Wer sind eigentlich die Supras Auteuil, die in Nizza an den Ausschreitungen beteiligt waren?
Viel wird in diesen Tagen spekuliert über die Ausschreitungen und Gewaltszenen in Nizza, immer wieder fällt dabei der Name Supras Auteuil. Die Anhänger aus der Fanszene von PSG und die Freundschaft, die sie mit einigen Kölner Fußballfans verbindet, scheint vielen vor den Geschehnissen von Nizza kein Begriff gewesen zu sein. Womit die Supras – besonders im Boulevard – immer wieder beschrieben werden: Sie sind eine in Frankreich verbotene Gruppe, “Hools aus der französischen Hauptstadt”. Doch ganz so einfach wie diese plakative Beschreibung ist ein umfassender Erklärungsversuch nicht.
2010 wurde die Gruppe offiziell verboten, vorausgegangen waren schwere Kämpfe zwischen den zwei Kurven im Parc des Princes. Auf der einen Seite die politisch links eingestellten Virage Auteuil zu denen auch die Supras Auteuil zählen, auf der anderen Seite die als rechts bekannten Fans in der Kurve Kop of Boulogne (KOB). Trauriger Höhepunkt der Auseinandersetzungen war der Tod eines Anhängers der KOB, der sich bei einem rassistisch motivieren Angriff auf Fans aus der Virage Auteuil schwer verletzte und später seinen Verletzungen erlag. In Folge verbot das französische Innenministerium sieben Ultrà-Gruppen in ganz Frankreich, auch die Supras Auteuil. Ebenso die Brigade Sud vom OGC Nice, die sich kurzerhand einen neuen Name gab und das Verbot so umging. Heute sind sie als Ultras Populaire Sud bekannt. Wer sich für die Geschichte interessiert, kann diese im Archiv der “Coloniacs” nachlesen.
Die Freundschaft zwischen Kölner Anhängern und den multikulturellen und traditionell linken Fans aus Paris besteht seit 2003 und prägte die Kölner Fanszene in einer wichtigen Zeit, wie ein Twitter-Nutzer in diesem lesenswerten Thread beschreibt:
1/4 Man sollte auch beachten,dass die Freundschaft zu Paris die Kölner Ultra-Szene durchaus positiv geprägt hat.Noch Anfang der 2000er waren rassistische Elemente zwar selten, aber dennoch nichts komplett ungewöhnliches in der Kölner Szene.
— LondonSuedOst (@LondonSuedost) September 13, 2022
2/4 Die enge Freundschaft zu den Supras und anderen Gruppen der Virage Auteuil haben die Szene jedoch beim Thema Rassismus sensibilisiert. Angesichts des kulturellen Hintergrunds der Supras und den heftigen von Rassismus geprägten internen Pariser Konflikten,
— LondonSuedOst (@LondonSuedost) September 13, 2022
3/4 hat sich über die Jahre hinweg eine immer stärkere 0-Tolleranz Einstellung beim Thema Rassismus gebildet, was sich in den jüngeren Generationen zu einer doch ziemlich klaren Anti-Rassismus Haltung der
Kölner Ultras entwickelt hat.— LondonSuedOst (@LondonSuedost) September 13, 2022
4/4 Fast 20 Jahre Freundschaft mit Paris haben da definitiv ihren Anteil dran. In diesem Artikel anlässlich des Supras-Verbots gewinnt man einen Einblick in die Thematiken,mit welchen auch die Kölner Ultraszene im Rahmen der Freunschaft konfrontiert wurde https://t.co/Wrf5F4emZX
— LondonSuedOst (@LondonSuedost) September 13, 2022
Doch spricht man über die Geschichte der Fans der Supras Auteuil, darf auch der Streit mit der katarischen Investorengruppe nicht vergessen werden, die den Verein im Jahr 2011 übernahm. Nach dem Todesfall von 2010 legten die Kataris ein Sicherheitskonzept vor, das keiner Fanszene gefallen würde wie Dauerkartenverbote oder zufällige Sitzplatzzuteilung. Aus Protest gegen diese Maßnahmen und den Investor zogen sich die Supras Auteuil aus dem Stadion zurück. Mehr über die Thematik des Konfliktes zwischen Fans und Investoren in Paris findet ihr beispielsweise beim Text von Arne Steinberg bei “11 Freunde”.
Spruchband der Wilden Horde vor dem Spiel gegen Union Berlin sorgt für Ärger
Rund 72 Stunden nach den Vorkommnissen von Nizza zeigte die “Wilde Horde” vor dem Spiel gegen Union Berlin ein Spruchband mit dem Text “Quand t’entends Horde y’a Supras Qui va avec”, welches sinngemäß mit “Wo Horde draufsteht, sind auch Supras drin” übersetzt werden könnte. Die größte Kölner Ultragruppierung solidarisierte sich damit mit ihren französischen Freunden, welche von der Öffentlichkeit teilweise als Alleinschuldige und Sündenböcke für die Ausschreitungen im Stadion von Nizza verurteilt wurden, ohne das nach Meinung der “Wilden Horde” die Vorgeschichte der Ausschreitungen oder auch die Rolle anderer Gruppen entsprechend differenziert beleuchtet wurde. Viele Fans fassten das Spruchband allerdings als Provokation gegen Verein und als blinde Solidarisierung mit Gewalttätern auf und fragten unter anderem, wo die Solidarisierung mit den Kölnern war, die in Nizza verletzt wurden. Auch wurde der Umstand, dass dies die erste und bis dato einzige Reaktion auf die Vorkommnisse in Nizza war, kritisiert. FC-Vorstand und Geschäftsführung trafen sich im Anschluss an das Spiel gegen Union Berlin am Sonntag mit der aktiven Fanszene, um den Tag in Nizza weiter aufzuarbeiten. Auch das Spruchband dürfte dabei eine Rolle gespielt haben.
Vorstand reagiert auf Vorkommnisse von Nizza: “Müssen Debatte führen”
Am Montagabend reagierte der Vorstand des 1. FC Köln in einem Brief an die Vereinsmitglieder erstmals auf die Vorfälle von Nizza. Dort hieß es, der 1. FC Köln habe am Donnerstag in Nizza schweren Schaden genommen, Gewalttäter hätten einen Tag “voller Hoffnungen, Vorfreude und Zusammenhalt mit ihren Aktionen zerstört”, stattdessen wären Ängste ausgelöst worden. “Was wir auf den Tribünen gesehen haben, waren keine Selbstverteidigungsmaßnahmen, sondern Aktionen – teilweise mit entfesselter Gewalt. Dafür gibt es überhaupt keine Entschuldigung”, betont das Triumvirat um Präsident Werner Wolf.
Wichtig für den Vorstand sei im Folgenden insbesondere eine Debatte über Gewalttäter, die sich im Schutz der Masse verstecken würden. Diese würden eine “Mischung aus Tolerierung, Gleichgültigkeit, aber auch Angst der FC-Fans um sie herum” nutzen, um anonym zu bleiben. Daraus folgt für Wolf, Sauren und Wettich, dass es “eine gemeinsame Haltung des gesamten FC [braucht], wir brauchen den öffentlichen Druck, die Mitwirkung unserer Mitglieder und der Fanszene, um relevante Fortschritte zu erzielen”, denn, so das Präsidium weiter: “Es ist ein Punkt erreicht, an dem wir so nicht weitermachen können.”
Sowohl auf der nächsten Mitgliederversammlung, aber auch per Mail unter vorstand@fc-koeln.de sind Fans aufgerufen, sich an der Debatte zu beteiligen.
Französischer FC-Anwalt gibt Le Monde Interview: Organisatorische Mängel bei den Veranstaltern in Nizza
Der französische Anwalt Cyril Dubois wurde vom 1. FC Köln beauftragt, das Auswärtsspiel in Nizza letzte Woche juristisch zu begleiten. Dubois hat sich nun mit einem Interview bei der französischen Zeitung “LeMonde” zu Wort gemeldet und Kritik an den französischen Behörden im Zusammenhang mit dem Spiel geäußert. So hätte es am Spieltag nur unzureichende Informationen für die Gästefans gegeben, die Shuttlebusse aus der Stadt zum Stadion seien nicht gefahren und im Stadion selber habe es anschließend keine Sektorentrennung gegeben, mit welcher Ausschreitungen hätten verhindert werden können. Der französische Art der Organisation hätte schon beim Champions-League-Finale in Paris im Mai nicht funktioniert und sei auch am Donnerstag gescheitert. Zurückzuführen sei dies unter anderem auf den in den letzten Jahren in Frankreich verbreiteten Ansatz, Gästefans einfach zu verbieten. Dies hätte das Land unfähig gemacht, solche Veranstaltungen zu organisieren. Hauptverursacher seien natürlich dennoch die Unruhestifter gewesen.
Der Anwalt Cyril Dubois wurde nach eigenen Angaben vom 1. FC Köln in Nizza um juristische Unterstützung gebeten. In Le Monde erschien nun ein Interview mit ihm, er spricht vor allem über die organisatorischen Mängel bei #OGCKOE.#UECL #effzeh https://t.co/rnA8H5u21y
— Chaled Nahar (@ChaledNahar) September 12, 2022
Stehplätze im Müngersdorfer Stadion am Donnerstag gegen 1. FC Slovácko
Es gibt zum Glück nicht nur negative, traurige und anstrengende News rund um das Spiel in Nizza letzte Woche, sondern auch positive. Zum Beispiel: Seit dieser Saison gibt es im Europapokal wieder Stehplätze, zumindest für Vereine in England, Deutschland und Frankreich. Und leider erstmal auch nur als Testlauf.
Die Testphase betrifft allerdings also auch das Spiel des 1. FC Köln am kommenden Donnerstag gegen den 1. FC Slovácko. Der Unterrang der Südkurve wird also nicht wie noch vor fünf Jahren und im Playoff-Spiel gegen den ungarischen Vertreter Fehervar FC bestuhlt, sondern so aussehen und voll sein wie in der Bundesliga. Am Ende der Saison wird die UEFA mit einem Bericht Bilanz ziehen und die Testphase entweder auf weitere Länder ausdehnen oder den Versuch eventuell auch wieder beenden, sollte der Testlauf zu negativen Erfahrungen führen.
Für die UEFA-EM 2024 in Deutschland hat die Testphase übrigens keine Bedeutung. Es wird dort unabhängig von den Erfahrungen in den europäsichen Clubwettbewerben in dieser Saison keine Stehplätze geben, bestätigte der DFB der Sportschau. Die Fan-Organisation Football Supporters Europe (FSE) zeigte im Gespräch mit der Sportschau enttäuscht: “Das ist eine verpasste Gelegenheit, eine neue Generation von Fußballturnieren zu beginnen.”
Ticketspenden für das Auswärtsspiel in Uherské Hradiště: „If I had to judge by the noise and cheering, there were a lot of children”
Ende Oktober tritt der 1. FC Köln im tscheschichen Uherské Hradiště beim 1. FC Slovácko für das fünfte Gruppenspiel in der Conference League an. Dort startete Anfang September der freie Vorverkauf für die Gruppenspiele, für umgerechnet rund 60 Euro konnte man sich allerdings nur ein Ticketpaket für alle drei Gruppenspiele der Tschechen kaufen. Viele FC-Fans nutzten das Angebot dennoch, um ihr Ticket für das Auswärtsspiel der “Geißböcke” im gerade einmal 8000 Zuschauer fassenden Městský fotbalový stadion Miroslava Valenty sicher zu haben. Doch wohin mit den Tickets Slovácko vs. Nizza und Belgrad?
Einige FC-Fans sowie die aktive Fanszene und weitere Fanclubs starteten kurzerhand Aktionen für Kinder im Umland und spendeten ihre Tickets für die Spiele von Slovácko gegen Partizan und Nizza. Das sozialpädagogische Fanprojekt unterstützte und koordinierte extra kurzfristig mit tschechischen Vertreter*Innen, bedankte sich auf ihrer Homepage für das Engagement aller spendenden FC-Fans und zitierte die Betreuerin Kristýna: „If I had to judge by the noise and cheering, there were a lot of children.”
Auch wenn das erste Spiel gegen Partizan bereits gespielt ist (3:3), so könnt ihr überschüssige Tickets für das Spiel Slovácko – Nizza natürlich weiterhin spenden und Kindern in Südmähren sowie der Zliner Region ein unvergessliches Erlebnis machen.
https://twitter.com/koelnerfp/status/1567062174568259584?s=21&t=yNp3yVbNc0DG4DEmY3DR3Q