Im Monat Juni wird von der UEFA eine Entscheidung in der Causa “Red Bull” erwartet: Darf RB Leipzig in der kommenden Saison in der Champions League spielen? Selbst wir als effzeh-Fans sagen: Es lässt sich kaum verhindern.
Es soll ja tatsächlich Menschen geben, die jeden Tag in freudiger Erwartung auf die Homepage der UEFA schauen. Weil sie die eine, diese ganz bestimmte Frage umtreibt, die den 1. FC Köln und die Champions League betrifft. Nach dem überragenden Saisonende mit dem fünften Platz, einer riesengroßen Party und vielen Freudentränen wäre es sicherlich für jeden effzeh-Fan eine kleine Genugtuung, wenn das Marketingkonstrukt aus Leipzig aus dem internationalen Wettbewerb ausgeschlossen wird – weil der siamesische Schwesterklub aus Salzburg in der österreichischen Liga Meister wurde.
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Eines vorweg: Dieser Text enthält viele Passagen, denen eine gewisse Verbitterung anzumerken ist. Diese Verbitterung hat nichts damit zu tun, dass der 1. FC Köln in der kommenden Saison nicht in der Champions League spielen wird – ganz im Gegenteil. Die Freude über den ersten Europapokaleinzug ist immer noch unvorstellbar groß; wahrscheinlich größer, als es die der RBL-Fans über alle zukünftigen Erfolge von ihrem Herzensverein zusammen sein wird. Es ist eher eine Verbitterung über dieses System, das erst ein Konstrukt wie Red Bull Leipzig zulässt, es dann offen umschmeichelt (Sky!) und dann, oh Wunder, rechtlich nicht zur Verantwortung zieht.
Der “Schutz der Integrität des Wettbewerbs” ist ein schlechter Scherz
Insgesamt geht es um den Artikel 5 der UEFA-Zulassungsbestimmungen, der besagt, dass “zum Schutz der Integrität des Wettbewerbs” keine zwei Clubs an UEFA-Wettbewerben teilnehmen dürfen, die von ein und demselben Konzern geführt und kontrolliert werden, wie der “kicker” im Mai treffend zusammenfasste. Weiterhin heißt es: “Dies trifft für Konzerne/Personen zu, die mindestens 30 Prozent des Etats tragen oder Anteilseigner sind. Die RB Leipzig GmbH ist zu 99,9 Prozent im Besitz von Red Bull. Bei Red Bull Salzburg ist inzwischen der Verein der Alleingesellschafter, die Verbindung zu Red Bull beschränkt sich nach Angaben der Verantwortlichen auf einen gewöhnlichen Sponsorenvertrag.”
So weit, so gut. Die Verantwortlichen bei Red Bull sind mindestens genauso schlau wie wir, weswegen sie seit zwei Jahren alles dafür tun, um die Verbindungen zwischen beiden Clubs zu lösen – zwischen denen trotzdem fleißig Spieler für Fantasiesummen hin und her wechseln. Auf vielen verschiedenen Ebenen geschieht dieser Loslösungsprozess: Ralf Rangnick ist beispielsweise seit 2015 nicht mehr für Salzburg und Leipzig als Sportdirektor zuständig, sondern nur noch für den Tabellenzweiten aus dem Osten. Sein Adjutant Oliver Mintzlaff ist auch nicht mehr “Head of Football” (schöner Titel, Didi!), sondern nur noch Geschäftsführer in Leipzig. Inwieweit RB Salzburg und Leipzig tatsächlich voneinander unabhängige Vereine sind, überlassen wir dem juristischen Fingerspitzengefühl der UEFA-Advokaten – und der persönlichen Einschätzung unserer Leserinnen und Leser.
Warum sollte die UEFA auf einmal vernünftig handeln und entscheiden?
Denn für uns steht eines fest: Wer daran glaubt, dass die UEFA in irgendeiner Form eine Teilnahme von RB Leipzig an der Champions League verhindert, ist auch großer Fan des Weihnachtsmanns. Dieses Denken hat nichts damit zu tun, dass man seine Erwartungen von vornherein bewusst herunterschraubt, um nicht enttäuscht zu werden – es ist einzig und allein gesunder Menschenverstand. Warum sollte auf einmal in einer so intransparenten Organisation wie der UEFA etwas wie Rechtsstaatlichkeit einkehren? Warum sollte der rasanten Aufstieg des so aufwändig hofierten Leipziger Kunstproduktes auf einmal enden?
Man muss kein großer Prophet sein, um zu erkennen, dass Leipzig in der kommenden Saison sehr wohl Champions League spielen wird. Zwar schreibt die UEFA etwas von der Integrität ihres Wettbewerbs, doch das erscheint ein Jahr nach dem Rücktritt von Präsident Michel Platini wie ein schlechter Scherz. Wie kann eine Organisation auf einmal transparent und fair entscheiden, die mit Aleksander Ceferin jetzt den nächsten Opportunisten an der Spitze weiß?
“Großer Interpretations- und Ermessensspielraum beim Verband”
Die Mitteldeutsche Zeitung zitierte dazu im Frühjahr den Thüringer Sportrechtler Johannes Arnold, der sich seit längerer Zeit mit dem Konstrukt RB Leipzig auseinandersetzt. Er beschrieb die Integritätsregeln der UEFA als “durch eine Vielzahl nicht näher definierter Rechtsbegriffe wachsweich formuliert”, weshalb ein “verhältnismäßig großer Interpretations- und Ermessensspielraum beim Verband” liege. Was dann dann heißen wird, kann man sich schon ausmalen.
Selbst das von der UEFA offensiv beworbene Financial Fairplay wird kaum dafür sorgen, dass der 1. FC Köln auf einmal in die Champions League nachrücken darf. Dort steht zwar, dass eine bestimmte Partei keinen “maßgeblichen Einfluss” ausüben darf – aber was bedeutet das genau? Nicht mehr als 30 % der Einnahmen dürfen von einer einzigen Partei kommen – eine Auflage, die Dietrich Mateschitz clevererweise schon einmal erfüllt. Salzburg konnte sich somit wirtschaftlich unabhängiger machen, was der Verein in erster Linie durch Transfereinnahmen schaffte. Dass dabei die vier Spieler, die vor der Saison von Salzburg nach Leipzig wechselten, rund 22 Millionen Euro kosteten, scheint ein Zufall zu sein. Red Bull finanziert also Red Bull – aber beide sind unabhängig. Alles klar?!
Geldstrafen und Punktabzüge in homöopathischen Dosen
Es ist also davon auszugehen, dass die von Red Bull nicht schlecht bezahlten Anwälte eine Lücke in der, sagen wir es vorsichtig, nicht ganz wasserdichten Rechtslage der UEFA finden werden. Damit spielt Red Bull nächste Saison mit zwei Vereinen in der Champions League – Glückwunsch dazu! Vielleicht ringt sich die UEFA ja dazu durch, ein paar Geldstrafen oder Punktabzüge zu verteilen, um öffentlich das Gesicht zu wahren.
Trotz aller Träume vom Nachrücken in die Champions League: Für Fans des 1. FC Köln ist die Europa League aber trotzdem immer noch etwas sehr, sehr Großes – lieber mit reinem Gewissen im Unterhaus als mit Dreck am Stecken in der Champions League!