Peter Stöger und Jörg Schmadtke moderieren mit Interviews die Kölner Talfahrt. Die Herangehensweise der FC-Verantwortlichen fällt dabei allerdings doch sehr unterschiedlich aus. Ein Kommentar.
Dass die sportliche Misere beim 1. FC Köln auch mit Fehlern des verantwortlichen Geschäftsführers zu tun haben könnte, will Jörg Schmadtke dieser Tage nur widerwillig einsehen. „Fakt ist, dass die Entscheidungen, die ich getroffen habe, nicht dazu geführt haben, dass wir derzeit in den Tabellenregionen stehen, in denen wir stehen wollten“, sagt der 53-Jährige, wenn er vom „Kölner Stadt-Anzeiger“ nach seinem Anteil an der derzeitigen Situation gefragt wird. Oder er sagt: „Wenn es jemandem hilft, dann können wir gerne sagen, dass ich Fehler gemacht habe.“
Und sagt damit eigentlich nur, dass die verdammte Öffentlichkeit ja immer einen Schuldigen brauche, und er deshalb durchaus bereit sei, sich als Sündenbock anzubieten, auch wenn er eigentlich keinen Fehler gemacht habe. Und vermutlich sieht Jörg Schmadtke das auch genau so. Schließlich hätten im Sommer aus „unterschiedlichen Gründen Dinge nicht realisiert“ werden können, „die sinnvoll gewesen wären.“ Das klingt doch schwer nach: Kann ja mal passieren, Pech gehabt.
Warum ging der effzeh im Sommer ein so hohes Risiko?
Doch der Transfermarkt, so wild und wahnsinnig er im Sommer 2017 auch gewesen sein mag, hat sich nicht maßgeblich verändert und war schon immer vergleichbar mit dem Pokerspiel. Dort mag Glück eine mehr oder weniger große Rolle spielen – entscheidend über dauerhaften Erfolg oder Misserfolg ist das Fortune am Ende aber nur selten. Wer sich am Spieltisch schlussendlich durchsetzen will, muss stets das große Ganze im Auge behalten. Es sei denn, man spielt voll auf Risiko. Das ist zwar aufregend und macht Spaß, führt mittelfristig aber so gut wie nie zu besseren Ergebnissen, als sich im Zweifel auf die sicheren Hände zu verlassen und die Risiko-Runden höchstens als Sahnehäubchen auf der Torte zu sehen.
Warum Schmadtke sich im Sommer am Transfermarkt-Spieltisch gleich mehrfach für die Sahnehäubchen entschied, anstatt sich erst einmal um die Torte unten drunter zu kümmern, wird wohl das Geheimnis des gebürtigen Düsseldorfers bleiben. Drei Defensivtalente mögen finanziell verlockende Perspektiven mit sich bringen, eine Verstärkung der Mannschaft sind sie aber nicht.
Für „manche Außenstehende“ seien das „Fehler oder Fehleinschätzungen“, sagt Schmadtke dazu nur. Und sagt damit eigentlich das Gegenteil. Wer in seiner Arbeit Fehler entdecken kann, wird im Umkehrschluss schließlich sofort zum „Außenstehenden“ deklariert, die Kritik an den vermeintlichen Fehlern somit als unqualifiziert abgewertet. Fachmännisch betrachtet, und das ist Schmadtke ja, sind also nicht so wirklich Fehler von ihm gemacht worden. Eine recht eigenwillige Sichtweise – Fehler gehören schließlich zum Geschäft.
Schmadtke verdient Vertrauen, aber auch Kritik
Korrekt ist aber natürlich auch, dass die Öffentlichkeit, Fans und Journalisten nicht haargenau wissen, welche Deals Schmadtke im Sommer eigentlich geplant hatte, warum sie scheiterten und welchen Plan B der Geschäftsführer jeweils in der Tasche hatte – das liegt in der Natur der Sache. Richtig ist auch, dass Jörg Schmadtke nach sehr erfolgreichen Jahren mit überwiegend starken Transfers beim 1. FC Köln einen Vertrauensvorschuss absolut verdient hat.
Die ungenügende Einschätzung der Kadersituation und die Fixierung auf vermeintliche Top-Transfers, die naturgemäß in letzter Sekunde scheitern können und das auch taten, sind ganz objektiv betrachtet dennoch Fehler des Geschäftsführers, der sich sowohl in Sachen Mark Uth als auch bei Maxwel Cornet offenbar die Zähne ausbiss und den kolportierten Wunschtransfer von Trainer Peter Stöger, Julian Baumgartlinger, entweder nicht realisieren konnte oder es nicht wollte – da gehen die Erzählungen rund ums Geißbockheim auseinander.
Offensiv nur Cordoba? Eine Fehleinschätzung!
„Wir verpflichten doch nicht einfach irgendjemanden, um den Kader aufzufüllen“, erklärt Schmadtke, warum keine Alternativen zu den oben aufgeführten Idealtransfers verpflichtet wurden. Zwischen den Zeilen deutet der Geschäftsführer damit an, dass es einfach keine anderen geeigneten Spieler auf dem Markt gegeben habe. Das erscheint in einer globalisierten Fußballwelt mit unzähligen Ligen, Talenten und Spielern allerdings nur wenig glaubhaft. Wenn überhaupt hat der 1. FC Köln also keine anderen geeigneten Spieler gefunden.
Wer allerdings andererseits bereit ist für Jhon Cordoba, der unbestrittene Qualitäten mitbringt, über 15 Millionen Euro zu zahlen und den Stürmer, der in seiner gesamten europäischen Profi-Karriere nie mehr als fünf Saisontore erzielen konnte, mit einem sehr ordentlichen Gehalt ausstattet, ist entweder verzweifelt oder hat sich heftig verschätzt. Da Schmadtke den Cordoba-Deal stets mit Überzeugung verteidigt hat, scheidet Verzweiflung als Grund offenbar aus. Somit wird der Glaube, Cordoba könnte als Vestärkung für die überaus verletzungsanfällige Offensiv-Abteilung des 1. FC Köln ausreichen, zur nicht weg zu murmelnden Fehleinschätzung. Egal, ob von außen oder von innen betrachtet. Die Ausfälle von Risse und Cordoba selbst belegen es, die Verpflichtung Claudio Pizarros unterstreicht es.
Gleich verhält es sich übrigens im zentralen Mittelfeld: Wie auch in der Offensive klafft hier im Kader nicht erst seit diesem Sommer ein Loch, das kontinuierlich missachtet wurde. Aber natürlich muss der Geschäftsführer seinem Coach nicht zwangsläufig den Spieler verpflichten, den dieser sich wünscht. „Den will mein Trainer gerne“, kommentierte der Geschäftsführer die Gerüchte um Baumgartlinger damals gewohnt lakonisch. Dass Schmadtke statt dem Leverkusener allerdings gar keinen Spieler für diese Position verpflichtet hat, mutierte nicht erst mit dem Ausfall von Jonas Hector zu einem überaus riskanten Schachzug. Nun ist man darauf angewiesen, dass der 34-Jährige Matthias Lehmann die Eisen aus dem Feuer holt.
Wie sieht das Verhältnis zwischen Stöger und Schmadtke aus?
Dass die schon länger wabernden Gerüchte um ein abgekühltes Verhältnis zwischen Stöger und Schmadtke es nun in den „Express“ geschafft haben, ist angesichts der Entwicklungen beim effzeh wenig überraschend. Das Geschäft bleibt, wie es ist. Doch wie viel Wahrheit steckt darin? „Wir haben ein gutes Verhältnis zueinander“, sagt Schmadtke. Es gibt wenig Gründe, vom Gegenteil auszugehen. Begeisterung dürfte die Transferphase beim Trainer aber dennoch nicht ausgelöst haben. Naturgemäß ist er es schließlich, der im Zweifel die Konsequenzen tragen muss.
„Wir haben gewusst, wenn wir aus den verschiedensten Gründen – das kann mit den Spielern zu tun haben oder mit den Trainern – das Limit nicht erreichen, dann werden wir es richtig schwer haben“, zeigt Stöger sich dieser Tage durchaus selbstkritisch. „Wir müssen das korrigieren, das ist ein Gedanke, den ich mit ins Bett nehme“, sagt der Trainer im Gespräch mit dem „kicker“ und drückt anders als Schmadtke schon mit seiner Wortwahl aus, dass natürlich Fehler gemacht wurden. Sonst müsste man ja nichts korrigieren. Ohnehin geht der 51-Jährige mit der Situation anders um als sein Vorgesetzter. „Ich muss schauen, dass ich das hier in irgendeiner Form repariere“, heißt es von Stöger. „Wenn das klappt, habe ich die Möglichkeit, weiter in dieser Stadt zu leben. Ich liebe diese Stadt. Die ist cool, echt.“
Stöger: “Ich habe keine Angst, den Trainerjob zu verlieren”
Wer die Probleme schlussendlich verursacht hat, dürfte dem Österreicher mittlerweile ohnehin relativ egal sein. Dass es im Zweifel um seinen Arbeitsplatz gehen wird, ist ihm sowieso klar. “Ich habe keine Angst, den Trainerjob zu verlieren.” “Versagensangst” habe er ebenfalls nicht. Jörg Schmadtke scheint die ebenfalls nicht zu kennen. Dennoch wäre es bei anhaltendem Misserfolg ausgerechnet der Geschäftsführer, der schlussendlich über die Zukunft von Stöger entscheiden müsste. „Ich habe Vertrauen zu Peter und denke nicht an solche Szenarien“, sagt Schmadtke momentan dazu.
Um die zentrale Säule seiner Vorjahresmannschaft beraubt und auch in der Breite nicht besser ausgestattet als im Vorjahr, scheint Stöger derzeit vor allem ausbaden zu müssen, was bei der Kaderplanung im Sommer offensichtlich versäumt wurde. Schmadtke, der Hauptverantwortliche für diesen Bereich, ist gut beraten, seinen Trainer solange unangetastet zu lassen, wie es irgendwie geht. Und eigentlich sogar noch länger.
Eine Entlassung auf Grund einer sportlichen Talfahrt, die vor allem in der schwachen Transferpolitik trotz großer finanzieller Möglichkeiten ihre Ursache hat, wäre für den Geschäftsführer schließlich das Eingeständnis eben jener Fehler, die Schmadtke derzeit offenbar noch nicht so richtig wahr haben will. Vor allem wäre es aber das Ende der positivsten Phase, die der 1. FC Köln im letzten Vierteljahrhundert erlebt hat.
Für den effzeh gibt es also sehr viele gute Gründe, gegen Stuttgart endlich den ersten Sieg zu holen. Dann könnte Schmadtke sich auf gute Wintertransfers konzentrieren und Stöger müsste sich in kommenden Interviews keine Gedanken mehr darüber machen, ob er in Köln wohnen bleiben kann. Und das wäre ohnehin das Beste für alle – der ist nämlich cool, echt.