Man erinnere sich an die Euphorie, die um 1899 Hoffenheim entstand, als der damalige Neuling die Bayern ärgerte und sogar den Herbstmeister-Titel einsackte. Es war eine ähnliche Situation: Während vor der Saison die Ablehnung der meisten Bundesliga-Fans gegenüber dem Konstrukt von Milliardär Dietmar Hopp im Fokus der Berichterstattung stand, wich dies mit jedem weiteren Sieg immer mehr positiven Deutungen. Plötzlich machte Hoffenheim „die Liga endlich wieder spannend“ und war eine „Bereicherung“ für den deutschen Fußball.
Leipzig macht’s wie Hoffenheim
So wie jetzt bei RB Leipzig. Und mit ebenso freundschaftlicher Unterstützung mancher Medien wie damals schon bei Hoffenheim. Dazu gehören nicht nur der „kicker“, der sich als großer RBL-Versteher positioniert hat, sondern auch große Sportnachrichten-Anbieter wie „spox.com“, die nicht müde werden, das tolle Leipziger Trainingszentrum, das für die Region und die deutsche Talentförderung an sich natürlich ein ganz, ganz großes Los ist, mit aufwändigen Promo-Artikeln zu bewerben. Oben drauf kommt dann noch der Faktor der fußballerischen Ost-Wiederbelebung – die Zeit des zweit- und drittklassigen Fußballs scheint zumindest für Sachsen erst einmal vorbei. Das weckt natürlich Begeisterung in einer Region, die schon lange keinen Topclub mehr ihr Eigen nennen durfte und sorgt für eine romantische Geschichte vom “modernen Underdog”.
Foto: Simon Hofmann/Bongarts/Getty Images
Wer davor die Augen verschließt oder dieser Entwicklung mit ignorantem Unglauben begegnet, zieht sich lediglich in eine nostalgische Trotzecke zurück und vergisst dabei, dass der 1. FC Köln in den letzten 25 Jahren weder national noch international eine große Rolle gespielt hat – und wenn doch, dann höchstens mit Negativschlagzeilen.
Euphorie ist vergänglicher als Liebe
Für Kölner, die sich qua Geburt so sicher sind, dass jeder sie mag, dass sie es nicht einmal merken, wenn es nicht so ist, mag das eine bittere Erkenntnis sein. Aber in einem Fußballbusiness, das längst Mainstream geworden ist, spielen flüchtige positive Markenbilder kurzfristig eben eine größere Rolle als die alten Kamellen von den großen Zeiten.
Trotzdem sollte man den „Nielsen Report“ aufmerksam zu Ende lesen, denn am Tabellenende wartet noch eine wichtige Erkenntnis: Mit Leverkusen, Hoffenheim, Wolfsburg und Ingolstadt finden sich gleich vier von fünf Retortenclubs im Beliebtheits-Tabellenkeller wieder – teilweise trotz sportlichen Erfolgen in den letzten Jahren. Auf der anderen Seite halten sich mit Werder Bremen, Borussia Mönchengladbach und dem HSV gleich drei Traditionsclubs, die in dieser Saison sportlich bisher nicht zur Creme de la Creme gehörten, locker im einstelligen Tabellenbereich. Tja. Euphorie ist eben vergänglicher als Liebe.