Lange hat der 1. FC Köln nach einer Verstärkung für die Innenverteidigung Ausschau gehalten. Wie schon in der Schaltzentrale, wo Birger Verstraete demnächst die Fäden im Kölner Spiel ziehen soll, wurden die “Geißböcke” auch diesmal in Belgien fündig: Vom Rekordmeister RSC Anderlecht wechselt U21-Nationalspieler Sebastiaan Bornauw (20) zum effzeh, der 1,91 Meter große Abwehrhüne erhält beim Bundesliga-Aufsteiger einen Fünfjahresvertrag und wird künftig mit der Rückennummer 33 für den dreifachen Deutschen Meister auflaufen.
Doch wer ist der junge Innenverteidiger überhaupt, für den der 1. FC Köln erneut tief in die Tasche greift? Auf welchen Spielertypen dürfen wir uns freuen, welche Persönlichkeit bringt das Anderlecht-Eigengewächs mit? Über diese Fragen und noch viel mehr sprechen wir mit Pieter-Jan Calcoen, Fußball-Reporter bei der größten belgischen Tageszeitung Het Laatste Nieuws. Neben der Nationalmannschaft berichtet Calcoen regelmäßig über den RSC Anderlecht und ist daher ein intimer Kenner des belgischen Rekordmeisters.
Pieter-Jan, Bornauw ist ein echtes Eigengewächs des RSC Anderlecht und stand in der vergangenen Saison nahezu durchgängig in der Startelf des belgischen Rekordmeisters. Warum lässt der Club ihn trotzdem gehen?
Anderlecht hat zwei neue Innenverteidiger verpflichtet – die belgische Fußballlegende Vincent Kompany kam von Manchester City als Spielertrainer, dazu wurde Philippe Sandler ausgeliehen. Der Club wollte Bornauw trotzdem nicht loswerden, ein Wechsel auf Leihbasis, den der 1. FC Köln angestrebt hatte, wurde abgelehnt. Erst als der FC das Angebot auf acht Millionen Euro erhöht hat, wurden die Violett-Weißen letztlich schwach. Die Aussichten in Köln haben Bornauw gereizt, zumal er keinerlei Garantien hatte, in Anderlecht einen Stammplatz zu haben.
“Bornauw hat einen wirklich guten Job erledigt in einer für Anderlecht sehr schwierigen Saison. Er war trotz seines jungen Alters einer der Führungsspieler auf dem Platz.”
Im Frühjahr redeten noch alle rund um den RSCA über einen Neustart, dessen Grundpfeiler junge Spieler wie eben Sebastiaan Bornauw sein sollten. Es gab sogar Gerüchte um ein Interesse des FC Barcelona, doch nun scheint alles anders zu sein. Wurde er ein wenig zu sehr hochgejubelt in der vergangenen Saison oder was ist da passiert?
Zuerst: Das Interesse des FC Barcelona ist tatsächlich vorhanden, sie beobachten ihn genau. Er wurde also nicht zu sehr hochgejubelt, er hat einen wirklich guten Job erledigt in einer für Anderlecht sehr schwierigen Saison. Er war trotz seines jungen Alters einer der Führungsspieler auf dem Platz. Aber nun ist er hinter dem Weltklasse-Verteidiger Kompany und Leihgabe Sandler, der aufgrund seiner fußballerischen Qualitäten besser in Kompanys Philosophie passt, nur noch dritte Wahl im Abwehrzentrum. Dazu braucht Anderlecht dringend Geld für den Neuaufbau – also wenn sie eine solche Summe für ein Talent einnehmen können…
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Seinen Durchbruch schaffte er, wie du bereits gesagt hast, in einer sehr schwierigen Saison für Anderlecht. Wie hat er sich denn insgesamt geschlagen in seiner ersten Profisaison in der Jupiler League?
Wirklich gut. Er war nie das schwächste Glied in der Abwehrkette, hat seine Aufgabe immer erledigt und war deshalb über weite Strecken der Saison in der Defensive auf verschiedenen Positionen gesetzt.
Die Reaktion der Anderlecht-Fans auf den Transfer hat uns etwas nachdenklich gemacht. Viele schienen überrascht, dass ein Verein überhaupt so viel Geld für Bornauw ausgeben wollen würde. Warum ist sein Standing bei den Anhängern so gering, obwohl er doch ein talentiertes Eigengewächs zu sein scheint?
Die Reaktionen haben mich ehrlich gesagt auch ziemlich überrascht. Vielleicht kommt das durch seine Leistungen in den Testspielen, denn die liefen für Bornauw echt nicht berauschend. Aber eine richtige Erklärung für diese negativen Einschätzungen habe ich auch nicht.
“Sebastiaan ist ein körperlich präsenter, großgewachsener Verteidiger. Er ist ein physisch starker Spieler, ausgestattet mit einem sehr guten Kopfballspiel.”
Was für einen Spieler haben wir denn überhaupt verpflichtet? Wo liegen seine Stärken, wo muss sich Bornauw noch verbessern?
Sebastiaan ist ein körperlich präsenter, großgewachsener Verteidiger. Er ist ein physisch starker Spieler, ausgestattet mit einem sehr guten Kopfballspiel. Seine fußballerischen Fähigkeiten sind nicht top, aber durchaus als solide zu bezeichnen. Aufgrund seines Alters ist er allerdings natürlich noch nicht allzu erfahren.
Wir hatten nach einem Linksfuß für die Innenverteidigung gesucht. Kann Bornauw das aus deiner Sicht spielen? Und hat er das bereits in Anderlecht gespielt?
Ja, durchaus. Er hat beim RSCA öfters als linker Innenverteidiger agiert. Allerdings ist Bornauw kein Linksfuß.
Sehr jung, noch etwas unerfahren: Ist unser Neuzugang in deinen Augen bereit für das Abenteuer Bundesliga?
Das denke ich schon. Bornauw hat alle Qualitäten, um es in Deutschland zu schaffen und sich zu einem guten Verteidiger in der Bundesliga zu entwickeln. Natürlich muss er sich und sein Spiel an die neue Liga anpassen, aber er hat eine Menge Potenzial, um das zu schaffen.
“Bornauw hat alle Qualitäten, um es in Deutschland zu schaffen und sich zu einem guten Verteidiger in der Bundesliga zu entwickeln.”
Auf dem Rasen agiert er trotz seines Alters bereits als Führungsspieler, wird als sehr ruhig und ziemlich abgeklärt beschrieben. Was für einen Typen haben wir abseits des Fußballs verpflichtet?
Einen wirklich netten Jungen, der sehr respektvoll daherkommt. In seiner Freizeit spielt er Klavier. Wie auf dem Platz ist Bornauw auch im Privatleben ziemlich ruhig und intelligent. In Anderlecht lebte er immer noch bei seinen Eltern – das wird sich nun in Köln ändern. Ich glaube aber, dass er reif genug, diesen Schritt zu bewältigen.