Eine Woche vor dem Trainingsstart beim 1. FC Köln ist Hochsommer am Geißbockheim. Bevor es ab nächstem Donnerstag wieder zur Sache geht und die Profis ihre Vorbereitung auf die anstehende Bundesliga-Saison beginnen, können alle Beteiligten rund um den Aufsteiger aktuell noch einmal durchatmen. Die Spieler sind im Urlaub, bereiten sich entweder in der Ferne oder in der Heimat mit Lauf- und Trainingsplänen auf die Anforderungen der kommenden Wochen vor. Achim Beierlorzer und seine Trainerkollegen dürften so langsam aber sicher in die Detailplanung der Vorbereitungsinhalte einsteigen. Eine der dringendsten Aufgaben kommt dem Geschäftsführer Armin Veh zu, der den Kader gleichzeitig entschlacken und verstärken muss. Einen Innenverteidiger und einen Sechser hätte der einstige Meistertrainer gerne noch für die erste Kölner Mannschaft, die er in der Bundesliga zu verantworten hat.
Ob Veh dafür aus dem Geißbockheim telefoniert oder Termine vorbereitet oder dasselbe aus dem Home-Office in Augsburg tut, ist prinzipiell egal. Enttäuschend ist aber, dass der Erfolg der U17, die gerade in Dortmund Deutscher Meister wurde, weder von der Geschäftsführung noch von beiden Vizepräsidenten angemessen gewürdigt wurde. Dazu hätte gehört, dass man auch vor Ort ist. Vor Ort waren aber lediglich der Leiter der Lizenzspielerabteilung Frank Aehlig sowie der aktuelle (Interims)-Präsident Stefan Müller-Römer. Ebenfalls vor Ort waren zwei der drei Vorstandskandidaten, Werner Wolf und Jürgen Sieger. Armin Veh und Alexander Wehrle und Markus Ritterbach ließen sich derweil nicht blicken, während Toni Schumacher nur beim Bankett am Samstag anwesend war und vor dem Finalspiel bereits in den Urlaub abreiste.* Für die unmittelbare Zukunft des 1. FC Köln wird das zwar kaum Auswirkungen haben – wie groß die Wertschätzung bei der Clubführung für einen solchen außerordentlichen Erfolg im Nachwuchsbereich ist, muss aber mit einem Fragezeichen versehen werden.
Keine Vorstandssitzungen mehr bis September
Auf einer anderen Ebene scheint sowieso ein größeres Problem zu sein: Wie zunächst der “Express” in dieser Woche schrieb und dann der “Geissblog.Köln” unter Berufung auf Markus Ritterbach berichtete, hat der aktuelle Vorstand entschieden, die turnusgemäßen Vorstandssitzungen bis zur Abwahl bei der Mitgliederversammlung im September auszusetzen. “Wir haben den Modus geändert”, lautete die knappe Antwort des Vizepräsidenten Ritterbach. In der Vergangenheit hatte sich der amtierende Vorstand bestehend aus Präsident und den beiden Vizepräsidenten alle zwei Wochen getroffen und in Rücksprache mit den anderen Gremien und der Geschäftsführung Entscheidungen vorbereitet und getroffen.
Dass sich Stefan Müller-Römer, Markus Ritterbach und Toni Schumacher nicht wirklich grün sind und aktuell eher koexistieren, ist kein Geheimnis. Nach dem Rücktritt von Werner Spinner im März war der ehemalige Mitgliederratsvorsitzende Müller-Römer in den Vorstand aufgerückt, nachdem er zuvor noch an der Suche eines neuen Vorstandstrios beteiligt war. In dieser Zwischenphase vor dem feststehenden Aufstieg wiederholten speziell Ritterbach und Schumacher gebetsmühlenartig, dass sie alles der Rückkehr in die Bundesliga unterordnen möchten, bevor eine Diskussion über die Zukunft geführt werden könne. Kurz nach dem Meistertitel in der zweiten Liga verkündeten sie dann, nicht mehr für eine Wiederwahl zur Verfügung zu stehen. Das war im Mai. Die anstehende Mitgliederversammlung findet erst Anfang September statt.
Wie soll die Übergabe funktionieren?
Der Mitgliederrat gab gleichzeitig bekannt, dass der Vorschlag für das neu zu wählende Präsidium aus Werner Wolf, Jürgen Sieger und Eckhard Sauren besteht – das Trio tourt seitdem durch die Lande und stellt sich den FC-Fans und -Mitgliedern vor. Offiziell gewählt sind die Kandidaten natürlich noch nicht, das wäre erst im September der Fall. Wenn also sowohl der aktuelle als auch der zu wählende Vorstand momentan nicht die Geschicke beim FC in der Hand halten, wer tut es dann?
Von Toni Schumacher war in den letzten, sportlich wichtigen Wochen, nichts zu hören. Kein Wunder, der einstige Weltklasse-Torhüter hat sich für einen längeren Aufenthalt in Australien entschieden. Natürlich ist es nicht verboten, dass amtierende Vizepräsidenten in wichtigen Phasen für den Verein auf der anderen Seite des Globus weilen. Nachdem das ehemalige Trio um Werner Spinner im Jahr 2017 eine Vergütung für seine Tätigkeit bewilligt bekam, erscheint dieses Verhalten aber zumindest diskutabel. 100.000 Euro erhält schließlich jeder Vizepräsident für seine Tätigkeit im Jahr – es bleibt zu hoffen, dass Schumacher bis September wenigstens noch Sorge dafür trägt, dass die Amtsgeschäfte in geordneter Form an seine Nachfolger übergeben werden.
Die einen wollen nicht, die anderen können nicht
Sein Pendant Ritterbach bestätigte unterdessen, dass anstelle der Vorstandssitzungen nun häufiger der Gemeinsame Ausschuss einberufen werden soll. Dieser besteht neben dem aktuellen Vorstand aus den beiden Vorsitzenden des Mitgliederrates und dem Aufsichtsratsvorsitzenden der KGaA und dem Beiratsvorsitzenden und soll laut der FC-Homepage “für Maßnahmen und Geschäfte von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung auf der Ebene wesentlicher Beteiligungsgesellschaften” einberufen werden. Somit bleibt der Verein trotz der fehlenden Vorstandssitzungen handlungsfähig. Inwieweit dieses Verfahren aber gerade, wenn dringende Entscheidungen getroffen werden sollen, zweckmäßig ist und die nunmehr sieben Beteiligten kurzfristig an einen Tisch zusammenkommen können, wird sich nun zeigen müssen.
Fest steht jedoch auch, dass sich für die beiden Geschäftsführer Armin Veh und Alexander Wehrle dadurch eine besondere Machtposition ergibt. Beide sind Angestellte der KGaA und für das operative Geschäft verantwortlich. Dass Veh und Wehrle mittlerweile beide öffentlich als die “starken Männer” am Geißbockheim wahrgenommen werden, verdeutlicht diesen Umstand nur noch. Kein Wunder, wenn zwei der drei Vorstände die Zeit bis zur Mitgliederversammlung mit möglichst wenig Aufwand überbrücken zu wollen scheinen.
So bekommt der Club im September vermutlich den Neuanfang in der Führungsebene, den er dringend braucht. Bis dahin wird der 1. FC Köln allem Anschein nach aber mit zwei “lame ducks” an der Vereinsspitze leben müssen – ein Begriff aus der US-amerikanischen Politik. Dort nennt man Politiker*innen, die zwar noch im Amt sind, aber nicht mehr zur Wiederwahl stehen oder eine Wahl verloren haben, “lahme Enten”. Die anderen, nicht lahmen dafür aber “gefesselten” Enten, um im Bilde zu bleiben, sind Werner Wolf, Jürgen Sieger und Eckhardt Sauren – das Trio würde die Arbeit zwar vermutlich schon aufnehmen, darf aber mangels erfolgreicher Vorstandswahl noch nicht loslegen.
Die Zeit bis zur Amtsübergabe könnte für den 1. FC Köln also zäh werden – der Gemeinsame Ausschuss wird tagen, die Geschäftsführer Entscheidungen treffen. Bis es aber in Bezug auf die Leuchtturmprojekte wie Trainingszentrum, Stadionumbau oder Dialog mit der Fanszene weitergeht, dürften wichtige Monate vergehen, in denen der Club nicht auf die volle Manpower setzen kann, die er bei diesen Projekten aber eigentlich durchaus bräuchte. Den lahmen Enten, die stets alles dem Erfolg des Clubs unterordnen wollten, sei Dank.
*In einer vorherigen Version des Textes hieß es, dass Toni Schumacher das Finale der U17 in Dortmund nicht live vor Ort verfolgt hat. Das entspricht zwar den Tatsachen, wir haben aber ergänzt, dass er beim Bankett am Samstag mit den beiden Teams anwesend war.