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Lebenswege beim 1. FC Köln: Rocco Kühn: “Sprintwerte wie Andy Möller, aber ‘ne Ausdauer wie ming Oma!”

Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf Rocco Kühn, der 1993 von Frank Schaefer aus Dresden zum Nachwuchs der Geißböcke geholt wurde und zu den größten Nachwuchshoffnungen gehörte.

Die A-Jugend des 1.FC Köln 1994/95 Rocco Kühn mittlere Reihe ganz re. Foto: Hans Alfred Roth

In Dresden bleiben, nach Köln gehen? Er wägt Vor- und Nachteile ab, geht alle Gesichtspunkte noch einmal durch. Der 1. FC Köln ist eine Topadresse in der „stärksten Liga der Welt“, der Verein rangiert regelmäßig im oberen Tabellendrittel, in der Spitzengruppe, da, wo Dynamo erst noch hin will. Und hat nicht auch Ulf Kirsten Dresden verlassen und schießt nun seine Tore für Bayer Leverkusen? Rocco Kühn entscheidet sich schließlich für den Wechsel. Er ruft Frank Schaefer an und gibt ihm sein Wort.

Wenig später erhält er ein Angebot vom VfB Leipzig. Der Club steht kurz vor dem Aufstieg in die erste Bundesliga. Das Angebot ist gut, von Leipzig sind es nur 120 Kilometer bis nach Dresden, von Dresden nach Köln sind es weit über 500. Er könnte von Leipzig aus einmal pro Woche nach Hause fahren, bliebe in Sachsen, dort, wo er sich auskennt. Sein Entschluss, nach Köln zu gehen, gerät kurzzeitig ins Wanken.

Frank Schaefer erfährt von dem Leipziger Angebot und fährt nach Dresden. Im Gepäck hat er einen unterschriftsreifen Dreijahresvertrag, der dem Spieler neben seinen Bezügen auch die Vermittlung einer Lehrstelle sowie freie Kost und Logis zusichert und Dynamo Dresden eine Ablöse von 30 000 DM. Das Kölner Angebot ist gut, Schaefers Argumente überzeugen, Rocco Kühn unterschreibt.

Mit 16 von Dresden nach Köln – neue Erfahrungen

Vor seinem Wechsel an den Rhein nimmt er mit Dynamo Dresden wie im Vorjahr an der Endrunde um die deutsche B-Juniorenmeisterschaft teil und erreicht dort mit seiner Mannschaft nach Siegen gegen den Kehler FV, Bayern München und die SpVgg Andernach das Halbfinale, wo der FC Carl Zeiss Jena mit Robert Enke im Tor die Finalträume der Dresdener beendet.

Rocco Kühn ist noch keine 17, als er im Sommer 1993 in die Millionenstadt am Rhein übersiedelt, weg von seiner Familie in Dresden, weg von seinen Freunden und den Mannschaftskameraden bei Dynamo. Er zieht ins Jugendhaus des 1. FC Köln in Hürth-Efferen, das von der Familie Ostmann geführt wird. Dort trifft er auf weitere auswärtige Spieler, Sven Fischer und Hagen Brinkmann, Jugendnationalspieler wie er, und auf Udo Kirst aus dem älteren A-Jugendjahrgang.

Seine neue Mannschaft lernt er im Trainingslager in Olpe kennen, in dem Trainer Frank Schaefer die älteste Nachwuchsmannschaft des FC auf die neue Saison vorbereitet. Ein immer wiederkehrender Bestandteil des Trainings sind Ausdauerläufe, von vielen gehasst, für Rocco Kühn gänzlich unbekannt. „In Olpe wurde ich zum ersten Mal in meiner Karriere nach der Schuhgröße meiner Laufschuhe gefragt,“ erinnert er sich. „Diese Läufe über fünf oder gar zehn Kilometer standen bei Dynamo nicht auf dem Programm, auch nicht in der Saisonvorbereitung.“

Neu ist für den Neuzugang aus Dresden auch der Cooper-Test, ein zwölfminütiger Lauf, der der Überprüfung der allgemeinen Ausdauer dient und bei dem der Sportler sein Tempo einschätzen können muss, um nicht zu früh zu viel Laktat aufzustauen und in den anaeroben Bereich zu kommen, aber auch nicht zu langsam zu laufen. „Ich kam dabei nicht über die Stufe 3 hinaus, was für einen Leistungssportler ganz und gar kein gutes Ergebnis ist,“ erläutert der frühere Torjäger.

Ein Jahr später, bei der Vorbereitung auf die Saison 1994/95, nimmt Frank Schaefer Rocco Kühn zur Seite. „Er sagte: ‘Rocco, ich weiß einfach nicht, was ich mit Dir anfangen soll. Du hast Sprintwerte wie Andy Möller und ‘ne Ausdauer wie ming Oma!’“ Der ehemalige Dresdener bringt zu seiner Verteidigung vor, dass er eine Menge Tore schießt. Rocco Kühn erinnert sich: „’Das stimmt’, bestätigte Frank Schaefer. Und dann sagte er einen Satz, den ich mein ganzes Leben lang nicht vergessen werde: ‘Rocco, wenn Du richtig fit bist, gibt es in Deinem Jahrgang keinen Verteidiger in Deutschland, der dich halten kann!’ Das war ein Ritterschlag von einem Trainer, der den Nachwuchsfußball in Deutschland kannte wie kein Zweiter!“

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Mit dem 1. FC Köln im Endspiel um den A-Junioren-Vereinspokal

Wie vereinbart hat der FC ihm eine Lehrstelle besorgt, die Zimmerei Meyer in Köln Rondorf wird für die nächsten drei Jahre seine berufliche Ausbildungsstätte. Sportlich läuft es in seiner ersten Saison beim Geißbockclub gut, mit seinen Toren trägt Rocco Kühn zum Gewinn des Mittelrheinpokals bei, der zur Teilnahme an der Endrunde um den DFB-A-Junioren-Vereinspokal berechtigt. In der ersten Runde erzielt Kühn zwei Tore zum 5:0-Auswärtssieg beim Magdeburger SV, im Viertelfinale gelingt ein 3:0-Sieg gegen den Wuppertaler SV, bevor im Halbfinale ein Elfmeterschießen gegen die SF Oestrich-Iserlohn notwendig wird, um ins Finale einzuziehen.

Rocco Kühn in einem Spiel der A-Jugend des 1. FC Köln    Foto: Hans Alfred Roth

Rocco Kühn verwandelt seinen Elfmeter sicher, er ist der Elfmeterschütze Nummer eins, was auch wieder auf seine Ausbildung bei Dynamo Dresden zurückzuführen ist. „Wir hatten bei Dynamo eine Torwand, die in sechs Segmente unterteilt war,“ erklärt er. „Teil des Trainings, bisweilen auch des Aufwärmprogramms war es, nach Ansage das betreffende Segment, also zum Beispiel links unten, rechts oben oder Mitte unten aus einer Entfernung von 10 bis 15 Metern zu treffen. Die beständige Übung machte mich schließlich zu einem ausgesprochen sicheren Elfmeterschützen.“

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