Die Spannung war buchstäblich greifbar, die Luft im Stadion an der Grünwalder Straße wie elektrisch geladen. Die Zuschauer sahen einen Kampf auf Biegen und auf Brechen, die temporeiche Begegnung wogte hin und her, Torszenen gab es zuhauf. Die Begegnung – das war das Relegationsrückspiel zwischen der zweiten Mannschaft von Bayern München und Fortuna Köln, in dem es um die Entscheidung über den Aufstieg in die 3. Liga ging. Für den Verein aus der Kölner Südstadt ging es um mehr, um viel mehr. Die Existenz, das Weiterbestehen der Fortuna stand auf dem Spiel. Die deutlich höheren Einnahmen in der untersten der deutschen Profiligen wären für den Klub so wichtig wie die Luft zum Atmen, ein weiteres Jahr in der Regionalliga würde man finanziell kaum überleben. Sein oder Nicht-Sein, Sekt oder Selters, das war an diesem frühsommerlich warmen Junisonntag des Jahres 2014 the name of the game für die Fortuna.
Fortuna Köln hatte das Hinspiel 1:0 gewonnen, nun lagen die Spieler von Trainer Uwe Koschinat – nach der gelb-roten Karte für Kristoffer Andersen nur noch zu zehnt – wenige Minuten vor Schluss mit dem gleichen Ergebnis zurück, die Verlängerung nahm drohende Gestalt an. Da stoppte der Linksverteidiger der Bayern, Ylli Sallahi, einen Pass 20 Meter vor dem Tor, ließ den Ball noch einmal kurz aufspringen und traf ihn dann mit seinem linken Fuß so perfekt, dass er unhaltbar ins rechte Eck des von André Poggenburg gehüteten Tors einschlug – 2:0 für die Elf des heutigen Trainers von Ajax Amsterdam, Erik ten Hag.
Aufstieg in allerletzter Sekunde
Auf der Tribüne schlug Fortuna-Präsident Klaus Ulonska fassungslos die Hände vors Gesicht, Vorstandsmitglied Thomas Olschewski rutschte vor Entsetzen halb von seinem Sitzplatz, die Bayern-Fans um sie herum jubelten dagegen beinahe so ausgelassen wie nach dem Gewinn einer Meisterschaft. Regulär waren noch zwei Minuten zu spielen, das Spiel und damit der Aufstieg der Mannen um Alessandro Schöpf, Tobias Schweinsteiger und Benno Schmitz schien entschieden.
In der dritten Minute der Nachspielzeit drosch der Mannschaftskapitän der Fortuna den Ball noch aus der eigenen Hälfte in Richtung Bayern-Tor. Das runde Leder sprang im Strafraum der Münchener auf, Torwart Lukas Raeder verschätzte sich und Fortunas Oliver Laux, eigentlich schon im Zurücklaufen begriffen, drehte sich auf Zuruf noch einmal um und köpfte den Ball ins leere Tor. Der alles entscheidende, bei Torgleichheit doppelt zählende Auswärtstreffer, an den selbst die eingefleischtesten Fortuna-Fans kaum noch geglaubt hatten, war gelungen, der Aufstieg greifbar nahe. Schiedsrichter Robert Kampka ließ den Anstoß zwar noch ausführen, wenige Augenblicke später besiegelte sein energischer Pfiff jedoch das Ende der Partie und den Aufstieg der Fortuna.
Ein Kasselaner feiert mit Fortuna Köln in München
Danach öffneten sich bei den Südstädtern alle Schleusen. Spieler, Trainer, Betreuer und Offizielle wussten kaum mehr wohin mit ihren Glücksgefühlen, sie umarmten sich, hüpften, lachten und vergossen Freudentränen. Präsident Klaus Ulonska gab später zu Protokoll, er habe geweint wie seit seiner Kindheit nicht mehr, Vorstandsmitglied und Ex-Fußballer Thomas Olschewski tat es ihm gleich und bezeichnete diese Momente nach dem Abpfiff als die emotionalsten seiner gesamten Fußballkarriere.
Jubel auch bei Sebastian Zinke | Micha Will/Bongarts/Getty Images
Die Fortunen waren inzwischen zu ihren Fans gelaufen und tauchten in den kollektiven Jubel ein. Ein Spieler stand ganz vorne am Zaun, das Trikot mit der 24 auf dem Rücken hatte er ausgezogen und schrie seine Freude in den Himmel über dem Grünwalder Stadion. Er hatte seine Mannschaftskameraden angetrieben, als die Köpfe nach unten gingen und das Spiel verloren schien, hatte sie aufgerichtet und war vorangegangen. Und er war es, der den langen Ball geschlagen hatte, der seine Mitspieler und die vielen Fans auf Wolke sieben schweben ließen, er, der Mannschaftskapitän, Sebastian Zinke.
Sebastian Zinke erblickt am 20. Februar 1985 in Kassel das Licht der Welt. Fußballerisch ist er durch seine Eltern vorbelastet, sein Vater hat als Torwart lange in Waldau gespielt und auch seine Mutter ist bis zur Geburt von Zinkes älterer Schwester fußballerisch aktiv gewesen. Im zarten Alter von vier Jahren tritt er seinem ersten Fußballverein bei, dem Kasseler Stadtteil-Club TuSpo Waldau, für den er neun Jahre lang die Fußballschuhe schnürt und bei dem sein Vater als Trainer und Nachwuchsleiter fungiert.
„Für mich gab es nichts anderes als Fußball. Sobald ich nach der Schule zu Hause war, habe ich den Ranzen in die Ecke geschmissen und bin auf den Fußballplatz,“ sagt er. Sebastian Zinke lächelt bei der Erinnerung an unbeschwerte Kindertage. Er ist hoch aufgeschossen, schlank und drahtig, eine sportlich-elegante Erscheinung in Anzug und Krawatte. Wir sitzen in seinem Büro im KölnTurm hoch über den Dächern der Domstadt. Das runde Leder hat er inzwischen gegen Laptop und Smartphone eingetauscht.
Anfänge in Baunatal, erstes Interesse des 1. FC Köln
Der ebenfalls in Kassel beheimatete TSV Wolfsanger ist seine nächste Station. Hier spielt der zweikampfstarke Abwehrspieler so gut, dass er den Verantwortlichen des KSV Baunatal auffällt und 1999 zum größten Sportverein der Sportstadt Baunatal wechselt. Bald werden auch die Verantwortlichen der Hessenauswahl auf den hochgewachsenen Linksverteidiger aufmerksam, der schnell zu einer Stütze der U15 der Baunataler wird. Weitere Berufungen in die Hessenauswahl folgen, in der Saison 2001/2002 wird er von André Schubert, dem späteren Trainer von Borussia Mönchengladbach, noch als B-Jugendlicher in die U19 des KSV Baunatal hochgezogen.
Mit Podolski in der U19 – Zinkes erste Schritte im Seniorenbereich
Auch Bundesligavereine interessieren sich mittlerweile für ihn, beim Länderpokal der Saison 2001/2002 wird er von Thomas Schumacher, dem damaligen U19-Trainer des 1. FC Köln, angesprochen. Der Geißbockclub intensiviert seine Bemühungen, Thomas Schumacher kommt sogar nach Kassel, um Sebastian Zinke und seinen Eltern das Angebot der Kölner zu unterbreiten. Im Herbst 2002 unterschreibt Zinke einen Vertrag beim 1. FC Köln, der ab der Saison 2003/2004 für drei Spielzeiten gilt.
Der Weg nach Köln ist für den gebürtigen Kasselaner nicht unbedingt vorgezeichnet, denn in seiner Jugend ist er Fan von Werder Bremen, deren damaliger Manager, Klaus Allofs, sich bei ihm im Dezember 2002 meldet. „Hätten sie sich früher bemüht, wäre ich vielleicht in die Hansestadt gegangen,“ erinnert sich Zinke. „So habe ich Allofs mitgeteilt, dass ich schon in Köln unterschrieben hatte, und damit war die Sache dann auch für mich erledigt.“
Im Sommer 2003 ist es dann soweit, Zinke verlässt sein Elternhaus und bezieht ein Zimmer im Sportinternat Köln. „Für meine Eltern war mein Auszug von zu Hause sicherlich schwerer als für mich,“ berichtet der frühere Defensivspezialist. „Schließlich bedeutete der Wechsel nach Köln für mich einen wichtigen Schritt zur Erfüllung meines Traums, Profi zu werden.“ Er teilt sein Zimmer mit Enis Alushi, der von den Sportfreunden Siegen zum Geißbockclub gewechselt ist. Die Beiden freunden sich an und helfen sich gegenseitig bei der Eingewöhnung in das Leben einer Millionenstadt fernab von der Heimat.
Mit Podolski beim FC
Zur Saison 2003/04 hat sich einiges geändert für die U19 des 1. FC Köln: So misst sie sich jetzt in der A-Junioren Bundesliga West mit den besten Nachwuchsteams des Niederrheins, aus Westfalen und vom Mittelrhein. Zudem werden auch die Kölner wie die anderen teilnehmenden Bundesligavereine zur Gründung eines Nachwuchsleistungszentrums (NLZ) verpflichtet. Beide Maßnahmen (neben der Bundesliga West gibt es nur noch zwei weitere Bundesligen für den U19-Bereich: Nord/Nordost und Süd/Südwest) sollen zu einer Optimierung der Nachwuchsförderung führen und sind als Teil der Reaktionen des DFB auf das enttäuschende Abschneiden der Nationalelf bei der WM 1998 und der EM 2000 zu verstehen.
Auch auf der Trainerbank hat es einen Wechsel gegeben: Thomas Schumacher übernimmt die U17 des FC und wird durch einen alten Bekannten abgelöst: Frank Schaefer, der von Bayer Leverkusen zum 1. FC Köln und damit zur alten Erfolgsstätte zurückkehrt. Er findet einen Kader vor, der mit Jugendnationalspielern und weiteren vielversprechenden Talenten gespickt ist: Thomas Kessler, Kevin Schöneberg, Sebastian Zinke, Lukas Sinkiewicz, Enis Alushi, Daniel Grebe, Rajabu Müller, Silvio Pagano, Christian Schlösser, Denis Epstein – und Lukas Podolski.
Lukas Podolski im Trikot des 1. FC Köln | Foto: Vladimir Rys/Bongarts/Getty Images
Am ersten Spieltag der Saison 2003/2004 muss Schaefers Team bei Alemannia Aachen antreten. Einer der beiden Kölner Innenverteidiger verspätet sich, und so kommt Sebastian Zinke, der als linker Außenverteidiger verpflichtet wurde, auf der für ihn bis dahin ungewohnten Position zu seinem ersten Pflichtspieleinsatz für den 1. FC Köln, der das Spiel bei den heimstarken Kaiserstädtern mit 3:2 für sich entscheidet.
In der Vorsaison hat die U19 den Mittelrheinpokal gewonnen, der zur Teilnahme am DFB-Junioren-Vereinspokal 2003/04 berechtigt. In der 1. Runde siegen die Kölner mit 2:0 beim SC Freiburg, in der 2. Runde gewinnen sie mit 5:0 beim HSV Barmbek-Uhlenhorst, bevor sie dann im Viertelfinale zu Hause der Frankfurter Eintracht mit 0:1 unterliegen.
Viele Talente beim Nachwuchs des 1. FC Köln
In die neugegründete A-Junioren Bundesliga West startet der 1. FC Köln sehr vielversprechend und platziert sich beständig unter den ersten Dreien der Tabelle. Die Offensive der Kölner entwickelt einen veritablen Torhunger, nach acht Spieltagen stehen bereits 25 Treffer zu Buche, von denen der beste Torschütze, Lukas Podolski, alleine acht Tore erzielt hat.
„In der Mannschaft waren neben Lukas auch noch andere große Talente.”
Sebastian Zinke erinnert sich: „In der Mannschaft waren neben Lukas auch noch andere große Talente. Was ihn aber zusätzlich zu seinen fußballerischen Qualitäten damals schon ausgezeichnet hat, war sein unbedingter Wille, sich durchzusetzen und das Maximum aus seiner Begabung herauszuholen. Das hat sicherlich entscheidend dazu beigetragen hat, dass er es in den Profibereich schaffte und nicht nur beim FC, sondern auch bei Bayern München, Arsenal London und Inter Mailand gespielt hat und 130facher Nationalspieler wurde.“
Am 11.11.2003 unterschreibt Podolski seinen ersten Profivertrag beim 1. FC Köln und erzielt nur elf Tage später im Auswärtsspiel bei Hansa Rostock seinen ersten Bundesligatreffer, dem er noch neun weitere in dieser Saison folgen lässt.
Sebastian Zinke hat unterdessen einen festen Stammplatz in Frank Schaefers Team, das sich trotz Podolskis Wechsel zu den Profis einen erbitterten Zweikampf mit dem VfL Bochum um den Meistertitel liefert und die Saison nur knapp hinter den Bochumern auf dem zweiten Tabellenplatz beendet. Auch neben dem Fußballplatz bleibt Sebastian Zinke mit dem Geißbockclub verbunden. So leistet er bei Christoph Henkel im Nachwuchsbereich sein Freiwilliges Soziales Jahr ab und wird der erste FSJler beim FC.
Erste Schritte im Seniorenbereich bei den FC-Amateuren
In der folgenden Saison rückt der frühere Baunataler zur zweiten Mannschaft des 1. FC Köln auf, die von Christoph John betreut wird. Zu seinen Mitspielern zählen Lars Leese, Tobias Nickenig, Marius Laux und Giovanni Federico. Die Saison verläuft für ihn etwas enttäuschend, so gehört er in 37 Begegnungen in der Regionalliga Nord lediglich achtmal zur Startformation. „Roland Benschneider von den Profis war Linksfuß wie ich und wurde häufig auf meiner Position bei der zweiten Mannschaft eingesetzt,“ erläutert Zinke.
Berufungen in die U20 des DFB – Wechsel in die Heimat und in den hohen Norden
Auch aus diesem Grund kümmert er sich um ein zweites Standbein und absolviert bei Christoph Henkel und Rainer Kubern eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann. Fußballerisch bleibt ihm aus dieser Saison besonders der DFB-Pokal in Erinnerung.
In der ersten Hauptrunde des DFB-Pokals trifft das Team als Mittelrheinpokalsieger auf die Profis des VfL Wolfsburg und verliert die Begegnung 0:3. „Wir wussten schon vor dem Spiel, dass wir, egal wie die Partie ausgehen würde, die zweite Runde erreichen würden,“ schmunzelt der ehemalige Innenverteidiger. „Die Wolfsburger setzten Marian Hristov ein, der gerade erst aus Kaiserslautern in die VW-Stadt gewechselt und aufgrund einer alten Sperre nicht spielberechtigt war.“ Das Spiel wird mit 2:0 für die Kölner gewertet, für die dann in der nächsten Runde ein 2:4 gegen Arminia Bielefeld das Pokal-Aus bedeutet.
Mit der Mittelrheinauswahl gewinnt er 2005 den Länderpokal und fällt dabei auch Uli Stielike, dem U20-Trainer des DFB, auf. Der großgewachsene Linksfuß stabilisiert seine Leistungen im Verein und avanciert in der Saison 2005/06 zum Stammspieler in Christoph Johns Team. Im Herbst folgt der nächste Karriereschritt, die Berufung in die deutsche U20-Nationalmannschaft.
Berufungen in die U20-Nationalmannschaft
„Ich wurde zum Länderspiel gegen die U21-Nationalelf von Litauen in Norderstedt eingeladen, witzigerweise zusammen mit meinem Zimmergenossen im Kölner Sportinternat, Enis Alushi,“ erzählt Zinke. „Als vor dem Spiel die deutsche Nationalhymne gespielt wurde, bekam ich eine richtige Gänsehaut. Für mich war ein Kindheitstraum wahr geworden, der kleine Junge aus Kassel hatte es in die Nationalmannschaft geschafft.“ Im Kader trifft er auf Manuel Neuer, Mario Gomez, Christian Gentner und Nicky Adler, die wie er Ambitionen für noch höhere Aufgaben hegen. Das Spiel wird 3:0 gewonnen, ein guter Anfang ist gemacht.
Der junge Manuel Neuer im Tor der deutschen U21-Nationalmannschaft | Foto: Juergen Schwarz/Bongarts/Getty Images
Weitere Nationalmannschaftseinsätze folgen gegen Italien, die Schweiz und Österreich. Doch im Verein läuft es nicht gut, die zweite Mannschaft steigt ab und muss in der nächsten Saison in der Oberliga Nordrhein antreten. Auch die Profis schaffen den Klassenerhalt nicht, doch deren Trainer, Hans-Peter Latour, wird auf Sebastian Zinke aufmerksam und nimmt ihn mit ins Sommertrainingslager.
Die Saison der Profis verläuft fast schon erwartungsgemäß turbulent, Latour wird im November entlassen, und nach einigem Hin- und Her übernimmt Christoph Daum. Irgendwo auf diesem Weg der Irrungen und Wirrungen verliert sich auch der Traum von Sebastian Zinke, den Sprung in die Profimannschaft des 1. FC Köln zu schaffen.
Zurück in die Heimat, dann weiter in den hohen Norden
In der zweiten Mannschaft gehört er nach wie vor zum Stamm und erreicht mit Mitspielern wie Mike Wunderlich, Stefan Oventrop, Jerome Assauer, Mariano Tripodi und Manuel Glowacz einen 8. Platz in der Abschlusstabelle. Er ist mittlerweile im vierten Jahr bei den Geißböcken und spürt, dass sein Weg hier sich dem Ende zuneigt. Rot-Weiß Oberhausen macht ihm ein Angebot, Zinke entschließt sich jedoch, zurück in die Heimat zu gehen, zu Hessen Kassel, den „Löwen“, deren Manager, Marc Arnold, sich sehr um ihn bemüht hatte.
Die Kasseler spielen in der Regionalliga Süd und werden von Matthias Hamann trainiert, der später Jürgen Klinsmann als Scout für das Nationalteam der USA zuarbeiten wird. „Er war ein fachlich wie menschlich hervorragender Trainer, von dem ich für meine fußballerische Entwicklung enorm profitiert habe“, schwärmt Sebastian Zinke.
Er ergattert sich einen Stammplatz bei den Hessen und kommt auf 28 Saisoneinsätze, kann aber auch nicht verhindern, dass das Team schlussendlich auf einem mäßigen 14. Tabellenplatz landet. Sportlich verläuft die Rückkehr in seine Heimat für Zinke eher durchwachsen, dies wird aber im privaten Bereich weit mehr als nur kompensiert dadurch, dass er Liesa, seine spätere Ehefrau, dort kennenlernt.
In der neuen Saison zieht es ihn in den Norden. Er folgt seinen Kasseler Mitspielern Daniel Beyer und Sebastian Busch zum Regionalligisten SV Wilhelmshaven, der von Predrag Uzelac trainiert wird, dessen Sohn Franko heute das Trikot der Kölner Fortuna trägt. Auch hier ergattert sich Zinke einen Stammplatz, löst aber seinen Vertrag in der Winterpause auf, da der Verein seinen finanziellen Verpflichtungen nur unregelmäßig nachkommt.
Spannende Zeiten bei Rot-Weiß Essen
Mike Wunderlich, sein ehemaliger Mitspieler aus FC-Zeiten, hat es mittlerweile ins Ruhrgebiet zum Traditionsverein Rot-Weiß Essen verschlagen. Über ihn und seinen Berater entsteht der Kontakt zu Manager Thomas Strunz, der Sebastian Zinke bis zum 30.6.2010 verpflichtet. Unter Trainer Michael Kulm avanciert der junge Innenverteidiger zum Stammspieler, die Saison endet jedoch turbulent, Kulm wird entlassen und zunächst durch Ernst Middendorp ersetzt, bevor Thomas Strunz selber das Traineramt übernimmt.
Beim WSV verwechselt, in Lotte hochgeschätzt – Karrierehöhepunkt bei der Fortuna
Die Essener gehen mit Spielern wie André Maczkowiak, Denny Herzig, Sascha Mölders, Markus Kurth, Dirk Caspers und Mike Wunderlich als Aufstiegskandidat in die neue Saison, doch trotz eines weiteren Trainerwechsels – Uwe Erkenbrecher ersetzt Thomas Strunz – verfehlen die Essener ihr Saisonziel und landen auf Platz 5.
Trotzdem genießt Sebastian Zinke seine Zeit bei den Rot-Weißen. „Wir hatten eine tolle Kameradschaft, die Atmosphäre im altehrwürdigen Georg-Melches-Stadion war unvergleichlich, die Zuschauerzahlen hatten klares Zweitliganiveau“, schwärmt er. So verwundert es auch nicht, dass er bei dem Traditionsclub um ein weiteres Jahr verlängert und sich auf die neue Saison freut – leider zu früh. „Wir waren gerade zu unserer Saisonabschlusstour nach Mallorca aufgebrochen, als wir bei 1LIVE hörten, dass Rot-Weiß Essen die Insolvenz angemeldet hatte,“ erinnert sich der frühere Kölner.
Beim WSV verwechselt, bei Lotte hochgeschätzt
Sebastian Zinke muss sich umorientieren und nimmt schließlich ein Angebot des Wuppertaler SV an. Die Mannschaft unter Trainer Michael Dämgen hat durchaus Potential, neben seinen ehemaligen Mitspielern aus Kölner Tagen, Silvio Pagano und Jerome Assauer, zählen Spieler wie Daniel Keita-Ruel, Tom Moosmayer und Markus Heppke zum Kader der Rot-Blauen. „Wir hatten eine Reihe guter Einzelspieler, beendeten die Saison jedoch nur auf einem enttäuschenden Mittelfeldplatz. Ich hatte den Eindruck, dass es irgendwie in der Mannschaft nicht so stimmte, wie es sollte,“ berichtet der Innenverteidiger.
Für ihn persönlich läuft es gut beim WSV, er ist unumstrittener Stammspieler und einigt sich mit dem Verein auf eine Verlängerung seines Vertrags um ein Jahr. Doch auch hier sollte es ganz anders kommen. „Ich fuhr zur Geschäftsstelle, um meine Unterschrift unter den Vertrag zu setzen,“ erzählt Zinke. „Als ich dort ankam, war alles zu. Am Fenster der Geschäftsstelle konnte ich jedoch jemanden erkennen, mir wurde aber nicht aufgemacht.“ Er hält kurz inne. „Ich habe dann meinen Berater angerufen, der sich auch sofort um die Angelegenheit kümmerte. Nach einiger Zeit erfuhr ich durch ihn, dass der Verein von meinem Vertrag zurückgetreten war.“
Zinke lobt den Zusammenhalt in Wuppertal
Er lacht kurz und schüttelt den Kopf. „Über die Gründe erfuhr ich zunächst nichts. Nach einigen Monaten erzählten mir frühere Mitspieler, dass ich einer Verwechslung zum Opfer gefallen war. Die Verantwortlichen wollten mit einem anderen Spieler nicht verlängern, mit dem man mich einfach verwechselt hatte!“
Die Arbeitslosigkeit bleibt ihm erspart, die Sportfreunde Lotte verpflichten ihn für die Saison 2011/12. Auch dort wird er wieder Stammspieler und trägt nicht unerheblich dazu bei, dass das Team aus dem Tecklenburger Land die Saison auf dem 2. Tabellenplatz beendet. „Das war eine fantastische Zeit in Lotte,“ schwärmt Zinke noch heute. „Wir hatten eine hervorragende Mannschaft mit Spielern wie Tim Gorschlüter, Marcus Fischer, Christian Schlösser und Jerome Assauer, dazu noch Trainer Maik Walpurgis. Im Unterschied zu Wuppertal zeichnete uns ein toller Zusammenhalt aus, und all dies hat in der Summe zu unserem ausgezeichneten Abschneiden geführt.“
Silvio Pagano spielt für Sebastian Zinkes Karriere eine wichtige Rolle | Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images
Der Verein ist mit den Leistungen Zinkes sehr zufrieden und möchte mit dem früheren Kölner verlängern. Den zieht es jedoch in die Domstadt zurück, allerdings nicht zum FC, sondern zur Fortuna. Seinem besten Freund und Mitspieler aus FC-Tagen, Silvio Pagano, kommt dabei eine wichtige Rolle zu. „Wir spielten mit Lotte gegen die Fortuna und Silvio war mein Gegenspieler,“ erzählt der gebürtige Kasselaner. „Ich wusste, dass man ihn dadurch ziemlich aus dem Spiel nehmen konnte, dass man ihn möglichst früh sehr hart tackelte. Genau das habe ich auch getan, und zwar unmittelbar vor der Trainerbank der Fortuna.“ Die Erinnerung lässt ihn schmunzeln. „Trainer Uwe Koschinat mag sich gedacht haben, dass er genau so einen Spieler brauchen könnte. Somit war das sozusagen mein Bewerbungs-Tackling!“
Tolle Zeiten bei der Fortuna
Bereits in seiner ersten Saison 2012/13 avanciert Sebastian Zinke beim Südstadt-Club zum unumstrittenen Stammspieler. „Bei der Fortuna habe ich die absolut schönste Zeit meiner Laufbahn als Fußballer erlebt,“ schwärmt er noch heute. „Wir hatten eine richtig tolle Truppe, auf und auch neben dem Fußballplatz. So gründeten wir eine Kicker-Mannschaft, die an den Spielen der Kölner Kicker-Liga teilnahm.“ Mit Mitspielern wie André Poggenburg, Thomas Kraus, Silvio Pagano und Lukas Nottbeck landen die Fortunen zum Saisonende auf einem sensationellen 2. Tabellenplatz und verpassen die Teilnahme an der Aufstiegsrunde zur 3. Liga hinter dem Meister aus Lotte nur knapp.
„Wir schworen uns, dass wir es in der nächsten Saison packen würden,“ erinnert sich Zinke. Die Mannschaft wird noch einmal durch Spieler wie Ercan Aydogmus, Tobias Steffen, Albert Streit, Florian Hörnig und Kristoffer Andersen verstärkt. Das Vorhaben gelingt, mit sieben Punkten Vorsprung vor den Sportfreunden Lotte und vor Rot-Weiß Oberhausen holt man sich den Meistertitel. „Natürlich hatten wir eine Truppe mit einigen hervorragenden Fußballern, aber das war nicht entscheidend für unseren Erfolg,“ betont der gebürtiger Kasselaner. „Wir waren eine Einheit, ein Team, das sich einfach nicht geschlagen gab, auch wenn wir mal einem Rückstand hinterherlaufen mussten.“ Und so sollte es ja, wie wir wissen, in der Aufstiegsrunde bei den jungen Bayern kommen.
Ein überglücklicher Fortuna-Präsident – Rückkehr zum 1. FC Köln und Karriereende in Hürth
Dort gelingt der Aufstieg in die 3. Liga dann endlich. Mit einem Etat, der deutlich niedriger als der mancher Mitkonkurrenten ist, hat man den Traum der Fans erfüllt, aber auch den der Verantwortlichen. „Es war eine riesige Genugtuung für uns alle, die Glückseligkeit unseres Präsidenten, Klaus Ulonska, zu sehen,“ erinnert sich Zinke. „Der Verein war ihm Herzensgelegenheit, er arbeitete Tag und Nacht für die Fortuna!“ Auch das damalige Vorstandsmitglied, Thomas Olschewski, erinnert sich an diesen Moment: „Die Freude der Fans, die uns nach München begleitet hatten, war unvergesslich. Für viele von ihnen ist Sebastian Zinke noch heute der Aufstiegsheld, weil sein langer Ball den entscheidenden Treffer und damit den Aufstieg möglich gemacht hat.“
Die Fortuna spielt nun in der 3. Liga – zunächst ohne den hochgewachsenen Innenverteidiger. Zinke fällt kurz nach Saisonbeginn mit einem Bandscheibenvorfall drei Monate lang aus. Mehr als sechs Spieleinsätze sind für ihn bis Ende Januar nicht mehr möglich. „Dann erhielt ich einen Anruf von Stephan Engels, damals Trainer der U21 des FC,“ sagt der ehemalige Fortune. „Er bot mir einen Vertrag bis zum 30.6.2016 an, wir wurden uns schnell einig.“ Für Sebastian Zinke schließt sich der Kreis, er trägt wieder das Trikot mit dem Geißbock auf der Brust und läuft für die U21 der Kölner auf. Die Kölner beenden die Saison auf dem 11. Platz der Regionalliga West
Klaus Ulonskas Tränen nach dem Aufstieg der Fortuna | Foto: Micha Will/Bongarts/Getty Images)
Rückkehr zum 1. FC Köln – Karriereende beim FC Hürth
Zur neuen Saison löst Martin Heck, der später mit der U17 des FC den deutschen Meistertitel holt, Stephan Engels als Trainer der U21 ab. Unterstützt wird Heck dabei durch Co-Trainer Patrick Helmes. Das Team um Talente wie Daniel Mesenhöler, Lukas Klünter, Marcel Hartel, Salih Özcan und Lucas Cueto ist jung, möglicherweise zu jung für das körperbetonte Spiel in der Regionalliga West. Zu Beginn der Saison fällt Zinke mit einem Muskelfaserriss lange aus. Das junge Team tut sich schwer, auch die erfahrenen Spieler wie Marius Laux, Maurice Exslager und Sebastian Zinke können nicht verhindern, dass man in Abstiegsnöte gerät. Die letzten Fünf der Tabelle steigen ab, und die Kölner werden Fünftletzter. Nur durch den Aufstieg der Sportfreunde Lotte bleibt dem FC der Abstieg erspart.
Der FC Hürth wird zur neuen Saison Zinkes neuer Verein; Trainer Oliver Heitmann kennt er noch aus alten FC-Zeiten. Beim Mittelrheinligisten kommt er in den nächsten beiden Spielzeiten insgesamt nur auf 13 Einsätze. „Die berufliche Belastung und das Training eines Mittelrheinligisten ließen sich für mich nicht mehr gut unter einen Hut bringen,“ berichtet er. Verletzungen und beruflicher Aufwand zwingen ihn häufig zum Zuschauen.
Sebastian Zinke im Jahr 2014 im Dress der Fortuna | Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images
In der Saison 2018/19 läuft Zinke noch für die zweite Mannschaft des FC Hürth auf und wird von Markus Sabel sowie dem früheren FCler Gregor Kapitza trainiert. Am 5. Mai 2019 nach dem Heimspiel gegen den SV Westhoven hängt er seine Fußballschuhe an den berühmten Nagel. Eine Fußballkarriere, die nicht weniger als 30 Jahre umfasst, findet ein für ihn außergewöhnliches Ende: Er steuert einen Treffer und eine Torvorlage zum 5:2-Sieg der Hürther bei.
Bilanz einer Fußballkarriere
Nicht erst durch den Bandscheibenvorfall, den er als Endzwanziger zu Beginn der Saison 2014/15 erleidet, wird Sebastian Zinke bewusst, dass er sich verstärkt um die Themen Vorsorge, Absicherung und Finanzplanung kümmern muss. Er wird Kunde bei Swiss Life Select, dessen Kölner Manager Thomas Olschewski er von der Fortuna her kennt. Im Laufe der Gespräche erwähnt Olschewski die Möglichkeit für Sebastian Zinke, als Trainee bei dem Finanzdienstleister anzufangen.
Zinke findet Gefallen an dem Konzept der Firma, er merkt, dass die vielen unterschiedlichen Aspekte der Arbeit bei diesem Finanzdienstleister und nicht zuletzt auch die Aufstiegschancen ihm zusagen, und schließt sich dem Unternehmen im Januar 2015 an. Mittlerweile ist er Teamleiter eines Teams mit acht Mitarbeitern. Er fühlt sich wohl dort, arbeitet er doch mit weiteren ehemaligen Fußballern wie Pascal Wichmann, Tobias Haitz, Andreas Glöckner, Jerome Assauer und nicht zuletzt Thomas Olschewski zusammen. „Mein Arbeitgeber gibt mir die Möglichkeit, durch das Sport-Sponsoring mit dem Fußball verbunden zu bleiben, dem Sport, der mein Leben so stark beeinflusst hat,“ sagt er.
Was kann man vom Fußball lernen?
Was hat der Fußball ihm gegeben? Sebastian Zinke überlegt einen Augenblick, dann sagt er: “Ich habe durch diesen Sport sehr viel gelernt: mich zu fokussieren, diszipliniert zu sein und Verzicht zu üben, Regeln zu befolgen. Ich habe wunderschöne Momente im Fußball erleben dürfen, die ich nie vergessen werde, und dazu gehört ganz sicher der Aufstieg mit der Fortuna.“ Hat er noch Verbindungen zum FC? „Kontakte gibt es noch über Christian Osebold, einen der Physios der Profimannschaft, und über meinen ehemaligen Trainer, Martin Heck,“ sagt Zinke.
Nicht nur sportlich und beruflich, sondern auch privat hat er in Köln seine Heimat gefunden. Mit seiner Frau Liesa und den beiden Kindern, Isabel und Philipp, lebt er in Hürth. Philipp ist 18 Monate alt und findet großen Gefallen daran, mit Bällen zu spielen. Würde er seinen Sohn in seinem Wunsch unterstützen, später Profi zu werden? „Ich würde meinen Sohn bei allem unterstützen, natürlich auch, falls er das unbedingt will und das notwendige Talent besitzt, Profi zu werden,“ sagt Sebastian Zinke und lächelt. „Dann müsste ich dafür sorgen, dass er Linksfuß wird, davon gibt es weniger!“
Er begleitet mich noch zum Aufzug im KölnTurm. Als wir uns verabschieden, ist es wieder da, das Lächeln, das im Gespräch so oft über sein Gesicht gehuscht ist. Auch wenn sein Traum, Profi zu werden, sich nicht erfüllt hat, vermittelt Sebastian Zinke den Eindruck, dass das Leben es gut mit ihm meint und er seine Mitte gefunden hat in seinem Beruf, bei seinen Freunden, und ganz sicherlich nicht zuletzt in der Familie.
Alle Artikel der “Lebenswege”-Serie in der Übersicht
Alle “Lebenswege” in der Übersicht:
Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf „Joschi“ Chang, ein Mitglied der Kölner B-Jugend-Mannschaft von 1990, die damals Deutscher Meister wurde.
Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf Massimo Cannizzaro, der, einst ein großes Talent, auch die negativen Seiten des Geschäfts kennenlernte.
Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf Stefan Oventrop, der die Schuhe noch nicht an den Nagel gehangen, aber beruflich einen äußerst interessanten Weg eingeschlagen hat.
Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf Frank Ploeger, dessen Traum von einer Profikarriere früh platzte – etwas aus sich gemacht hat er trotzdem.
Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf Gregor Kapitza, in dessen Leben Fußball eine große Rolle spielt – und der immer noch Verbindungen zum Geißbockheim hat.
Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf Hermann Knöppel, der 17 Jahre lang und in etwa 500 Spielen für den 1. FC Köln aktiv war.
Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf Rocco Kühn, der 1993 von Frank Schaefer aus Dresden zum Nachwuchs der Geißböcke geholt wurde und zu den größten Nachwuchshoffnungen gehörte.
Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf Thomas Olschewski, der als erfolgreicher Finanzberater dem Fußball immer noch eng verbunden ist.