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Fankultur

Was wird aus dem Gästekontingent?

Die Innenminister diskutieren eine Verringerung der Gästekontingente – eine schlechte Idee, findet effzeh.com

Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

1700. So viele Zuschauer sollen es tatsächlich gestern gewesen sein, die dem tabellarisch an sich recht ansprechenden Duell zwischen dem Tabellensechsten (AS Monaco) und –zweiten (SM Caen) in Frankreichs Ligue 1 verfolgten.

Zugegeben, die Distanz von knapp 1200 Kilometern an einem Mittwochabend sorgt nicht gerade für Begeisterungssprünge der Auswärtsfans, doch seit den Anschlägen von Paris sind Auswärtsreisen für französische Fußballfans generell verboten. Laut eines Dekrets des Innenministeriums dürfen Gästefans ihrer Mannschaft bis Mitte Dezember nicht mehr hinterher reisen, was durch den Mangel an Sicherheitspersonal im Zuge des verhängten Notstands und der Weltklimakonferenz in Paris gerechtfertigt wird. In Monaco hätten zwar gestern auch ohne Verbot wahrscheinlich keine 15.000 Zuschauer das Spiel verfolgt, allerdings ist die Zahl von 1700 Personen bei einem Spiel in einer der großen europäischen Ligen beängstigend.

Der Zusammenhang zwischen einer Reduzierung der Auswärtsfans und der Belastungen des Sicherheitspersonals ist auch in Deutschland schon seit längerem präsent und diese Woche wurde bekannt, dass er anlässlich der 203. Innenministerkonferenz in Koblenz erneut unter die Lupe genommen wird. Im Vorfeld hieß es, dass Nordrhein-Westfalens Innenminister Jäger die derzeit herrschende Kontingentierung herabsetzen möchte, um die Belastungen des Sicherheitspersonals zu verringern. Momentan stehen den Fans der Gastmannschaft zehn Prozent der Tickets zu, im Zuge der Konferenz soll ein Vorschlag eingebracht werden, dass weniger Fans Karten für ein Spiel ihrer Mannschaft werden kaufen dürfen.

Gleichermaßen sollen ebenfalls Kartenverkäufe für die Spiele eingeschränkt werden, bei denen erwartet wird, dass nicht genügend Einsatzkräfte zur Sicherstellung der öffentlichen Ordnung vorhanden sein werden. Dies würde dann ebenfalls Spiele betreffen, die erwartungs- und erfahrungsgemäß friedlich verlaufen (beispielsweise ein Duell zwischen Sandhausen und dem FSV Frankfurt).

In diese Debatte schaltete sich dann in dieser Form recht überraschend der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) ein: Arnold Plickert, seines Zeichens Chef der GdP in Nordrhein-Westfalen, schlug moderate Töne an und hielt fest, dass Fußballanhänger nicht pauschal für die Personaleinsparungen bei der Polizei bestraft werden dürften. Eine Reduzierung des Kontingents bei Nicht-Risiko-Spielen wäre für Plickert eine „Bankrotterklärung der Sicherheitspolitik“, was sicherlich kaum treffender hätte formuliert werden können.

Normalerweise erwartet man nach den Worten „Gewerkschaft“, „Polizei“, „Fußballfans“ die gewohnt scharfzüngigen Äußerungen Rainer Wendts, welcher in seiner Funktion als Boss der zweiten großen deutschen Polizistengewerkschaft (DPolG) in schöner Regelmäßigkeit relativ steile Thesen bezüglich der Sicherheitspolitik rund um Fußballstadien in die öffentliche Diskussion einwirft und dabei nicht selten verbrannte Erde hinterlässt.

Das Thema wird Fußballdeutschland allerdings noch auf absehbare Zeit beschäftigen, da die Polizeigewerkschaften regelmäßig versuchen, die Fankultur in Deutschland zu beschneiden. Die Forderung nach mehr Personal gehört dabei seit Jahren zu den Kernanliegen, was sich kürzlich durch die Entwicklungen der Flüchtlingssituation in Deutschland und dem Schutz vor Terrorismus noch einmal potenziert hat.

Dass aber Auswärtsfans das ausbaden müssen, hält zumindest Arnold Plickert für falsch. Das ist einerseits positiv, andererseits aber auch wohl politisches Kalkül, da Plickert sehr wohl weiß, dass Spiele mit geringerem Gästekontingent nicht automatisch für weniger Bedarf an Sicherheitspersonal sorgen. Die Sensibilität der Fanszene im Umgang mit diesem Thema zeigte sich kürzlich anlässlich des Derbies des effzeh gegen Mönchengladbach und im Ruhrpottderby zwischen Dortmund und Schalke, als jeweils die Gästefans den Spielen fernblieben.

Es wird abzuwarten bleiben, inwieweit die Politik die jüngsten Entwicklungen in ihre Entscheidungsfindung einarbeitet, allerdings muss in deutlicher Form davor gewarnt werden, die Terroranschläge in Paris in irgendeiner Form für eine Restriktion der Fankultur in Deutschland zu instrumentalisieren. Sonst haben wir irgendwann Verhältnisse wie aktuell in Frankreich. Ob dort das Reiseverbot für Auswärtsfans wirklich schon Mitte Dezember ausgesetzt wird, mag ich an dieser Stelle stark bezweifeln.

Faszination Fankurve möchte jedenfalls nicht untätig bleiben und hat eine Petition gestartet, die wir wärmstens empfehlen.



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