Mit 1:2 verlor der 1. FC Köln das Play-Off Hinspiel gegen den ungarischen Vertreter Fehérvár FC im ausverkauften Müngersdorfer Stadion am Donnerstagabend. Ein enttäuschendes Resultat, das Ergebnis im Rückspiel allerdings noch zu drehen, erscheint auch aufgrund des unglücklichen Spielverlaufs im Hinspiel nicht unmöglich.
Nicht verzichten möchte der 1. FC Köln auch aus diesem Grund in diesem wichtigen Playoff-Rückspiel in Ungarn am nächsten Donnerstag auf möglichst viele seine Fans in der 14.250 Zuschauer fassenden MOL Aréna Sóstó in Székesfehérvár. Nach UEFA-Regularien stehen den Gästefans bei europäischen Spielen 5% der Tickets zu, dies wären in diesem Fall etwas über 700 Tickets. In Anbetracht der kölschen Reiselust ist dies sehr wenig, zumal bei Heimspielen des Fehérvár FC das Stadion nie ansatzweise ausverkauft ist. Laut transfermarkt.de kamen zum ersten Heimspiel der Saison gegen Honved 3.500 Fans, in den bisherigen Conference-League Qualifikationsspielen gegen Qabala und Petrocub fanden 4.750 bzw. 3.365 Fans den Weg in die heimische Aréna Sóstó. Selbst wenn man annimmt dass ein Spiel gegen die Geißböcke ein vielfaches an Zuschauern anzieht, erscheint es unwahrscheinlich das mehr als 10.000 Heimfans am kommenden Donnerstag ihren Fehérvár FC unterstützen würden.
FC-Fans wurden wie immer kreativ, um an Tickets für ein europäisches Auswärtsspiel zu gelangen
Die Ungarn machten ihren Fans daher in den vergangenen Wochen möglichst niedrigschwellige Angebote, um sie ins heimische Stadion zu locken. So konnte, wer ein Ticket in der 2. Qualifikationsrunde gegen Qabala gekauft hatte, sein Ticket für die dritte Runde gegen Petrocub auf der vom Verein lizensierten Ticketverkaufshomepage jegymester.hu/ per Mausklick verlängern. Und, so das Angebot des Vereins, das selbe Vorkaufsrecht gälte für eine weitere Qualifikationsrunde, sollte man sich den Vertreter aus der Republik Moldau durchsetzen. Ein Angebot, dass nach der Auslosung der Playoffs in Köln nicht lange unentdeckt blieb. Und so kauften sich viele FC-Fans kurzerhand Tickets für das Spiel Fehérvár FC vs. Petrocub, um im Falle eines Weiterkommens der Ungarn ihr Ticket gegen den FC sicher zu haben. Kostenpunkt für Tickets auf der Gegengerade in dieser dritten Qualifikationsrunde: Umgerechnet etwa 7€.
Eine ungeahnte deutsche Finanzspritze für den ungarischen Klub aus der Provinz, dem Investorenklub gefiel die Kreativität der Kölner Fans jedoch eher weniger. Und so erhöhte er die Hürden für den Online-Vorverkauf im Nachhinein drastisch: Nötig war für das Kaufen eines Heimspieltickets gegen den FC nun eine sogenannte Klubkarte, die zwar ledlich umgerechnet 1,20€ kostet, die man jedoch am Stadion selber abholen muss. Und selbst am Ticketschalter am Stadion selber verlangt man eine Dauerkarte, eine Clubkarte oder ein Ticket für die 3. Qualifikationsrunde. Auch zog der Verein die Kosten an, ein Ticket auf der Gegengerade auf Höhe der Mittellinie kostet für das Playoffspiel umgerechnet rund 12€, in der Heimkurve sind die Preise mit 11€ etwas günstiger. Die Preise lassen sich auch auf der Homepage des Vereins einsehen. Für ungarische Verhältnisse ist dies ein stolzer Preis! Und für FC-Fans ohne Kontakt nach Székesfehérvár wird es auf diese Weise nahezu unmöglich gemacht, Tickets über den Heimverein zu beziehen, auch weil der Verein kommunizierte, am Spieltag selber keine Tickets mehr zu verkaufen. Außerdem müssen Tickets nach ungarischem Recht personalisiert werden.
Der ungarische Verein will das Stadion mit möglichst seinen eigenen Fans füllen und keine Gästefans in den Heimbereichen oder neutralen Bereichen des Stadions. Dies ist erstmal legitim. Allerdings sollte es auch nicht im Interesse von beispielsweise Sicherheitsbehörden sein, lediglich 5% der Tickets nach Köln zu geben, weil tausende Kölner im Zweifel auch ohne Ticket anreisen würden und dann vor einem halbausverkauften Stadion im Dunkeln ständen. Für den Verein wären dies auch versäumte Einnahmen.
Es war und ist also eigentlich im Interesse aller Parteien, dem Gästeverein unter diesen Umständen ein größeres Kontingent zur Verfügung zu stellen. Vertreter von Fehérvár FC und des 1. FC Köln verhandelten daher in den vergangenen Tagen über ein größeres Kontingent als die 5%. Rund um das Hinspiel am Donnerstagabend einigte man sich schließlich auf ein Kontingent, die exakten Rahmenbedingungen und Verabredungen, mit welchen die FC-Delegation die mehr als 5% bekamen, wurden bislang nicht kommuniziert.
Der Ticketpreis für den Gästeblock ist kaum rechtmäßig zu nennen
„Du hast gewonnen!“, so die Überschrift in der Mail für der Glücklichen am Freitagnachmittag, welche ein Ticket zugelost bekamen. Die genaue Preisgestaltung wurde in der E-Mail nicht mitgeteilt. Wer daraufhin jedoch in den Ticketshop ging um sich seinen Gewinn abzuholen, der staunte vermutlich nicht schlecht: 38,50€ kostet ein Ticket im Auswärtssektor für das Conference League Play-Off Spiel in Székesfehérvár. Ein äußerst stolzer Preis. Und wohl ein Verstoß gegen das UEFA-Sicherheitsreglement!
Im Reglement der UEFA Conference League heißt es in Artikel 38 „Eintrittskarten“ nämlich: Heimvereine müssen mindestens 5 % des von der UEFA genehmigten Gesamtfassungsvermögens ihres Stadions – in einem abgetrennten, sicheren Sektor – den Anhängern des Gastvereins vorbehalten. Eintrittskarten für diesen Sektor müssen gemäß den Bestimmungen von Artikel 20 UEFA-Sicherheitsreglement verkauft werden. Der Preis für diese Eintrittskarten für Anhänger des Gastvereins darf in keinem Fall mehr als EUR 35 betragen.
Klickt man sich dann in den entsprechenden Artikel 20 des UEFA-Sicherheitsreglement, so ließt man dort unter anderem: „Die Preise für Eintrittskarten der Fans der Gastmannschaft dürfen nicht höher sein als jene für Eintrittskarten einer vergleichbaren Kategorie, die den Fans der Heimmannschaft verkauft werden.“
Die Preise sind also erstmal ein Verstoß gegen UEFA-Richtlinien, da sie um ein vielfaches teurer sind als die ungerechnet etwa 11€, die man für ein Ticket in der Heimkurve des Stadion zahlt. Dass die 38,50€ sich vermutlich aus 35€ plus 3,50€ VVK-Gebühren durch den 1. FC Köln zusammensetzen, mag den Preis im Hinblick auf die 35€-Obergrenze juristisch legal machen, legitim macht er ihn für ein Conference Playoff-Spiel jedoch weniger. Und es zeigt, dass der Preis kein Zufall ist und die beteiligten Personen wussten, dass diese Obergrenze existiert.
Die Ungarn können sich dabei auch nicht darauf berufen, dass die Playoffs noch kein offizieller UEFA-Wettbewerb sind. In Artikel 1 des Reglements der UEFA Conference League heißt es eindeutig: „Im vorliegenden Reglement werden die Rechte, Pflichten und Verantwortungsbereiche aller an der Vorbereitung und Organisation der UEFA Europa Conference League 2022/23 einschließlich ihrer Qualifikationsphase und Playoffs (nachfolgend „Wettbewerb“) beteiligten Parteien festgelegt.“
Allerdings definiert Artikel 20 des UEFA-Sicherheitsreglements auch Außnahmen von der Tatsache, dass der Preis für den Gästesektor höchstens so hoch sein darf wie vergleichbare Sektoren im Heimbereich: “Davon ausgenommen sind Eintrittskarten für Saisonkarteninhaber, Mitglieder eines Fanklubs oder Eintrittskarten, die im Rahmen von Werbeaktionen verkauft werden.”
Hat man es im vorliegenden Fall mit einer dieser Ausnahmen zu tun? Geht man das Procedere des Kartenverkaufs durch, so stellt man fest: Im Rahmen einer Werbeaktion wurden die Tickets nicht verkauft. Saisonkarteninhaber sind berechtigt Tickets zu kaufen und ob man mit der Klubkarte als Fanklubmitglied gilt, ist nicht bekannt. Außerdem ist bei jegymester.hu, der vom Verein lizensierte Onlineshop, beim Kartenkauf an einer Stelle der Hinweis hinterlegt: “If you are not a Hungarian citizen, you can purchase tickets without Club Card at the stadium box offices.”
Um die in Artikel 20 formulierten Ausnahmen geltend zu machen, müsste man also sämtliche Käufer in einen Fanclub zwängen, welcher die Klubkarte sein könnte, um dann zu argumentieren diese bekämen einen Rabatt von den eigentlich 35€, die ein Ticket in der Heimkurve kostet. Allerdings können wie bereits beschrieben laut Hinweis auf jegymester.hu Ausländer Tickets ohne Klubkarte am Ticketschalter in Székesfehérvár kaufen. Und, wie der Verein kurzfristig bekanntgab, können auch Inhaber der sogenannten MLSZ-Karte ebenfalls bis Montagabend begrenzt Tickets kaufen. Dies ist eine Karte, welche der ungarische Verband online und kostenlos ausstellt, mit zwei Werktagen Bearbeitungszeit erhält man per Mail eine Karte samt PIN. Und mit dieser Karte ist man wohl kaum Mitglied eines Fanclus von Fehérvár.
Der Kauf eines Tickets am kommenden Donnerstag ist also bestimmte Bedinungen geknüpft. Dass die in Artikel 20 formulierten Ausnahmen greifen, darf man allerdings bezweifeln. Die Ticketpreise auf der Homepage des Vereins oder sonstwo geben keinerlei Hinweise darauf, dass es überhaupt theoretisch möglich ist, Tickets im Wert von 35€ für die Heimkurve zu zahlen.
Und am Ende ist es auch so: Selbst wenn die Ungarn die Karten also über die Ausnahmeregelungen begründen könnten, so legen sie sich die Regeln doch mindestens so zurecht wie sie es gerade benötigen und suchen bewusst ein moralisch nicht zu argumentierendes Schlupfloch. Artikel 20 ist geschaffen worden, um gerade derartige Preisgestaltungen zu vermeiden. Warum und ob der 1. FC Köln bei den Verhandlungen um ein größere Ticketkontingent den Preis von 38,50€ akzeptierte, ist im übrigen nicht bekannt. Nichts gewusst haben von den Preisen dürfte er jedenfalls nicht, verkauft er die vermutlich gegen die Richtlinien der UEFA verstoßenden Karten über die vereinseigene Homepage.
Auch Salzburg verstieß dieses Jahr nach Ansicht von Fanorganisationen gegen UEFA-Richtlinien bei der Ticketpreisgestaltung
Die Obergrenzen der Ticketpreise für Gästefans wurden 2019 von der UEFA nach jahrelangen Fanprotesten und Druck durch Fanorganisationen (zum Beispiel dem „Football Supporters Europe FSE“) für Champions League und Europa League eingeführt und auch für die Conference League nach ihrer Einführung 2021 übernommen. Auch protestierten Fans lange im Stadion für ordentliche Ticketpreise, für Aufsehen sorgten beispielsweise die „twenty is plenty“-Proteste („Zwanzig Euro sind genug“) der Bayernfans bei Arsenal oder Liverpool inklusive großer Banner in den letzten Jahren.
Der aktuelle Fall ist nicht der erste Fall von zu hohen Ticketpreisen: So machten die Fans des FC Bayern bei ihrem Champions League Spiel in Salzburg Anfang dieses Jahres auf zu hohe Ticketpreise nach den geltenden Regularien aufmerksam, die UEFA nahm daraufhin Kontakt zu den Salzburgern auf, welche sich ihrerseits darauf beriefen, dass die Preise in “enger Abstimmung mit dem FC Bayern” gefällt wurden. Und dass man nicht nur ähnliche Preise für das Rückspiel in der Allianzarena vereinbart hätte, sondern diese Preise auch nur für den unteren Bereich des Gästeblocks gegolten hätten. Eine Argumentation, die übrigens weder Fehérvár FC noch der 1. FC Köln für den aktuellen Fall geltend machen können, da der angebotene Preis für den Gästeblock einheitlich bei 38,50€ liegt. Der Club Nr. 12, die Vereinigung aktiver FC Bayern Fans, forderte in einer Stellungnahme im Nachgang des Championsleague-Spiels eine Rückerstattung und schrieb: “Wir sind es leid, nach zwei Jahren Pandemie wieder bei Null anfangen zu müssen und uns immer wieder mit Selbstverständlichkeiten auseinandersetzen zu müssen, wenn eine faire Eintrittskartenpreisgestaltung unterlaufen wird.”
Wenige Wochen später legten sie noch einmal nach: […] wünschen wir uns von unserem Verein zukünftig in ähnlichen Situationen, bereits frühzeitig auf den Heimverein zuzugehen und einzuwirken sowie ggf. die UEFA einzuschalten, wenn die Eintrittspreis-Gestaltung deren Regeln derart zuwiderläuft. Sicherlich besteht in der Regel im Vorfeld des Spiels rechtzeitig ein Austausch zwischen den Ticketing-Abteilungen.
Mit einer fairen Eintrittspreisgestaltung hat man es im Falle des Rückspiels des Playoffs-Spiels beim Fehérvár FC in keinem Fall zu tun. Vielmehr wurden aufgrund der Tatsache, dass viele Kölner den Weg nach Ungarn antreten und der Heimbereich niemals ausverkauft ist, die Preise für den Gästeblock bewusst so gesetzt, dass man möglichst viel Geld schöpfen kann. Ein absolutes Unding, welches europäische Fanvertretungen eigentlich seit Jahren bekämpfen.