Welche Überlegungen führten zu dieser Maßnahme?
Der Aufbau der Nachwuchsleistungzentren geht zurück auf die Neuorientierung der Nachwuchsförderung im DFB und war eine der Reaktionen auf die Misserfolge der DFB-Elf Ende der 90er Jahre und zu Beginn des neuen Jahrtausends. Der deutsche Fußball war in eine Sackgasse geraten, eine verbesserte und umfassendere Nachwuchsförderung sollte einer der Wege raus aus dieser Misere sein. Es gab einen Katalog an Kriterien, die es bei der Zertifizierung eines NLZs zu erfüllen galt und in dessen Entwicklung auch ich eingebunden war.
Insgesamt wurden über 500 Kriterien aufgestellt in den Bereichen Talententwicklung, psychologische Betreuung, medizinische und pädagogische Begleitung. Und danach mussten die Vereine entsprechende personelle und infrastrukturelle Maßnahmen ergreifen, um diesen Forderungen gerecht werden zu können. Der 1. FC Köln hat sich in dieser Phase sehr erfolgreich aufgestellt und gehörte dann mit seinem Nachwuchsleistungszentrum, das eine Drei-Sterne-Bewertung erhielt, zu den besten Nachwuchsleistungszentren in Deutschland.
Sie haben damals auch die noch heute bestehende Kooperation mit der Elsa-Brändström- Realschule auf den Weg gebracht. Wie lief das genau ab?
Der Anstoß dazu kam durch die Zertifizierung, denn dort wurde eine Schulkonzeption gefordert. Ich bin dann zu der Schule gegangen, die am nächsten zum Geißbockheim gelegen war – das war die Elsa-Brändström-Realschule. Dort bin ich mit Beate Weisbarth auf eine Schulleiterin getroffen, die sich der Idee einer Kooperation mit dem FC gegenüber sehr aufgeschlossen zeigte. Deshalb haben wir sehr schnell die Idee einer Geißbock-Akademie umsetzen können. Später kam auch noch das Internat hinzu. Zunächst aber haben wir ganz einfach angefangen. So fand die Hausaufgabenbetreuung zu Beginn in der Jugendhütte hinten vor dem Platz 7 am Geißbockheim statt. Nach und nach entwickelte sich das Konzept zu einer Kooperation mit mehreren Partnerschulen, aus dem schlussendlich das Verbundsystem sportbetonter Schulen erwuchs.
Später folgte als nächster Schritt die Einrichtung des Internats. Die Grundidee war zum damaligen Zeitpunkt, dass wir im Sportinternat Köln in Kooperation mit dem Olympiastützpunkt Köln jungen Menschen aus unterschiedlichen Sportarten das Miteinander von schulischer Ausbildung und bestmöglicher Förderung in ihrer Sportart bieten wollten. So entstand das Projekt Sportinternat Köln, und der Umstand, dass dort junge Sportler aus ganz unterschiedlichen Sportarten zusammenkamen, war die Bedingung dafür, dass dieses Projekt damals über das Konjunkturpaket 3 von der Landesregierung bezuschusst wurde.
Neben diesen strukturellen Entwicklungen haben sie in dieser Zeit ganz viele junge Fußballer beim FC begleitet, Gespräche mit ihnen geführt und Verträge geschlossen. Gibt es besondere Erinnerungen an diese Zeit?
Zunächst einmal habe ich ziemliches Neuland betreten, denn nun war die Arbeit am Schreibtisch im Mittelpunkt meiner Betätigung und nicht mehr der Trainingsplatz. Dazu gehörte es unter anderem, Jugendverträge und auch Lizenzspielerverträge mit den Spielern abzuschließen und vorbereitende Gespräche zu führen. In den Jahren von 1997 bis 2012 hat es dabei schon eine ganze Reihe von Nachwuchsspielern gegeben, die anschließend ihren Weg in den Profifußball gefunden haben, und hinter jedem einzelnen Vertrag steckt jeweils eine ganz spezielle Geschichte.
Der Vertragsabschluss mit Massimo Cannizzaro fällt mir da ein. Massimo spielte eine fantastische Saison in der A-Jugend des 1. FC Köln und sollte seinen ersten Profi-Vertrag unterzeichnen. Als Franz-Josef Kijak, damaliger Jugendvorstand, und ich in Rodenkirchen ankamen, roch es so fantastisch nach den kulinarischen Genüssen einer italienischen Küche und wir nahmen im elterlichen Restaurant mit der gesamten Familie Cannizzaro Platz. Es war klar, dies ist ein sehr besonderer Moment. Zur Unterschrift stellte „Jupp“ Kijak seinen wertvollsten Stift, eine neue Errungenschaft, zur Verfügung. Voller Stolz blickte Massimo nach der Unterzeichnung auf und sagte: „Mit diesem Stift habe ich meinen ersten Profivertrag unterzeichnet, darf ich den behalten?“ Bis heute kann ich mich an den sehr überraschten Ausdruck im Gesicht von Franz-Joseph Kijak erinnern. Er willigte schlussendlich ein, wie er es immer für die Jungs tat, auch wenn er seinem Stift recht sehnsüchtig nachschauen musste.
In Ihrer Zeit beim FC durchlief Lukas Podolski die Nachwuchsabteilung des Vereins, einer der erfolgreichsten Nachwuchsspieler, die der Verein jemals hervorgebracht hat. Aus Ihrer Sicht: Was hat ihn damals in der Jugend ausgezeichnet?
Lukas war schon damals ein ganz besonderer Spieler und auch in jungen Jahren bereits ein ganz besonderer Typ. Was ihn dabei auszeichnete, war sein Grundvertrauen in sich selbst, aber auch in die Menschen, die ihn begleiteten. So unterzeichnete er seinen ersten Profivertrag ohne die dann später üblichen Agenten und mit vollem Vertrauen in unseren Rat, dass dies der richtige Schritt für ihn ist. Es ist ziemlich gut gegangen. Das ist bei den heutigen Spielern – vorsichtig ausgedrückt – nicht immer so. Er hatte eine ganz große Identifikation mit dem Klub und eben sehr viel Vertrauen den Verantwortlichen gegenüber – das war außergewöhnlich. Dazu trug auch seine Familie bei, die ihn unterstützt und begleitet hat, durchaus auch kritisch, wenn es angebracht war, aber immer unterstützend. Sie haben ihm einfach Vertrauen geschenkt und das strahlt Lukas bis zum heutigen Tag aus.
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