Schon zum dritten Mal widmete man sich beim Pay-TV-Sender “Sky” der Situation der deutschen Ultras. 2013 stellte man die größte Subkultur in Deutschland dokumentarisch vor, 2016 verdeutlichte man in einer weiteren Dokumentation, warum sich Ultras zunehmend unter Druck gesetzt sehen. Im Jahr 2018 setzt man sich nunmehr damit auseinander, wie Ultras für aktive Mitbestimmung in ihren Vereinen (im wahrsten Sinne des Wortes) kämpfen und sich gegen die Kommerzialisierung stellen.
Der Ausgangspunkt der Doku ist ein Schlaglicht auf die Vorkommnisse in den vergangenen Monaten, nach denen Ultras in den Fokus der nationalen Berichterstattung rückten. Dazu gehörten die Angriffe auf Leipzig-Fans beim Auswärtsspiel in Dortmund, die Aktionen der KSC-Fans in Stuttgart und das martialische Auftreten der Dresdner Fanszene inklusive deren Kriegserklärung an den DFB beim Auswärtsspiel in Karlsruhe.
Hannover als Brennpunkt – und Vorbild?
Erstaunlich reflektiert wird mit den Gesprächspartnern zunächst die Sinnhaftigkeit der Kollektivstrafen diskutiert, bevor der Bogen zu den Pyro-Aktionen der Frankfurter und Dortmunder beim DFB-Pokalfinale gespannt wird. In diesem Zusammenhang wird auch festgehalten, dass die Pfiffe gegen den Auftritt von Helene Fischer in der Halbzeitpause der ultimative Ausdruck des Unwohlseins der Fans gegenüber der Kommerzialisierung sind.
Danach wird völlig zurecht auf den Konflikt bei Hannover 96 eingegangen, wo neben Fan- und Medienvertretern auch ein Rechtsanwalt befragt wird. Beispielhaft wird erwähnt, dass die kritischen Hannoveraner Fans sich mit der Satzung des Vereins auseinandersetzen und damit stellvertretend für viele andere Bundesliga-Standorte gelten. Interessanterweise sagt Martin Kind, als 96-Präsident Zielscheibe der Kritik, dass er glaube, dass die Auseinandersetzung “an Dynamik verlieren” werde. Naja, warten wir das mal ab.
>>> Offener Brief des 1. FC Köln an Ultra-Szene: Literweise Öl ins Feuer
Danach folgt ein großer Block, in dem man sich mit der Situation beim 1. FC Köln beschäftigt. Ausgangspunkt hier ist die Choreo beim Spiel gegen den BVB im Dezember 2016, als kritische und diskutable Inhalte dafür sorgten, dass im Anschluss durch den Verein Stadionverbote ausgesprochen wurden und die aktive Fanszene den Dialog in der AG Fankultur aufkündigte. Zu Wort kommt der Fanbeauftragte Rainer Mendel, der sich im Anschluss auch einem Spruchband ausgesetzt sah, auf dem stand, dass “seine Tage gezählt” seien.
Danach lässt man auch Volker Lange, Chef der der Polizeidirektion Köln-West, zu Wort kommen und ihn seine Einschätzung der Lage erklären. Der Konflikt zwischen Verein und Ultra-Szene verschärfte sich in den vergangenen Monaten dahingehend, dass nicht nur die Vorkommnisse in Belgrad zu einem Riss führten, woraufhin der Verein in einem offenen Brief unter anderem zwei Mitglieder Fanszene mit Klarnamen nannte und deutlich kritisierte.
Ultras und 1. FC Köln: Rückkehr zum Dialog notwendig
Carsten Blecher vom Kölner Fanprojekt konstatiert unterdessen, dass die Trennschärfe zwischen kritischen und gewaltaffinen Ultras immer weiter verschwämme, weswegen eine “Radikalisierung” stattfinde. In diesem Zusammenhang sei auch die neuauftretende Gruppierung “Revolte 0221” kritisch zu betrachten. Auch Vorkommnisse wie der Fahnenklau gegen Gladbach und die Beschimpfungen eines Kölner Vorsängers gegen Hannovers Keeper Zieler werden in diesem Zusammenhang miteinbezogen. Die verbale Aufrüstung auf beiden Seiten hingegen stößt Blecher sauer auf, er fordert eine Rückkehr zum Dialog, weil es weder über offene Briefe noch über Transparente funktionieren würde, wieder an einen Tisch zu kommen.
Foto: Srdjan Stevanovic/Getty Images
Die Dokumentation geht nach dem Schlaglicht auf die Situation beim effzeh damit weiter, dass man sich mit dem FC Hansa Rostock auseinandersetzt, wo die Vergangenheit auch immer wieder konfliktreiche Vorfälle mit den eigenen Ultras bot. Danach thematisiert man die 50+1-Regelung, der Initiative “50+1 bleibt!” und dem Positionspapier der Fanszenen. Der vom DFB, dessen “Paralleljustiz” insbesondere von Fananwalt Tobias Westkamp und Fanforscher Jonas Gabler kritisiert wird, verkündete Verzicht auf Kollektivstrafen wird dabei jedoch positiv erwähnt.
Positiv zu vermerken ist bei dieser Dokumentation, dass viele Personen aus den unterschiedlichsten Kreisen zu Wort kommen – es ist allerdings schon kurios, dass ausgerechnet “Sky” als einer der Auswüchse des modernen Fußballs dafür sorgt, dass man jetzt zum dritten Mal eine vergleichsweise vernünftige Dokumentation über Ultras in Deutschland auf die Reihe bekommt.
>>> Hier die Sky-Sport-Dokumentation “Ultras – Wem gehört der Fußball” ansehen (für Sky-Go-Kunden)