2016 wird Jerome Assauer Sportinvalide – und kümmert sich von da an verstärkt um eine berufliche Perspektive außerhalb des Fußballs. „Mein Freund Sebastian Zinke war damals schon für Swiss Life Select tätig“, erinnert sich Assauer. „Zusammen mit Thomas Olschewski hat er mir verschiedene Möglichkeiten der Finanzplanung und Altersvorsorge vorgestellt, und so bin ich Kunde bei dem Unternehmen geworden. Als ich dann mit meiner letzten schweren Verletzung zu kämpfen hatte, habe ich am eigenen Beispiel spüren müssen, wie wichtig es, gegen solche Unabwägbarkeiten des Lebens versichert zu sein.“
Im Laufe der Gespräche erwähnt Olschewski die Möglichkeit für Jerome Assauer, als Trainee bei dem Finanzdienstleister anzufangen. Assauer gefällt die Unternehmensphilosophie von Swiss Life Select, erkennt, dass die vielen unterschiedlichen Aspekte der Arbeit bei diesem Finanzdienstleister und nicht zuletzt auch die Aufstiegschancen ihm zusagen, und schließt sich dem Unternehmen im Januar 2016 an. Parallel dazu absolviert er eine kaufmännische Ausbildung, die er 2019 erfolgreich abschließt. Er fühlt sich wohl bei dem Finanzdienstleister, arbeitet er doch mit weiteren ehemaligen Fußballern wie Sebastian Zinke, Pascal Wichmann, Tobias Haitz, Andreas Glockner und nicht zuletzt Thomas Olschewski zusammen.
Lissabon 2018 – Weltmeister im Kleinfeldfußball
So ganz kann er vom Fußball aber doch nicht lassen. Dominic Reinold, ein Teamkollege aus vergangenen Jugendtagen, erzählt ihm von einem Vorbereitungslehrgang der deutschen Kleinfeldnationalmannschaft auf die im September stattfindende Weltmeisterschaft in Lissabon. Kurz entschlossen nimmt Assauer teil, überzeugt Nationaltrainer Malte Froehlich und fährt mit zur WM. „In Lissabon hatten die Organisatoren einen Hotspot ausgesucht auf dem beliebtesten Platz der Stadt in unmittelbarer Strandnähe, um dort ein Stadion zu errichten, in dem abends drei- bis viertausend Zuschauer ein Höllenspektakel veranstaltet haben. Da hat es einfach unglaublichen Spaß gemacht, Fußball zu spielen“, schwärmt Assauer noch heute.
Nachdem sich das deutsche Team durch die Vorrunde gekämpft hat, steht es im Achtelfinalspiel gegen Slowenien Sekunden vor Schluss 3:3, als Malte Fröhlichs Team ein letzter Freistoß zugesprochen wird. Der Ball kommt zu Jerome Assauer, der fast an der Torauslinie stehend einen Gegner austanzt und aus unmöglichem Winkel zum erlösenden 4:3 trifft. Die USA im Viertelfinale und auch die favorisierten Russen im Halbfinale werden jeweils nach Penalty Shootout besiegt, bevor im Endspiel die starken Polen auf das deutsche Team warten. Sieben Minuten vor Schluss schließt Niklas Kühle einen unwiderstehlichen Alleingang mit dem 1:0-Siegtreffer ab, die Mannschaft bringt den knappen Vorsprung über die Zeit – und holt einen Weltmeistertitel, mit dem niemand ernsthaft gerechnet hat.
„Es war ein unvergessliches Erlebnis, das natürlich mit dem überraschenden Gewinn des WM-Titels gekrönt wurde“, erinnert sich der gebürtige Kölner. „Aus unserer Mannschaft hatten nur Dominic Reinold aus seiner Zeit in Portugal und ich Profierfahrung, alle andere kamen aus dem Amateurbereich. Und da waren einige der anderen Teams schon deutlich besser aufgestellt. Aber auch hier bewahrheitete sich wieder die alte Fußballweisheit, dass die Einstellung die Aufstellung schlagen kann.“
Bei der Weltmeisterschaft 2019 hilft allerdings auch die Einstellung nicht, den Weltmeistertitel zu verteidigen. Das deutsche Team scheidet nach der Vorrunde aus. „Trotzdem war das wieder eine Riesensache“, sagt Assauer. „Ich hoffe, dass ich da noch einige Jahre mitspielen kann und mein Körper das hergibt. Die Schmerzen nach jedem Spiel signalisieren mir, dass dies das einzige ist, was ich im Fußball noch machen kann. Einmal im Jahr, mehr ist nicht drin. In diesem Jahr sollte die WM in Mexiko-Stadt ausgetragen werden, doch wegen Corona ging das nicht.“
Assauers Bilanz im Fußball: Freundschaften und wichtige Lehren fürs Leben
Wie ist seine Beziehung zum 1. FC Köln? „Natürlich verfolge ich den Verein noch, sehe das Geschehen jedoch sehr viel nüchterner, seitdem ich meine Laufbahn beendet habe“, antwortet er nach kurzem Zögern. „Ich schaue mir sehr gerne Fußballspiele an, habe aber Abstand gewonnen zu dem, was ich da sehe. Ich bin mit keinem Verein mehr so richtig verbunden, weder mit dem FC noch mit der Borussia”, so Assauer. Hat er noch Verbindungen zum FC? „Einige der älteren Spieler der U21 wie Lucas Musculus oder Lukas Nottbeck sind gute Freunde geworden, Rainer Thomas, der Teammanager der Amateure, hat mir letztens zu meinem Geburtstag geschrieben.“
Wie sieht die Bilanz seiner Zeit im Fußball aus? Er überlegt einige Augenblicke lang, dann sagt er: „Einerseits muss man ehrlich sein und feststellen, dass ich nicht den Weg genommen habe, den ich mir gewünscht hätte. Die Gründe dafür sind vielfältig, einige Entscheidungen waren nicht optimal, dazu kommen noch meine Verletzungen. Aber im Rückblick kann ich sagen, dass ich mir keine großen Vorwürfe machen muss, es sollte einfach nicht sein. Andererseits habe ich dem Fußball wunderschöne Momente zu verdanken wie das Zweitligadebüt für Paderborn, die Saison in Koblenz, als ich Torschützenkönig wurde, oder zuletzt der Weltmeistertitel mit der Kleinfeld-Nationalmannschaft.“
“Nicht nur Sonnenseiten”: Berufliches und privates Glück
Er hält kurz inne. „Vielleicht noch wichtiger für mich sind aber die Menschen, die ich durch diesen Sport kennengelernt habe. Auf jeder meiner Stationen im Fußball habe ich Freundschaften geschlossen, die bis heute Bestand haben. Es ist einfach schön, auf die alten Weggefährten zu treffen, wenn ich zum Beispiel Roger Schmidt oder Frank Schaefer sehe und sie in die Arme nehmen oder auch Michael Dämgen und all die anderen. So etwas ist letztendlich wichtiger als die Frage, ob ich 200 oder 300 Spiele in der dritten oder vierten Liga bestritten habe. Das ist auch das, was nachhaltig ist, die Beziehung zu den Menschen, die Freunde, die man gewonnen hat.“
„Vielleicht noch wichtiger für mich sind aber die Menschen, die ich durch diesen Sport kennengelernt habe.”
Er denkt einige Momente nach, dann sagt er: „Ich habe durch den Fußball gelernt, dass das Leben nicht nur Sonnenseiten hat, dass es Enttäuschungen gibt und Misserfolge, dass Träume zerplatzen. Das war hart, das hat auch damals an mir genagt, aber ich bin gestärkt da ‘rausgekommen. Das war sehr lehrreich und hilft mir heute kolossal.“
Diese letzten Sätze hallen noch nach, als wir wenig später unser Gespräch mit einem Mausklick beenden. Die ganz große Fußballbühne ist Jerome Assauer versagt geblieben, aber er hat sein Zuhause gefunden in Köln, beruflich bei Swiss Life Select, privat bei seiner zukünftigen Ehefrau Bekki, die er am 4. April dieses Jahres in Österreich, ihrem Lieblingsurlaubsland, heiraten wollte, was aber durch das grassierende Virus verhindert wurde. Im Oktober soll dies nun nachgeholt werden, so Gott will und Corona es erlaubt. Es wäre den Beiden von Herzen zu wünschen!
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