie nirgendwo im Stadion. In dieser an Rück- und Tiefschlägen wahrlich nicht armen Saison hatten die Sekunden vor dem Halbzeitpfiff nochmals eine ganz neue Dimension. Schockstarre in Müngersdorf: Kein Wirkungstreffer, sondern selbst K.o. geschlagen!
Randnotizen in einer griechischen Tragödie
Dass diese Gegentore zum psychologisch ungünstigsten Moment (gibt es für Gegentore eigentlich einen günstigen Moment?) und in der ungünstigsten Entstehungsweise tiefe Wunden in die kölsche Seele gerissen hatten, durfte nach dem Seitenwechsel beobachtet werden: Der effzeh wollte so sehr, wollte diese Scharte auswetzen und sich die entgangene Belohnung sichern, doch es lief nicht so recht zusammen. Stuttgart spielte sämtliche Kreisliga-Methoden durch: Acht Mann im eigenen Strafraum, jeder Klärungsversuch landete eigentlich irgendwo im Nirgendwo, ernsthafte Angriffsversuche waren in dieser Phase genauso Mangelware wie Kölner Chancen. Und doch fiel das 3:1 für den VfB: Beck schickte in Eishockey-Manier (jede Scheibe zum Tor ist eine gute!) den Ball aufs Kölner Gehäuse, wo Meré nicht ganz hinkam und Horn zu spät reagierte. Game over!
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Die wütenden Reaktionen, die vergebenen Großchancen von Koziello, dessen Schuss Zieler perfekt parierte, und Bittencourt, der wunderbare Freistoßtreffer von Milos Jojic: Es waren am Ende nur noch Randnotizen. Es schien, als hätte das Drehbuch an diesem Sonntagnachmittag etwas anderes mit dem 1. FC Köln im Schilde geführt. Es schien, als sei von den Fußballgöttern alles angerichtet worden für den endgültigen Todesstoß einer völlig verkorksten Saison, die alles an Patzern und Pech, Unvermögen und Umständen, Dramen und Demütigungen, an Unvorstellbarem und Erwartbarem beinhaltete. Kurz Hoffnung aufflammen lassen, damit die Katastrophe noch bitterer wird. Eine griechische Tragödie epischem Ausmaßes in 34 Akten. Und am Ende weinte nicht nur der Himmel über Köln, sondern auch die Hauptdarsteller auf dem Platz.