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Analyse

0:1-Hinspielniederlage gegen Kiel: Zu viele Hypotheken beim 1. FC Köln

Der 1. FC Köln verliert im Relegationsheimspiel mit 0:1 gegen Holstein Kiel und stellt abermals unter Beweis, dass in dieser Saison zu viele Defizite im fußballerischen Kernbereich vorhanden sind.

GER, 1.FBL. Relegation 1. FC Koeln vs Holstein Kiel / 26.05.2021, Rheinenergie Stadion, Koeln, GER, 1.FBL. Relegation 1. FC Koeln vs Holstein Kiel, im Bild: torchance fuer Sebastian Andersson FC Koeln 9, nordphotoxGmBHx/xMeuter nph00351
Foto: imago images / Nordphoto

Nach dem Showdown am vergangenen Samstag gegen den FC Schalke 04, den der 1. FC Köln durch ein spätes Tor von Sebastiaan Bornauw mit 1:0 gewinnen konnte, empfingen die “Geißböcke” zum Auftakt der Relegation zur ersten Bundesliga den Zweitligavertreter aus Kiel. Die Gäste, die von Ole Werner trainiert werden, hatten in dieser Saison mehrere Wochen in Quarantäne verbracht und zuletzt zwölf Spiele seit Anfang April absolviert – vor der Partie ging es in den Vorberichten viel um die physischen Kapazitäten der Mannschaften. Hier wurde dem FC ein Plus zugerechnet. Auch im mentalen Bereich, so war es zu lesen, soll das Momentum vor Anpfiff eher auf Kölner Seite gelegen haben. Die Gründe dafür waren das erfolgreich bestrittene “Endspiel” des FC gegen Schalke und die beiden knappen 2:3-Niederlagen jeweils nach eigener Führung, die Kiel zuletzt hatte einstecken müssen.

Um wirklich fußballerische Inhalte (welche Mannschaft pflegt welchen Ansatz? Welche Mannschaft hat in welchen Phasen oder Zonen Probleme mit oder gegen den Ball?) ging es dabei selten. Von daher war es fast schon despektierlich dem Zweitligisten gegenüber, dessen Team in der zweiten Liga zu den eher positiven Erscheinungen zählt, was Ballbesitz und Spielstil angeht. Für das Auswärtsspiel in Köln stand Trainer Werner vor der schwierigen Aufgabe, die beiden gelbgesperrten Mittelfeldspieler Alexander Mühling (zuständig für den offensiven Übergang) und Jonas Meffert (zuständig für Struktur und Aufbau) zu ersetzen. Beim FC konnte mit Sebastian Andersson der so wichtige Zielspieler für die letzte Linie nicht über 90 Minuten ran, weil sein Körper diese Belastungen ohne mehrtätige Pause nicht verkraftet – ein eindeutiges Problem, wie sich über die Saison herausgestellt hat und was sich auch gegen Kiel bestätigte.

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Hector in vorderster Front unterwegs

So startete der FC mit Tempo auf den Flügeln (Marius Wolf, Ismail Jakobs), einem zweikampf- und laufstarken Mittelfeldzentrum (Salih Özcan, Ellyes Skhiri) und davor die beiden spielstärksten Kölner Ondrej Duda und Jonas Hector. Der frühere deutsche Nationalspieler schwang sich in den letzten Wochen zur Lebensversicherung der Kölner auf, war offensiv und defensiv der einflussreichste Spieler. Gegen Kiel agierte er im 4-2-3-1 gegen den Ball als vorderster Anläufer, er wechselte sich mit Duda ab, was das Zustellen des Kieler Aufbauspielers Aleksandar Ignjovski betraf. Die Kieler hielten mit einem 4-1-4-1/4-3-3 entgegen, in dem sich der Südkoreaner Jae-sung Lee um Skhiri kümmerte.

Auffallend beim FC: Im Vergleich zu den vorherigen Spielen kippten dieses Mal weder Özcan noch der Tunesier seltener in die letzte Linie ab, um Bornauw und Czichos beim Aufbauspiel zu unterstützen. Einzig Özcan fand sich in seiner Rolle im rechten Halbraum häufiger, um von dort aus Angriffe zu initiieren. Einen anderen Kieler Schlüsselspieler, den früheren Bremer Fin Bartels, versuchten seine Mitspieler durch lange Bälle hinter die Kette zu finden, damit der Routinier dann Eins-gegen-Eins-Situationen gegen Noah Katterbach gewinnen konnte.

Foto : Ondrej Duda rot vor Aleksandar Ignjovski am Ball rechts , Kiel Fussball 2. Liga am Mi. 26.05.2021 Relegationsspiel Köln - Holstein Kiel *** Photo Ondrej Duda red in front of Aleksandar Ignjovski on the ball right , Kiel Football 2 Liga on Wed 26 05 2021 Relegation match Cologne Holstein Kiel

Foto: imago images / Claus Bergmann

Zu Spielbeginn markierte der FC direkt, über welche Seite er zum Erfolg kommen wollte: das Duo Wolf und Schmitz scheint sich dort in den letzten Spielen immer mehr gefunden zu haben, auf diese Weise bereiteten Hector und Duda auch die erste Abschlussaktion vor, Hectors Schuss wurde aber abgefälscht und ging vorbei. Wenig später verpasste der eingelaufene Jakobs eine Hereingabe von Wolf am ersten Pfosten. Die Kieler setzten ihr erstes Ausrufezeichen eben nach einem langen Ball auf Bartels, dessen Rückgabe Finn Porath aber nicht verwerten konnte.

Beide Teams scheuen das Risiko

Die Kieler Achter Lee und Niklas Hauptmann fanden in der Anfangsphase allerdings offensiv kaum ins Spiel, sie waren eher damit beschäftigt, die Räume zuzulaufen und Überzahl in Ballnähe zu schaffen. So verging die Spielzeit ohne großartige Highlights, ehe die Kieler anfingen, sich im Aufbauspiel ein wenig selbst einzuschläfern. Hector gewann in einer hohen Pressingsituation mit viel Willen den Ball, sein Abschluss aus spitzem Winkel wurde geblockt. Hector – Ballgewinner, Antreiber, Abschlussspieler in der Offensive. Auch wenn der FC gerade über rechts wieder ein wenig aktiver wurde, war es doch eine typische erste Halbzeit eines ersten Relegationsspiels, weil beide Mannschaften das Risiko noch scheuten. Erst in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit landete über Umwege ein Ball bei Duda, dessen Halbvolley allerdings vorbei ging.

Nach der Pause gab es ebenfalls wenig Spielfluss, weil die Kieler den Rhythmus brachen und selbst weitestgehend auf Ballbesitz verzichteten. Jetzt schaltete sich beim FC Skhiri mehr und mehr nach vorne mit ein, um Überzahl zu schaffen. Auf diese Weise wurden selbst die äußeren Kieler Mittelfeldspieler Bartels und Porath tief in die eigene Defensive gezwungen. Dementsprechend lang waren auch die Wege zum gegnerischen Tor für den Zweitligadritten. Offensiv tat sich beim FC weiterhin wenig.  Gelegenheiten wie noch im ersten Durchgang Hectors Aktion gegen Kiels Keeper Ioannis Gelios, eine verpasste Hereingabe von Dominick Drexler auf Hector oder eine Standardsituation von Hector wurden wegen Abseits oder Foul zurückgepfiffen.

Foto : Siegesjubel bei den Spielern ... von Kiel , hier Simon Lorenz und Jae Sung LEEund rechts Phil Neumann Fussball 2. Liga am Mi. 26.05.2021 Relegationsspiel Köln - Holstein Kiel *** Photo victory jubilation with the players of Kiel, here Simon Lorenz and Jae Sung LEEand right Phil Neumann football 2 league on Wed 26 05 2021 Relegation match Cologne Holstein Kiel

Foto: imago images / Claus Bergmann

So war es dann eine Standardsituation, die den Gästen die Führung brachte: Einen Eckball von der linken Seite köpfte Lee parallel zur Torlinie wieder in die Gefahrenzone, was für die verteidigende Mannschaft immer schwierig ist, weil sie gleichzeitig Gegenspieler und Ball im Auge behalten muss. Der gerade eingewechselte und mit viel Tempo einlaufende Simon Lorenz köpfte zur 1:0-Führung nach etwa einer Stunde ein. Der FC, der in dieser Saison nach Führung des Gegners eigentlich nie etwas reißen konnte, stand plötzlich enorm unter Druck. Die Kieler hingegen fanden zu mehr Sicherheit in ihren Aktionen, gerade Hauptmann gefiel dadurch, dass er mehrere enge Situationen gut auflöste.

Die Defizite des 1. FC Köln werden wieder deutlich

Ein paar Minuten nach dem Führungstreffer erzwang Skhiri wie schon Hector in der ersten Halbzeit einen Ballgewinn, nach einem Doppelpass mit Drexler kam er auch zum Abschluss, der allerdings zu zentral geriet. Funkel reagierte daraufhin, brachte mit Andersson einen echten Stürmer, wodurch Duda und Hector jeweils eine Position nach hinten rückten. Die Dringlichkeit in den Kölner Aktionen nahm zu, in dieser Phase wurde aber auch deutlich, welche Defizite die Mannschaft hat, wenn der Gegner tief verteidigt. Schnelle Kombinationen durchs Zentrum über den dritten Mann beispielsweise fanden gar nicht statt. Die Kieler Entlastung brachte nach einem Kopfball von Janni Serra an die Latte fast das zweite Tor, auf der Gegenseite brachte nur noch ein Freistoß von Duda Gefahr – Kiels rechter Verteidiger Phil Neumann blockte allerdings zweimal heroisch. So blieb es beim 0:1 aus Kölner Sicht, der ersten Niederlage eines Erstligisten in der Relegation nach neun Jahren.

Der FC geht so mit einer Hypothek ins Auswärtsspiel an der Förde am Samstag – im Wissen, selbst mindestens zweimal treffen zu müssen. Das dürfte umso schwerer fallen, wenn man sich die Offensivbemühungen aus dem Hinspiel anschaut. Dem FC fehlt es an klaren Mechanismen und Abläufen, um die gegnerischen Linien zu überspielen und jenseits von Flanken von der Grundlinie oder hohen Ballgewinnen Torchancen herauszuspielen. Eine weitere Hypothek ist dabei die physische Konstitution von Stoßstürmer Andersson, der als einziger echter Angreifer im Kader eigentlich unverzichtbar ist. Wäre er fit, böten sich für Duda und Hector mehr Freiheiten. Der Slowake, an dem FC ebenfalls viel hängt, zeigte sich im Hinspiel sehr umtriebig, aber auch unglücklich – die Kieler verstanden es gut, ihn mit physischen Mitteln zu bearbeiten, wenngleich das Ignjovski-Foul kurz vor Ende des ersten Durchgangs über der Grenze war.

Foto : Keeper Ioannis Gelios und Phil Neumann klaren in hochster Not gegen Martin Andersson Fussball 2. Liga am Mi. 26.05.2021 Relegationsspiel Köln - Holstein Kiel *** Photo Keeper Ioannis Gelios and Phil Neumann klaren in hochster need against Martin Andersson Football 2 Liga on Wed 26 05 2021 Relegation match Cologne Holstein Kiel

Foto: imago images / Claus Bergmann

Die Ausgangslage des FC ist mit Blick auf Samstag schwierig. Nimmt man die gesamte Saison als Grundlage, würde es schon sehr überraschen, wenn der FC das Ergebnis dann drehen könnte. Denn trotz aller Debatten um Physis, Psyche und Mentalität geht es immer noch darum, was die Mannschaft anzubieten weiß – und das ist tatsächlich nicht ganz so viel.

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