Der 1. FC Köln sichert sich die Dienste des gealterten Torjägers Claudio Pizarro. Warum das eine Verzweiflungstat ist, die an alte, längst vergessene Zeiten erinnert.
Mit einem gehörigen Schuss Galgenhumor sangen die Fans des 1. FC Köln vor wenigen Tagen im Westfalenstadion ihren Frust in die Welt: „Der FC Köln ist wieder da“, schallte es aus der Gästekurve angesichts des hilflosen Auftretens beim 0:5-Debakel gegen Borussia Dortmund. Es schmeckte nach unseligen Zeiten, als der effzeh relativ chancenlos durch die Stadien der Bundesliga tingelte und reihenweise auf die Omme bekam. Es schmeckte nach der Overath-Ära, nach Michael Meier, nach Messias-Glauben, Panikkäufen und abgehalfterten Stars, die weit über ihren Zenit hinaus waren.
Mit einem Lächeln versicherten sich die Anhänger: Heute war es schlimm, aber so schlimm wird es schon nicht werden. Die Verantwortlichen wissen schon, was sie tun – schließlich hatten sie den einst feinen Verein aus dem Dornröschenschlaf geweckt und in den Europapokal geführt. Zwei Wochen später das wohl unruhige Aufwachen aus diesem Traum: Der effzeh ist Letzter in der Bundesliga, hat beide Spiele in der Europa League verloren und in den acht ernstzunehmenden Pflichtspielen lediglich zwei Treffer erzielt. Eins durch einen Abwehrspieler, eins aus 35 Metern Entfernung nach einem grotesken Torwartfehler.
Habemus Pizarro: Wir haben wieder einen Messias
Wer dachte, die Verantwortlichen würden die Ruhe, die sie immer predigen, auch weiter durchziehen, sah sich getäuscht. Die offenkundige Not ließ sie handeln – und wie: Claudio Pizarro soll den effzeh aus dem selbst verschuldeten Jammertal führen. Richtig gelesen: Claudio Pizarro, der bald 39-jährige Fußballrentner, seit nahezu einem halben Jahr ohne Einsatz und ohne Mannschaftstraining. Der Claudio Pizarro, der in einer für ihn verletzungsgeplagten Vorsaison bei Werder Bremen in 19 (zumeist ziemlich kurzen) Einsätzen einen einzigen Treffer erzielt hatte. Der Claudio Pizarro, der an der Weser aufgrund der fehlenden sportlichen Perspektive und eines schier grotesken Preis-/Leistungsverhältnisses ausgemustert wurde.
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Bei vielen effzeh-Fans stößt diese Verpflichtung des Peruaners auf Beifall. Klar: Die „Geißböcke“ sind vor dem Tor so gefährlich wie eine Herde Schafe auf den Poller Wiesen, der bald 39-Jährige hat seinen Torriecher in der Bundesliga bereits eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Wer sich durch die Kommentarspalten in den sozialen Medien liest, kann den Eindruck bekommen, der effzeh hätte einen neuen Heiland verpflichtet. Der Messias-Glaube, rund ums Geißbockheim eigentlich ad acta gelegt, ist zurück. Dass der mittlerweile zum reinen Strafraumstürmer mutierte Routinier bei der spielerischen Armut, die die Stöger-Elf aktuell auszeichnet, vermutlich gar nicht erst sinnvoll in Abschlusssituationen gebracht werden wird? Geschenkt!
Panikkauf ein vernichtendes Urteil für den Transfersommer
Dieser Panikkauf, der an einstige Verpflichtungen von Jörg Heinrich, Evanilson oder Vasilios Tsiartas erinnert, stellt den Transferbemühungen des 1. FC Köln in der jüngsten Vergangenheit jedenfalls ein vernichtendes Urteil aus. Weder ist dem Verein im Sommer gelungen, das Team auf den notwendigen Positionen sinnvoll zu ergänzen noch konnte der Abgang von 25-Tore-Stürmer Anthony Modeste adäquat aufgefangen werden. Die Idee, mit Jhon Cordoba auf jemanden zu setzen, der in seiner gesamten Karriere nie mehr als sechs Saisontore zustande brachte, ist offenbar schon nach wenigen Spieltagen gescheitert. Die weiteren Optionen in der Offensive strotzen erwartungsgemäß ebenso nicht vor Torgefahr.
Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images
So steht der 1. FC Köln ohne auch nur einen einzigen Spieler da, der das Zeug zu einer Zehn-Tore-Saison besitzt, und hat dazu eine Spielanlage, die nicht gerade als offensiv-fördernd bezeichnet werden kann. Selbst bei einem Sturmlauf wie in der zweiten Hälfte gegen Roter Stern konnte der geneigte effzeh-Fan die klassischen Mittelstürmer-Szenen an einer Hand abzählen. Zu glauben, ein 39-jähriger Fußballrentner ohne Spielpraxis könnte diese Schwächen zumindest bis Winter kaschieren, ist der Ausdruck tiefster Verzweiflung. Zu hoffen, dass eben dieser die Mannschaft auf und auch neben dem Platz weiterbringen kann, ohne das fragile Teamgebilde ins Wackeln zu bringen, ist ein dickes Ding. Apropos: Was macht eigentlich Maniche gerade?