Trotz des sportlichen Absturzes hält der 1. FC Köln an Trainer Peter Stöger fest. Dennoch scheut der effzeh ein klares Bekenntnis und sitzt deshalb weiterhin zwischen den Stühlen.
Es war nicht die eine Niederlage, die zu viel war. Es war der Trend, die Entwicklung, der Absturz. Nach einer weiteren bitteren Pleite am Wochenende hatten die Verantwortlichen genug. Die Konsequenz folgte am Montag auf dem Fuß: Der Coach, in letzter und entscheidender Instanz für das Auftreten seines erfolglosen Teams verantwortlich, muss gehen. Doch es war nicht der 1. FC Köln, der sich von seinem Übungsleiter trennte, sondern die Kölner Haie, die nach einem 2:6 gegen München die Reißleine zogen und sich auf der Trainerposition veränderten.
Bei den „Geißböcken“ herrscht derweil trotz der desaströsen Bilanz von lediglich zwei Zählern aus zwölf Bundesliga-Spielen (!) Zwangsoptimismus. Auch nach dem desolaten 0:1 in Mainz, als der effzeh erst von den Unparteiischen im Stich gelassen wurde und dann selbst eine 20-minütige Überzahl nicht zu seinen Gunsten nutzen konnte, stand der Posten von Peter Stöger nicht zur Disposition. Eine hektisch vermeldete Krisensitzung entpuppte sich als lange geplantes Treffen zwischen dem Österreicher und den Klubverantwortlichen, die seit dem nicht eingeplanten Abgang von Sportchef Jörg Schmadtke nach einem Nachfolger fahnden. Einen Rücktritt aus eigenen Stücken schloss Stöger aus: „Wenn der Verein irgendwann eine Idee hat, wer es besser hinkriegt, dann drücken wir alle gemeinsam die Daumen, dass es repariert wird. Aber von mir aus hier davonzulaufen, das kann ich zu 100 Prozent ausschließen.“
Unterstützung von Wehrle und Schumacher
Auch die Vereinsführung stellte sich bewusst hinter seinen angesichts der Ergebnisse und Leistungen doch unter Druck geratenen Coach. „An jedem anderen Ort wäre der Trainer schon gewechselt worden. Aber Peter Stöger hat hier vier Jahre sehr erfolgreich gearbeitet, er hat großen Rückhalt in der Mannschaft und bei den Fans und wir wären nicht spürbar anders, wenn wir da schon den üblichen Mechanismen gefolgt wären“, ließ es sich Finanzgeschäftsführer Alexander Wehrle nach dem Mainz-Spiel nicht nehmen, selbst in dieses unterstützende Statement noch den Marketingclaim des Vereins einzubauen. Ein absolutes Bekenntnis zum Österreicher vermied er allerdings: „Peter wird die Mannschaft diese Woche wie gewohnt vorbereiten und auch gegen Arsenal und Hertha BSC auf der Bank sitzen“, erklärte Wehrle mit Blick auf das Europa-League-Spiel gegen die Gunners und die Liga-Partie gegen Berlin.
Das ist ein gefährlicher Schachzug für den effzeh: In den Medien war prompt von einer „Zwei-Spiele-Schonfrist“ für Stöger die Rede, so manch einer wollte ein Ultimatum seitens des Vereins herausgelesen haben. Da half auch nicht, was Toni Schumacher am Sonntag eiligst hinterherschob. „Wir wissen, dass aus den nächsten Spielen Punkte geholt werden müssen. Wenn das nicht der Fall ist, muss man sich zusammensetzen und überlegen, machen wir es wie Freiburg, die mit Streich in die zweite Liga gegangen sind“, sagt der effzeh-Vizepräsident. Eine Überlegung, die eventuell zu spät kommen könnte. Zwar sind die Bekenntnisse zu Stöger vielfach öffentlich geäußert worden, die letzte Konsequenz lassen sie aber vermissen. Das Saisonziel wurde schon längst korrigiert und in reinen Überlebenskampf in der Bundesliga geändert („Unser Ziel muss der Relegationsplatz sein“, Alexander Wehrle), doch eben eine solche Ansage, wie sie Schumacher in Aussicht stellt, hätte schon früher erfolgen sollen.
Peter Stöger ist aktuell nicht Christian Streich
Denn: Was könnte jetzt noch passieren, dass die fest gefasste Überzeugung der Vereinsverantwortlichen, Peter Stöger sei der richtige Mann für den Job, derart umkippen lassen könnte, dass eine Entlassung infrage kommt? Dann hätte der Verein Wochen inklusive einer Länderspielpause und vieler wichtiger Duelle verstreichen lassen, ohne einem neuen Coach die nötige Zeit zu geben. Es wäre quasi die schlechteste Lösung aller möglichen: Nicht nur hätte der effzeh den immer noch beliebten Trainer doch entlassen müssen, er hätte auch noch zu spät die Notbremse gezogen. Für viele bleibt nur noch eine Ausfahrt: Augen zu und durch! Auch angesichts des sportlichen Vakuums, das derzeit im Verein herrscht und den Planungen für den Winter und darüber hinaus nicht zuträglich ist, scheinen die „Geißböcke“ ihr Schicksal in Stögers Hände zu legen. Ein heikler Plan, der Probleme birgt – Freiburg ist bei allem Respekt schließlich nicht Köln.
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Und Peter Stöger ist aktuell nicht Christian Streich, genügend Kritikpunkte gegen das Wirken des Österreichers haben sich in der Krise, welch Wunder, angesammelt. Seien es eher absurde Anwürfe, der stoisch ruhige Trainer agiere an der Seitenlinie teilnahmslos, oder aber fundiertere Kritik an der taktischen Grundausrichtung oder der Formation: Sakrosankt ist Stöger längst nicht mehr bei allen effzeh-Fans. Die Nibelungentreue zu recht bieder aufspielenden Akteuren wie Kapitän Matthias Lehmann oder Konstantin Rausch, die im Vergleich dazu recht geringe Geduld mit jüngeren Spielern, die nicht immer allein durch Verletzungen begründeten Umstellungen in der Mannschaft, die positionsfremde Aufstellungen mancher Spieler wie Simon Zoller oder Yuya Osako, die spielerisch äußerst dürftigen Auftritte des Teams, die grotesk schwachen Standards, die Verletzungsprobleme innerhalb des Kaders: Die Mängelliste beim 1. FC Köln ist des Tabellenstandes angemessen.
Die Mannschaft steht hinter ihrem Trainer
Doch wie viel ist davon dem Trainer anzulasten, wie viel schlichtweg eine Frage der Qualität? Ist diese Mannschaft nicht besser als das, was sie Woche für Woche auf den Platz bringt? Es ist unter den Fans mittlerweile zur Glaubensfrage geworden, ob der effzeh an Peter Stöger festhalten soll. Ob ein Wechsel auf der Trainerposition den nötigen Impuls geben kann, ist genauso umstritten wie die Suche nach denkbaren Alternativen. Noch zehrt Stöger auch bei den Anhängern von seinen Meriten, die er in den letzten Jahren erworben hatte. Der Österreicher ist derzeit in seinem fünften effzeh-Jahr, für die „Geißböcke“ eine ungewohnt lange Zeit. Und eine ungewohnt erfolgreiche Zeit: Aufstieg auf Anhieb, zweimal souverän den Klassenerhalt eingefahren und dann der Sprung nach Europa. Eine Mannschaft, die den Namen verdiente. Taktisch unangenehm zu bespielen, spielerisch mit kleinen Schritten nach vorne. Auch neben dem Platz sammelte Stöger mit seinem Wiener Schmäh und seiner bodenständigen Art reichlich Punkte. Das alles soll nach etwas mehr als vier Jahren Geschichte sein?
Die Mannschaft steht jedenfalls hinter ihrem Chef, auch wenn sie das derzeit mit sportlichen Leistungen nicht untermalen kann. Eine Tatsache, die besonders Dominic Maroh nach der Mainz-Niederlage deprimierte: „Der Trainer ist die ärmste Sau, er hält die Ansprachen, macht alles akribisch, um uns jede Möglichkeit mitzugeben. Aber wir schaffen es nicht, es auf dem Platz umzusetzen und Tore zu machen. Es ist peinlich, nach so vielen Spielen nur so wenige Tore zu haben“, erklärte der Kölner Abwehrchef ehrlich. Eine solche Ehrlichkeit stünde dem effzeh auch in der Diskussion um den Trainer gut zu Gesicht: Will man mit Stöger weitermachen, im Zweifelsfall auch bis in die 2. Liga? Oder gibt es ein Ziel, das der effzeh-Coach bis Winter noch erreichen muss? Oder gibt es gar Überlegungen, noch vor dem Hinrunden-Ende zu handeln und die Reißleine zu ziehen? Der Verein täte gut daran, sich beim Spagat zwischen den Stühlen keine Muskelverletzung zu holen.