Auch wenn danach die körperlichen Folgen der Blessur überwunden sind, merkt Marco Weller, dass sich bei ihm etwas verändert hat. „In mir ist damals etwas kaputtgegangen, meine Einstellung zum Fußball war plötzlich eine andere“, erläutert er. „Vorher musste ich unbedingt jeden Ball haben, das Spiel an mich reißen, jetzt wollte ich nur nicht negativ auffallen, entwickelte eine Mitschwimmer-Mentalität.“ Neururer führt zunächst die eher mäßigen Trainingsleistungen seines Schützlings auf die soeben überwundene Verletzung zurück und will ihm Spielpraxis bei den Amateuren verschaffen.
Trainer Peter Neururer “is not amused”
Der junge Mittelfeldspieler nimmt am Abschlusstraining der Zwoten teil, bekommt aber von Trainer Stephan Engels kein Leibchen, das den Spielern vorbehalten ist, die zur Startelf beim anstehenden Spiel gehören. Was dann folgt, schildert Weller so: „Nach dem Training ging ich zur Behandlung bei Jürgen Schäfer und traf dort auf Michael Kostner und Bodo Schmidt. Wir unterhielten uns, Kostner fragte mich, ob ich das nächste Spiel bei den Amateuren bestreiten und dort in der Startelf stehen würde. Ja, ich werde wohl spielen, aber nicht von Anfang an. Daraufhin entrüsteten sich beide und rieten mir, nochmals zu Stephan Engels zu reden, das ginge doch nicht, dass eines der größten Talente Deutschlands bei den Amas auf der Bank sitzen müsse!“
Schnurstracks sucht Weller den Trainer auf, der ihm in ruhigen Worten erklärt, dass er zum Kader für das anstehende Spiel gehöre, aber nicht in der Startelf stehe. „Daraufhin habe ich Stephan Engels gesagt, dass er nicht mit mir rechnen könne. Wenn ich nicht von Anfang spiele, müsse ich ja auch nicht mitfahren.“ Als Peter Neururer von diesem Gespräch hört, rastet er förmlich aus. „Er schrie mich an, was ich mir einbilden würde, das wäre doch kein Kasperltheater hier“, erzählt Weller. Der Coach will sowohl ihn als auch Mitspieler Marcell Fensch aus dem Profikader verbannen und ganz zu den Amateuren schicken, was aber dann doch durch die Intervention des neuen Managers, Carl-Heinz Rühl, unterbleibt. So trainieren beide weiter bei den Profis, spielen jedoch bei den Amateuren.
Wellers Situation im Verein ändert sich auch in der Folgesaison nicht, dafür bezieht seine Hoffnung auf Besserung Nahrung dadurch, dass DFB-Trainer ihn in die U21-Nationalelf beruft. Doch auch hier wiederholt sich ein schon bekanntes Muster: Der Silberstreif am Horizont wird zunichtegemacht durch eine neuerliche Verletzung, diesmal ein Anriss der Patellasehne, den er sich in seinem zweiten U21-Länderspiel zuzieht. Beim FC hat das Traineramt inzwischen gewechselt, Lorenz-Günther Köstner ist auf Neururer gefolgt. Viele Begegnungen gibt es nicht zwischen dem jungen Mittelfeldspieler und dem neuen Trainer. Weller hat gerade erst zweimal unter Köstner trainiert, als es zu der Blessur kommt.
Knie-OP in Bern und ein straffes Fitnessprogramm
Für den ehemaligen Herdorfer fängt nun eine lange Reha-Phase an, die fast ein ganzes Jahr dauern sollte. Seine Tage verbringt er in Behandlungsräumen, auf Massageliegen und mit Gymnastikbällen. Er hat inzwischen eine eigene Wohnung in Frechen-Königsdorf und nutzt die Abende, um sich abzulenken und von den Strapazen der Reha zu erholen. Er sucht Zerstreuung, die Lichter der Großstadt locken, zieht um die Häuser und lässt dabei so manches Mädchenherz höherschlagen.
Doch die Knieprobleme bleiben, und im Mai 1998 lässt er sich auf Anraten von Bayern-Arzt Müller-Wohlfahrt bei einem Kniespezialisten in Bern operieren. Das Ergebnis ist deprimierend: „Der Chirurg sagte mir nach der OP, dass sich durch die vielen Kniespritzen totes Gewebe in der Patellasehne gebildet habe, dessen unerlässliches Entfernen ein Loch in der Sehne hinterlassen habe, das nicht genäht werden konnte“, berichtet Weller. Wieder prägen Reha-Maßnahmen seinen Alltag, doch diesmal nimmt er sich vor, stärker zurückzukommen als je zuvor. Nach Beendigung der postoperativen Behandlungen erlegt er sich unter Anleitung von Konditionstrainer Uwe Speidel ein straffes Fitnessprogramm auf, das aus je einer Einheit Laufen und Krafttraining besteht – und das Tag für Tag.
Inzwischen hat er den ersten Abstieg in der Bundesligageschichte des 1. FC Köln tatenlos mit ansehen müssen und auch ein neuer Trainer erwartet die Profis im Sommer 1998 – Bernd Schuster, ein Weltstar mit FC-Vergangenheit. Marco Weller zieht sein spezielles Kraft- und Ausdauerprogramm eisern durch und, als er im November ins Mannschaftstraining zurückkehrt, ist er so fit wie nie zuvor. „Ich hatte ein sehr gutes Gefühl, hatte keine Schmerzen und konnte laufen ohne Ende“, erinnert er sich. Bernd Schuster wird schnell auf Marco Weller aufmerksam, spricht viel mit ihm und bindet ihn immer mehr ein.
Neue Hoffnung unter Trainer Bernd Schuster
Der junge Mittelfeldspieler schöpft Hoffnung, es stimmt alles, Trainingsleistungen, Fitnesszustand und mentale Frische. Ende November ist es dann so weit. Schuster nimmt ihn zur Seite und teilt ihm mit, dass er gegen Tennis Borussia sein erstes Spiel machen werde. Vorher solle er noch mit den Amateuren in Langerwehe spielen, um die nötige Spielpraxis zu bekommen. Für Marco Weller scheint das Ziel endlich greifbar nahe, der erste Profieinsatz nur noch wenige Tage entfernt. Doch, wie so oft in seiner Karriere, kommt alles ganz anders. „Das Spiel in Langerwehe ging gut los“, erinnert er sich. „Ich habe nach wenigen Minuten ein Tor gemacht und wollte kurze Zeit später einem langen Ball hinterhersprinten, als es in meinem rechten Oberschenkel „Peng“ machte. Ein Faserriss – Trainingspause, Spielpause, die Partie bei den Profis musste ich mir abschminken.“
Marco Weller will sich davon nicht unterkriegen lassen und trainiert in der Reha, soweit es die Verletzung zulässt. Macht viel, vielleicht zu viel, wie einige meinen. „Die Physios warnten mich, meinem Körper nicht zu viel zuzumuten“, sagt er. „Ich wusste, Schuster setzte auf mich. Und da war die Chance, ein zweites Mal würde ich sie nicht verpassen.“ In der Winterpause nimmt Schuster ihn mit zum Trainingslager der Profis in Chile. „Wir stiegen aus dem Flugzeug aus, kamen aus der winterlichen Kälte in Deutschland und trafen auf hochsommerliche Temperaturen von 30 Grad und mehr,“ erzählt er. „Beim Aufwärmen vor dem ersten Training war ich schon völlig fertig, hatte das Gefühl, kaum Luft zu bekommen. Da war es, das körperliche Loch, vor dem mich alle gewarnt hatten.“
Das Ende seiner Zeit beim FC, der Wechsel nach Dresden, die Rückkehr in den Westen