Folge uns
.

Meinung

Kollektiv ins Klischee

“Wilde Horde” und “Coloniacs” verlassen die “AG Fankultur”. Leider bedienen die Ultra-Gruppen damit fast jedes Klischee über ihre Zunft. Ein Kommentar von David Schmitz.

Foto: Dirk Unschuld

Nach durchaus streitbaren Strafen seitens des 1. FC Köln verlassen “Wilde Horde” und “Coloniacs” die “AG Fankultur”. Leider bedienen die Ultra-Gruppen damit fast jedes gängige Klischee über ihre Zunft. Ein Kommentar von David Schmitz.

Foto: Dirk Unschuld

Foto: Dirk Unschuld

Am Sonntagvormittag trat ein, was eintreten sollte: Die “Wilde Horde” und die “Coloniacs” verabschiedeten sich aus der “Arbeitsgruppe Fankultur”. Dieser Schritt hatte sich bereits in der letzten Woche angedeutet (effzeh.com berichtete). Doch spätestens als am Sonntagabend dann auch die größte Kölner Boulevardzeitung pseudo-exklusiv über den Ausstieg berichtete, war klar: Der Dialog zwischen Ultras und Verein ist vorerst beendet.

Der Klub nimmt diese Entscheidung in größtmöglicher Stille hin. “Die AG lebt weiter mit einer Vielzahl von Fanklubs, und die Tür bleibt für alle offen”, erklärte Präsident Werner Spinner gegenüber dem “Kölner Stadtanzeiger”. Mehr Stimmen oder gar eine offizielle Stellungnahme gab es nicht. CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, ebenfalls Mitglied in der “AG Fankultur” schlägt gegenüber dem gleichen Blatt in eine ähnliche Kerbe: “Der Verein hat wirklich alles für den Dialog getan – mehr Mühe kann man sich nicht geben.”

Unwahr ist diese Behauptung nicht: Als die “AG Fankultur” im Jahr 2012 auf Drängen von Spinner gegründet wurde, stellte sie ein Novum in der deutschen Fußballlandschaft dar: Eine Diskussionsrunde zwischen Fans, Klub und Polizei auf Augenhöhe hatte es in dieser Form noch nicht gegeben. Das Projekt zeigte schnell, dass es erfolgreich sein kann. Die letzten beiden Jahre verliefen auch prompt ohne größere Vorfälle – bis zum Derby in Mönchengladbach.

“Wir sind gegen Kollektivstrafen”

Die Strafen und Maßnahmen, für die sich der 1. FC Köln nach dem großen Knall in Gladbach entschieden hatte, kann man kritisch sehen. So verwundert es auch wenig, dass Werner Spinner dieser Tage gerne mit einem Satz von 2012 zitiert wird. “Wir sind gegen Kollektivstrafen” sagte der damals noch recht frisch-gewählte FC-Präsident und erntete dafür (zurecht) Beifall – derartige Sanktionen verpuffen oft wirkungslos. Schlimmer noch: Sie heizen die Stimmung weiter auf.

Doch auf die vermeintlichen Kollektivstrafen mit dem geschlossenen Austritt aus dem Dialog zu reagieren, erscheint kindisch. Natürlich mögen Teile der Ultras dem Verein sein Vorgehen übel nehmen – deshalb auf Support und Kommunikation zu verzichten, bleibt jedoch eine reine Trotzaktion. “Auge um Auge, Kollektivstrafe um Kollektivstrafe” ist offenbar die Devise.

Es ist dieser Trotz, der den Ultra-Gruppen immer wieder zum Verhängnis wird. Es heißt dann, man wolle sich nun zunächst “selbstkritisch” beraten – doch bis das geschehen ist, lässt man die Mannschaft im Regen stehen. Das sei zwar kein “Königsweg”, aber notwendig – die “Enttäuschung” über den Verein sei dermaßen groß, dass man sich kaum in der Lage sehe das Team zu unterstützen.

Dass derweil “Boyz”-Mitglieder munter beim Revierderby in Dortmund rumlaufen und prompt medienwirksam von der Polizei festgesetzt werden, untermauert die gängigen Klischees nur noch mehr: Trotzig, kindisch, unkontrollierbar, konfliktsuchend, egozentrisch und selbstgerecht – das dürften ungefähr die Worte sein, mit denen die Mehrheit “die Ultras” beschreiben würde.

Unterschiedliche Fraktionen

Doch das gilt eben nicht für alle. “Die Vertreter der Ultras haben uns darauf hingewiesen, dass es innerhalb ihrer Gruppen unterschiedliche Fraktionen mit vielen Meinungen gebe”, führt Bosbach im “Kölner Stadtanzeiger” aus. “Sie haben ganz offen gesagt, dass es Leute gibt, die sich von den Ergebnissen der AG nicht beeindrucken lassen. Und dass sie auf diese Leute keinen Einfluss haben”, heißt es weiter. Die gesamte Ultra-Szene verurteilen will der CDU-Politiker auf keinen Fall.

Doch so differenziert wie Bosbach, der durch seine Beteiligung an der “AG Fankultur” nah am Thema ist, dürfte die unbeteiligte Mehrheit das nicht sehen. Wie bei jedem Stimmungsboykott in der Vergangenheit auch, wird das Verhalten der Ultras hauptsächlich als Egozentrik und Selbstgerechtigkeit wahrgenommen. Der Ausstieg aus der “AG Fankultur” als purer kindischer Trotz.

Kein Wunder: Auch wenn man den Sanktionen seitens des Klubs kritisch gegenüber steht, ändert das nicht die Tatsache, dass diese lediglich eine Reaktion waren. Ob eine maßvolle oder nicht, das hätte man in der “AG Fankultur” diskutieren können. Die Aktion, und damit der erste Regelbruch, ging von der Fanszene aus. Darüber kann man nicht diskutieren.

Klischees verfestigen sich

So braucht man sich im Ultra-Lager nun auch nicht wundern, wenn der Ausstieg aus der “AG Fankultur” eher mit einem Achselzucken zur Kenntnis genommen wird. “Vielleicht werden sich diejenigen in einigen Wochen die Frage stellen, ob das wirklich eine kluge Entscheidung war”, erklärt Bosbach und fügt an: “Ich hoffe, dass der Gesprächsfaden nicht ganz abreißt.”

Es ist nun an den Ultras, den Worten auch Taten folgen zu lassen. Denn ein paar Wochen Stille in der Südkurve erscheinen durchaus verkraftbar, sollten die Gruppen die Zeit tatsächlich dafür nutzen, selbstkritische und erwachsene Konsequenzen zu ziehen. Und wenn nicht? Dann verfestigen sie weiterhin die Klischees, die sie selbst am meisten hassen.

Mehr aus Meinung

.