Die Art seines Abgangs passt perfekt zu Jörg Schmadtke, das zeigen jüngere und ältere Vergangenheit. Dennoch ist die Trennung für den 1. FC Köln auch eine Chance – ein möglicher Nachfolger steht außerdem bereit.
Es war ein verrückter Montag in Köln. Nicht nur, dass erst Sehrou Guirassy mit einem angeblich erfolglosen Versuch sein Trikot nach dem Spiel gegen Bremen bei den Fans loszuwerden und dann Mats Hummels mit einem angeblich hämischen, aber eigentlich ziemlich unspektakulären Tweet über den 1. FC Köln in den Fokus der mal wieder überaus überdrehten Online-Sportberichterstattung gerieten. Nein, am Abend sorgte dann auch noch der Club selbst für den ziemlich unerwarteten Höhepunkt des Tages. Jörg Schmadtke und der 1. FC Köln lösen den Vertrag in beiderseitigem Einvernehmen auf, verkündete man plötzlich am Geißbockheim.
Verantwortlich für die Trennung war effzeh.com-Informationen zufolge nicht der 1. FC Köln, vielmehr war es Schmadtke selbst, der am Montagnachmittag auf die Vertragsauflösung drängte. FC-Präsident Werner Spinner bestätigte das am Dienstagmittag. Das mag angesichts der jüngsten Aussagen des nunmehr ehemaligen Kölner Geschäftsführers zunächst einmal überraschen.
Schmadtke: “Das Recht, Dinge zu korrigieren”
„Ich finde, dass man uns das Recht zugestehen muss, die Dinge zu korrigieren“, sagt der 53-Jährige kürzlich noch. Selbst am Montagnachmittag stärkte Schmadtke Peter Stöger den Rücken, eine Trainerdiskussion gebe es beim 1. FC Köln nicht. Und auch nachdem es beim Europa-League-Spiel in Borisov zu „Schmadtke raus!“-Gesängen in der Kölner Kurve gekommen war, schien der profilierte Fußball-Manager nach außen hin noch unbeeindruckt. „Egal ist mir das nicht, aber es macht nichts mit mir“, sagte Schmadtke und wertete die Gesänge gegen seine Person und die Pfiffe nach dem Spiel als Ausdruck von Frustration über den bisherigen Saisonverlauf, der nun mal das greifbarste Ziel treffe. Tatsächlich stand der Kölner Manager schon seit Wochen in der Kritik.
Nicht nur die – mittlerweile ausreichend analysierte – mangelhafte Kaderplanung, die sich nicht erst im vergangenen Sommer zeigte, sondern mindestens schon im Vorjahr ersichtlich wurde, und die damit in Verbindung stehende sportliche Talfahrt sorgten dafür, dass Schmadtke erstmals seit seiner Ankunft in Köln negativ im Fokus stand. Sein Umgang mit seinem Anteil an der Krise sorgte nicht für eine wesentliche Entspannung.
Schmadtke in der Opferrolle?
Dafür, dass der Geschäftsführer bis zuletzt offenbar Probleme hatte, die kritischen Stimmen ernsthaft anzunehmen, sprechen nicht nur die immer zahlreicher gewordenen Stimmen rund ums Geißbockheim, die Schmadtke Egotrips und Beratungsresistenz vorwarfen. Bereits am Mittwoch der vorherigen Woche zeigte er, dass er sich bis zuletzt offenbar eher als Opfer wahrgenommen hat. Die Folgen der sportlichen Krise beschrieb der 53-Jährige beim „Sparkassen-Sporttalk“ in Wuppertal anscheinend mit drastischen Worten. „Eine mediale Hexenjagd, wie er es sieht, für viele in Köln sei er der meist gehasste Mann“, so fasste Stadtzeitungs-Autor Siegfried Jähne Schmadtkes Aussagen schließlich zusammen.
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Doch auch in Schmadtkes Vergangenheit finden sich Hinweise darauf, dass der Fußballmanager am Ende offenbar einfach keine Lust mehr gehabt haben könnte. Vor gut zwei Jahren analysierte Christopher Kohl für effzeh.com bereits die vorherigen Stationen des Kölner Machers. Sowohl in Hannover als auch in Aachen war es Schmadtke selbst, der die Zusammenarbeit mit den Clubs beendete. Bei den Niedersachsen war der Entscheidung ein öffentlicher Streit mit dem damaligen Trainer Mirko Slomka voraus gegangen, in der Kaiserstadt verkündete Schmadtke vor laufender DSF-Kamera seinen Abschied.
„Schmadtke soll beispielsweise abgelehnt haben, seinen Vorgesetzten Einblicke in seine Arbeit zu gewähren, darüber hinaus häufig auf stur geschaltet, ein für Aachener Verhältnisse exorbitant hohes Gehalt bezogen, regelmäßig in der Öffentlichkeit Giftpfeile gegen den Aufsichtsrat abgeschossen und interne Streitereien öffentlich ausgetragen haben“, so lauteten in Aachen damals die Vorwürfe gegen den bei all seinen Clubs stets erfolgreichen Geschäftsführer. Auch in Köln scheint es am Ende nun vor allem an der zwischenmenschlichen Zusammenarbeit gescheitert zu sein, wenngleich Schmadtkes sportliche Fehler natürlich ebenfalls eine Rolle gespielt haben dürften.
Schmadtke gibt nicht den Buhmann
Schmadtke, plötzlich in der ungewohnten Rolle des Buhmanns, fühlte sich beim 1. FC Köln offenbar nicht mehr wohl. Ob das erneut sieglose Spiel gegen Bremen, die anhaltend kritische Berichterstattung, die club-internen Reibungen oder einfach eine merkwürdige Art von (egozentrischem) Stolz am Ende den Ausschlag gegeben hat, weiß vermutlich nur Jörg Schmadtke selbst. Anzeichen dafür, dass der Verein seinen Geschäftsführer feuern wollte, gab es jedenfalls keine.
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Vollkommen klar ist allerdings, dass es richtig von Werner Spinner und Co. ist, die Trennung unter diesen Umständen sofort durchzuziehen. Ein Geschäftsführer, der behauptet, Fehler, die er nur widerwillig einräumen wollte, korrigieren zu wollen, und keine drei Tage später die Brocken plötzlich hinschmeißen will, hätte dem Verein in der angespannten sportlichen Lage ohnehin nichts genutzt. Mit Jörg Jakobs stände außerdem ein geeigneter Kandidat für die Nachfolge bereit – eine externe Lösung braucht es nicht einmal.
Am Dienstag wurde der 47-Jährige dann auch prompt als sportlicher Leiter eingesetzt. Zusammen mit Trainer Peter Stöger soll Jakobs zunächst die Kaderplanung für den Winter übernehmen. Der Club, so erklärte Spinner, wolle sich nun in Ruhe Gedanken über einen Nachfolger Schmadtkes machen. Das muss er eventuell aber gar nicht. Jakobs als Dauerlösung, das zeigt die Vergangenheit, ist schließlich eine durchaus denkbare Option.
Ein möglicher Nachfolger steht bereit
Der 47-Jährige arbeitete unter Schmadtke in Hannover, wechselte dann vor seinem Chef zum 1. FC Köln und bekleidete die Rolle des sportlichen Leiters bis Schmadtke schließlich im Juli 2013 in die Domstadt folgte. Kevin Wimmer, Anthony Ujah, Matthias Lehmann, Dominic Maroh, Patrick Helmes, Marcel Risse und Jonas Hector kamen als der vorherige 96-Chefscout allein am Ruder war.
[interaction id=”59ee53e0d9a8b50001c8b6b4″]Nach Schmadtkes Ankunft wurde Jakobs zunächst Chefscout und war weiterhin maßgeblich an den Transfers für die Profi-Mannschaft beteiligt. Im Sommer 2016 verschwand Jakobs dann schließlich aus der Kaderplanung des Profi-Teams und wurde mit der Leitung der Nachwuchsabteilung des Vereins betraut. Zuvor hatte der effzeh unter anderem 2014 noch Yuya Osako, Kevin Vogt, Simon Zoller, Mergim Mavraj, Pawel Olkowski und 2015 schließlich Anthony Modeste, Milos Jojic, Leonardo Bittencourt, Frederik Sörensen und Dominique Heintz verpflichtet. Wie einflussreich Jakobs bei einzelnen Transfer tatsächlich war, ist freilich nicht bekannt. Dennoch erscheint die Transferbilanz stets recht ansehnlich, wenn der Stöger-Entdecker die Finger im Spiel hatte. Es dürfte also durchaus schlechter geeignete Kandidaten als den aktuellen Leiter der Nachwuchsabteilung, dessen Vertrag im kommenden Sommer ausläuft, geben. Ob Jakobs den Job allerdings auch haben will, ist offen.
Schmadtke Nachfolger: Jakobs als Dauerlösung?
Doch auch wenn dieser Montag schwer an das Chaos der alten Zeiten erinnern mag, kann das Ergebnis für den 1. FC Köln durchaus ein gutes werden. Das Bekenntnis zu Trainer Peter Stöger scheint beim Vorstand nicht zu wackeln. Und vielleicht kann, so profan es auch klingen mag, dieser dann doch eher ungewöhnliche Abgang des Geschäftsführer tatsächlich ein Impuls für den Verein sein, sich wieder auf das Wesentliche konzentrieren zu können: Den erneuten Abstieg als gefestigte Einheit aus Mannschaft, Trainerteam, Belegschaft und Fans mit allen Mitteln zu vermeiden.
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Diesem Gedanken wollte sich Schmadtke offensichtlich nur unterordnen, so lange die Erfolgsgeschichte des 1. FC Köln unter seiner Regie Saison für Saison rosiger wurde. Die Kritik annehmen und dann den Karren aus dem Dreck ziehen, dafür war Jörg Schmadtke dann aber am Ende offenbar doch (mal wieder) zu stolz. Spürbar Schmadtke – bis zum Schluss. Dann gilt wohl doch die alte Weisheit: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.