Stellt die verdammte Uhr endlich ab – dieser Gedanke beherrscht meine Überlegungen über Fußball spätestens seit vergangenem Samstag. Die Chance, den Hamburger SV endgültig für sein Missmanagement der letzten Jahre zu bestrafen, diesen bräsigen Dino von seinem Podest zu holen, ist so groß wie nie. Und der 1. FC Köln kann Anteil daran haben: Schon mit einem effzeh-Remis in Wolfsburg dürfte der erste Abstieg des Gründungsmitglieds besiegelt sein. Das sollte doch nach der eher freudlosen Saison das Mindeste sein, was unser Club für mein Seelenheil noch bereitstellen kann. Ich habe Tasmania Köln in der Hinrunde bewundert, ich habe mir Hoffnung machen lassen nach dem Sieg (ausgerechnet!) beim HSV, ich habe diesen zähen Abstieg miterlebt – diese eine gehässige Freude muss mir der effzeh zugestehen.
Mitleid mit dem HSV? Nicht einmal geschenkt!
Mitleid? Habe ich nicht. Ja, ich kenne durchaus HSV-Fans. Ja, einige von ihnen habe ich sogar tief in mein Herz geschlossen. Mitleid wollen sie nicht einmal geschenkt haben (würde ich auch nicht!), die Erlösung aus der Qual können sie allerdings gerne zum Nulltarif haben. Der Hamburger SV hat in all seinem Chaos in den vergangenen Jahren derart an den Nerven seiner eigenen Anhänger gezerrt, ist uns allen schrecklich auf den Sack gegangen und geht dennoch einfach nicht weg.
Das muss nun endlich Folgen haben. Während der 1. FC Köln zumindest den Anstand hat, sang- und klanglos herunterzugehen, wenn der Verein groteske Fehler produziert, wehrt sich der HSV unverständlicherweise immer wieder gegen die gerechte Bestrafung. Und kam damit stets durch – wie so ein verzogener Sohn einer neureichen Familie, der auf dicke Hose macht, Scheiße baut und keine Konsequenzen zu befürchten hat.
Damit muss Schluss sein. Schluss mit dem Dino-Gefasel, Schluss mit dieser Uhr, Schluss mit dem einzigen Gründungsmitglied, das ständig in der Bundesliga gespielt hat. Irgendwann trifft es jeden. Und dann soll nicht herumgeheult werden, wie furchtbar schlimm alles ist. Wir haben das in Köln schließlich auch erleben müssen. Und sonderlich viel Mitleid gab es da nicht.
Die Saison mit einem kleinen, gehässigen Grinsen abschließen
Der HSV hat in der jüngsten Vergangenheit immerhin durchgängig dafür gesorgt, dass er bei vielen Fußball-Fans nicht sonderlich gut gelitten ist. Im Grunde fiebert halb Deutschland auf den ersten Abstieg hin – und sieht den 1. FC Köln in einer besonderen Verantwortung. Zwar sind wir nur Teil des großen Schauspiels (die größere Aufgabe bekam glücklicherweise der Rivale aus der deutsch-niederländischen Grenzregion zugeteilt), aber wir können eine beschissene Saison mit einem kleinen, gehässigen Grinsen abschließen. Muss man nicht mögen, ist aber so.
Wünsche ich meinem Verein deshalb eine Niederlage? Jein. Es ist keine simple Situation, die Saison ist für uns eh schon gefühlt seit Dezember 2017 gelaufen. Einerseits können wir dem HSV den endgültigen Todesstoß versetzen, indem das effzeh-Team einfach so spielt, wie es in dieser Saison eben gespielt hat. Wacklig in der Defensive, harmlos in der Offensive, mit Aussetzern individueller und kollektiver Natur. Natürlich mit vollem Engagement, versteht sich. Andererseits ist auch Wolfsburg jetzt nicht der schlechteste Kandidat für einen Direktabstieg in die Hölle namens 2. Bundesliga – und in der Relegation gegen Kiel vermutlich nicht so durchschlagskräftig wie der HSV.
Eigentlich kann der 1. FC Köln nur gewinnen
Eigentlich kann der 1. FC Köln an diesem Samstagnachmittag nur gewinnen. Dennoch ist mir der HSV, auch nach diesen sagenhaft peinlichen Anbiederungsversuchen seitens Verein und Fans, ein Stückchen lieber. Unter anderem, weil ich nächste Saison doch lieber mit meinen Hamburger Kollegen über die grausame Fußball-Welt herziehen möchte als so gänzlich allein in Liga zwei herumzuhängen. Und natürlich wegen Kühne, dem 1/5-Besitzer der HSV AG, der wieder einmal zur besten Zeit in der Öffentlichkeit querschoss.
Aber der HSV hat doch so viel Tradition und Wolfsburg ist nur ein Werksclub ohne Seele? Das ist definitiv so, auch wenn das nicht alle akzeptieren wollen. Und in einer idealen Fußball-Welt würde Hamburg auch eine gute Rolle in der Bundesliga spielen, während all die Automobil-, Chemie- oder Chemiebrause-Konzerne ihr Geld vollends in Opernaufführungen, coole Veranstaltungen in hippen Skateparks oder total angesagte Internetgründermessen stecken. In einer idealen Fußball-Welt hätte der Hamburger SV auch nicht fast 20 Prozent seiner Profiabteilung an einem neurotischen Speditionsunternehmer verscherbelt.
Stellt endlich die verdammte Uhr ab!
Wir sind aber bekanntlich nicht bei „Wünsch dir was“, sondern bei „So ist es!“ – und da wäre mir ein finanziell omnipotenter Werksclub, der die Werbewirksamkeit der 1. Bundesliga trotz all der Eskapaden doch sehr zu schätzen weiß, als Aufstiegskonkurrent deutlich weniger lieb als ein chronisch schlecht wirtschaftender und chronisch schlecht einkaufender Ex-Dino, dessen Umfeld sich gedanklich erst einmal mit der neuen Spielklasse anfreunden muss. Manchmal neigt der gemeine Fußball-Fan zur Schizophrenie, wenn es um das Wohl des eigenen Clubs geht. Deswegen: Mach et, FC! Stell endlich die verdammte Uhr ab. Wir warten schon sehnsüchtig und wehmütig darauf. Geteiltes Leid ist schließlich halbes Leid.