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Kampf um den Klassenerhalt: Wir beantworten Fragen, die Sie niemals hatten

Für den 1. FC Köln heißt das Ziel in der anstehenden Saison: Klassenerhalt. Was und wer im Abstiegskampf auf die “Geißböcke” wartet: Wir haben einen Blick auf die Konkurrenz in der Bundesliga geworfen.

Foto: imago images / Eduard Bopp

Spätestens nach dem eher zähen Auftritt im DFB-Pokal ist klar: Auch in diesem Jahr wird es beim 1. FC Köln primär um den Klassenerhalt gehen. Das kann souverän gelingen, das kann aber auch ähnlich zittrig werden wie in der vergangenen Saison. Alleine wird es nicht am FC liegen, sondern auch daran, wie die Konkurrenten performen werden. Daher beantwortet effzeh.com die sieben „wichtigsten“ Fragen rund um die Kellerkinder und wirft einen kurzen, kommentierenden Blick auf die Mitbewerber um den Klassenerhalt. Natürlich bleibt anzumerken, dass der Transfermarkt noch offen ist und sich noch einiges verändern kann. Hier sind sie also: die sieben Fragen rund um den Abstiegskampf, von denen Sie gar nicht wussten, dass Sie sie hatten.

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Wer findet sich erneut im Tabellenkeller wieder?

Die üblichen Verdächtigen sind sicherlich immer die Mannschaften, die auch im vergangenen Jahr zu kämpfen hatten – dazu gehören mitunter Arminia Bielefeld, der 1. FSV Mainz 05 und der FC Augsburg: Die Arminia hat dabei den Vorteil, ihren Kader weitestgehend zusammengehalten zu haben. An absoluten Leistungsträgern der jüngeren Vergangenheit haben nur Leihgabe Ritsu Doan (zurück zur PSV aus Eindhoven) und Stürmer Andreas Voglsammer (1. FC Union Berlin) den Verein verlassen – da er aber bereits in der vergangenen Saison quasi eine ganze Halbserie verletzungsbedingt gefehlt hat, ist die Abwesenheit des Stürmers für Bielefeld zumindest nicht neu. Seine zwei Tore und zwei Vorlagen wird man kompensieren können, nur im Mannschaftsgefüge dürfte er fehlen.

Anderson Lucoqui, der sich zuletzt unter Frank Kramer seinen verlorengegangenen Stammplatz links hinten zurück erobert hatte, muss auch erst einmal ersetzt werden – bislang steht mit Jacob Barrett Laursen nur ein gelernter linker Verteidiger im Kader. Immerhin Timo Horn darf aufatmen: Auch Jóan Símun Edmundsson hat den Verein verlassen. Aufgerüstet haben die Ostwestfalen hingegen in der Offensive, wo mit Robin Hack und Janni Serra gleich zwei hoffnungsvolle Nachwuchstalente geholt wurden, Serra sogar ablösefrei. Viel wird davon abhängen, ob sich hier jemand findet, der verlässlich Tore schießen kann – zumal auch Zweitliga-Torgarant Fabian Klos nicht jünger wird. Potential ist dafür jedenfalls vorhanden und die Transfers sind durchaus interessant.

Foto: imago images / Sportfoto Rudel

Mainz 05 hingegen musste mehr Fluktuation im Kader in Kauf nehmen: Auf dem Transfermarkt hat man ordentlich zugeschlagen und unter anderem Anton Stach von Greuther Fürth, Silvan Widmer vom FC Basel, den bereits erwähnten Anderson Lucoqui von Arminia Bielefeld und Jae-Sung Lee von Holstein Kiel verpflichtet, zudem wurde Dominik Kohrs Leihe aus Frankfurt um ein Jahr verlängert. Auf der Abgabeseite stehen unter anderem Florian Müller, Pierre Kunde, Danny Latza, Levin Öztunali, Philipp Mwene, Robin Quaison und Dong-Won Ji, zudem endeten die Leihen von Danny da Costa und Robert Glatzel. Ganz interessant ist, dass die “Nullfünfer” nur für zwei der Neuzugänge Ablöse gezahlt haben, aber auch nur für deren zwei eine kassiert hat.

Bei so vielen Veränderungen muss sich natürlich immer erst ein neues Gefüge finden, allerdings passen die Neuzugänge besser zum Svensson-Pressing als dies etwa bei Latza oder Öztunali der Fall war. Ideen muss Mainz jedoch ähnlich wie Bielefeld dahingehend entwickeln, wer vorne für die nötigen Tore sorgen soll. Nach dem Abgang von Jean-Philippe Mateta im Winter und Quaison im Sommer verbleiben nun noch Jonathan Burkardt, Adam Szalai und Karim Onisiwo: Die drei erzielten zusammen weniger als zehn Tore in der Vorsaison und Mainz gewann selbst in der bockstarken Rückrunde kein Spiel mit mehr als einem Tor Unterschied. Das im Pokal eingesetzte Duo Szalai-Burkardt erinnert auf dem Papier ein wenig an Modeste-Thielmann.

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Das große Faustpfand ist jedoch die Defensive: Bis auf die Position des linken Außenverteidigers, wo Lucoqui, Jonathan Meier und Aaron Martin allesamt noch keine 1A-Lösung darstellen, hat man eine sehr gute Innenverteidigung und ein ebenso solides defensives Mittelfeld. Geht Mainz einmal 1:0 in Führung, dürfte es für den Gegner schwer werden. Allerdings: Für Jeremiah St. Juste gibt es einige Interessenten, ein Abgang ist nicht völlig unwahrscheinlich. Können die Mainzer ihn halten und schlagen die Neuzugänge um Stach und Lee auf Anhieb in der Bundesliga ein, kann Mainz die Klasse halten. Auch wenn es unwahrscheinlich sein dürfte, dass sie noch einmal eine Europapokal-Halbserie wie in der vergangenen Rückrunde spielen werden.

Foto: imago images / Krieger

Bei Augsburg hat sich vor allem im Mittelfeld etwas getan: Mit Rani Khedira geht ein Gesicht und Anführer der Mannschaft, für ihn kamen Niklas Dorsch und Arne Maier. Im Sturm trennte man sich – im Tausch für Maier – von Marco Richter (drei Tore, drei Vorlagen). Sergio Cordova kehrt dafür aus Bielefeld zurück. Durch den (nicht gerade geräuschlosen) Transfer von Kevin Danso nach Lens hat man einen Transferüberschuss von fünf Millionen Euro erzielt, weshalb eine weitere Verstärkung im Sturm nicht ausgeschlossen scheint. Spannend wird sein, ob Markus Weinzierl der zuletzt arg biederen und farblosen Augsburger Mannschaft eine eigene Identität oder Handschrift verleihen kann. Auch für den Trainer dürfte es nach unglücklichen Gastspielen auf Schalke und in Stuttgart darum gehen, seinen einstmals guten Ruf wieder aufzupolieren.

Wer rutscht neu in den Tabellenkeller hinein?

Der heißeste Kandidat ist sicherlich der VfB Stuttgart. Im vergangenen Jahr konnten die Schwaben eine beachtliche Serie mit 45 Punkten (immerhin zwölf Punkte mehr als der FC) hinlegen. Doch bekanntlich ist das zweite Jahr nach dem Aufstieg immer das schwerste, zudem müssen die Verantwortlichen die Abgänge von Torwart Gregor Kobel (zum BVB), Linksaußen Nicolás González (zum AC Florenz) und Mittelfeld-Routinier Gonzalo Castro (Ziel unbekannt) kompensieren. Mit den dreien verlassen wichtige Spieler den Verein, die im vergangenen Jahr teilweise tragende Säulen waren – dazu kommen verletzungsbedingte Ausfälle von weiteren potentiellen Achsenspielern wie Silas, Mangala, Führich und Cissé, die teilweise bis weit in den Herbst hinein auszufallen drohen.

Rechnet man nun noch drei Corona-Fälle hinzu (Nartey, Kalajdzic, Coulibaly), wo nie ganz klar ist, in welcher Verfassung der Spieler zurückkehren wird, so wird deutlich, dass Stuttgart gerade zu Beginn viel wird improvisieren müssen. Mit Florian Müller haben die Schwaben sich zwar im Tor sinnvoll verstärkt, aber gerade durch das Fehlen von Silas, González, Coulibaly und auch des in Köln bekannten Chris Führich fehlt Stuttgart vorne eine Menge Speed, der für die Tiefenläufe der Schwaben so essentiell ist. Sollte Sasa Kalajdzic, der in der vergangenen Saison mit 16 Toren auf Platz sechs der Torjägerliste landete, einem verlockenden Angebot aus dem Ausland erliegen, bricht fast die gesamte Offensive weg.

Foto: imago images / Pressefoto Baumann

Unter diesen Umständen wird fraglich sein, ob Trainer Pellegrino Matarazzo seine Mechanismen gründlich einüben kann – obschon ein 6:0 im Pokal gegen den BFC Dynamo dies vermuten lässt. Aber gerade ein solch hoher Sieg (gegen einen Regionalligisten) kann auch zu einer trügerischen Sicherheit führen und es steht zu vermuten, dass nicht jeder Gegner ab der 60. Minute dermaßen einbrechen wird. Außerdem dürften sich die meisten Gegner inzwischen auf das Flachpassspiel durch das Mittelfeld eingestellt haben und dies entsprechend zu verhindern wissen. Stuttgart wird es daher deutlich schwerer haben als letzte Saison. Der Außenseitertipp in dieser Kategorie wäre Union Berlin, die erst einmal eine Dreifachbelastung kompensieren müssen, allerdings auf dem Transfermarkt auch ganz viel richtig gemacht haben.

Wer hat mit dem Abstiegskampf nichts mehr zu tun?

Hertha BSC. Das klingt zwar erst einmal unintuitiv, weil jede Mannschaft ohne Jhon Cordóba ganz automatisch schlechter wird, aber Fredi Bobic verfolgt bei seinen Umbaumaßnahmen ein klares Ziel: Der Kader soll homogener werden und besser zu dem Fußball passen, den Pál Dardai spielen lassen möchte. Dazu gehört das mannschaftlich-geschlossene Arbeiten gegen den Ball, physische Robustheit im Mittelfeld sowie generell eine Abgestimmtheit, in der jeder Spieler seine Aufgabe kennt und genau befolgt. Unter diesen Aspekten scheint es nicht weiter verwunderlich, dass ein „Künstler“ wie Olympiasieger Matheus Cunha auch noch abgegeben werden soll. Das Mittelfeld mit Santiago Ascacíbar, Prince Boateng, Lucas Tousart und Suat Serdar gehört zu den körperlich robustesten der Liga, wo alle Spieler zugleich mit dem Ball etwas anzufangen wissen. Damit – und mit den schnellen Offensivspielern – werden genug Bundesligamannschaften Probleme bekommen, als dass Hertha nicht in den Abstiegstrudel geraten wird.

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Wie werden sich die beiden Aufsteiger schlagen?

Der VfL Bochum wird nächste Saison ein spannender Verein sein. Am allerspannendsten wird sein, wie man den offensiven Dreh- und Angelpunkt der Mannschaft – Robert Žulj – ersetzen wird. Dieser wechselte für gerade einmal 350.000€ nach Ittihad Kalba und hinterlässt ein großes Loch. Spannend wird auch zu sehen sein, ob die interessante Mischung aus Jung und Alt zu einer homogenen Einheit geformt werden kann. So stellt Bochum mit Armel Bella Kotchap (19) und Maxim Leitsch (23) eine der jüngsten Innenverteidigungen der Bundesliga, aber mit Robert Tesche (34) und Anthony Losilla (35) eine der ältesten defensiven Mittelfeldachsen der 18 Teams. Spannend wird auch sein, ob die beiden „Oldies“ das Tempo in der Bundesliga noch mitgehen können oder mittelfristig von Eduard Löwen oder sogar Elvis Rexhbecaj verdrängt werden.

Aber auch Tesche und Losilla darf man genug Erfahrung zutrauen, einem Gegner einen Ball abzuluchsen und dann die pfeilschnellen Holtmann, Antwi-Adjei und Zoller in Szene zu setzen. Überhaupt Zoller: Auch hier wird für Köln-Fans eine weitere Spannung liegen. Wird der Stürmer seine beeindruckende Quote aus der vergangenen Zweitligasaison auch in der Bundesliga ansatzweise bestätigen können oder doch eher als Stürmer der Marius-Ebbers-Simon-Terodde-Ehrenkategorie „zu gut für 2, aber für 1 reicht es nicht ganz“ abgestempelt werden? Viele Gelegenheiten wird „Zolli“ nicht mehr haben, diesem Schicksal zu entkommen – er sollte daher diese nutzen.

Foto: imago images / Revierfoto

Die SpVgg Greuther Fürth gestaltet sich da etwas grauer. Nicht nur mussten die „Kleeblätter“ gleich vier Stammspieler (Raum, Stach, Jaeckel, Mavraj) größtenteils ablösefrei ziehen lassen, auch laufen aus finanziellen Gründen die Neuverpflichtungen alle eher unter der Kategorie „hoffentlich kann er Bundesliga“ – der Fokus wurde vor allem auf junge Spieler gesetzt, für die keine Ablöse fällig wird. Das gilt sowohl für die drei Leihspieler Adrian Fein, Justin Hoogma und Jessic Ngankam als auch für Ex-HSV-Spieler Gideon Jung, der zudem noch einer der Spieler mit der meisten Bundesligaerfahrung im Kader ist – aber selbst zu HSV-Zeiten haftete ihm schon der Ruf des fehleranfälligen Spielers an. Und ob Branimir Hrgota wirklich zum Erstligaknipser (12 Tore in 104 Bundesligaspielen) taugt, darf auch bezweifelt werden. Mit Havard Nielsen fehlt zudem sein Partner derzeit verletzt, Leihspieler Ngankam hat sich gar eine schwere Knieverletzung zugezogen, insgesamt waren acht Spieler zeitgleich malad.

Selbst bei wohlwollender Betrachtung fehlt so die Fantasie, um Fürth seriös den Klassenerhalt bescheinigen zu können. Sie werden über 34 Spieltage ans absolute Maximum gehen müssen und brauchen absolute mannschaftliche Geschlossenheit, damit es überhaupt möglich wird. Immerhin: Trainer Leitl hat schon angekündigt, keinesfalls nur zerstörerischen Defensivfußball spielen lassen zu wollen, sondern das dominante Ballbesitzspiel aus Liga 2 soweit wie möglich in die oberste Klasse herüberzuretten. Allerdings wird das mit dem zweitjüngsten Kader der Bundesliga (im Schnitt 23,3 Jahre) nicht gerade leichter.

Welchen Großen erwischt es?

„In jeder Saison rutscht einer von oben mit rein, den keiner auf dem Zettel hat“ – dieses geflügelte Wort begleitet jede Bundesligasaison. Daher ist es eigentlich paradox, hier jetzt einen Namen zu nennen, denn dann hätte unsere Leserschaft den Namen ja auf dem Zettel. Aber eine Mannschaft, die zur negativen Überraschung taugen könnte, ist gar nicht weit entfernt von Köln. Manche würden es gar einen „Vorort“ nennen: Bayer 04 Leverkusen. Diese Mannschaft, die sich ohnehin schon schwer damit tut, mit Rückschlägen umzugehen, hat durch das Profikarriereende der Bender-Zwillinge zwei absolute Führungsspieler verloren, die zudem auch für solide Defensivarbeit standen.

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Da zudem zu erwarten ist, dass der junge Edmond Tapsoba auch einmal eine Leistungsdelle haben kann, könnte die Abwehr schnell zur Achillesferse werden, wenn die Neuzugänge Kossounou und Bakker nicht auf Anhieb greifen. In Sachen Führungsqualitäten werden sie die Benders wohl nicht auf Anhieb ersetzen können. Das 04-Prunkstück bleibt zwar die Offensive, aber auch hier hat man durch den Abgang Leon Baileys viel Qualität verloren und es bleibt aus Sicht der Leverkusener in Bezug auf Patrick Schick zu hoffen, dass man den EM-Schick zu sehen bekommt – und weniger den Bundesliga-Schick. Nicht ein ganz so großer Hot Take wäre ein Abrutschen von Eintracht Frankfurt, die ebenfalls viel Qualität gerade im Sturm verloren haben und im Pokal an Drittligist Mannheim gescheitert sind. Bei beiden gilt es aber, das Ende der Transferperiode abzuwarten.

Wie schlimm wird der Abstiegskampf anzuschauen?

Gar nicht. Anders als in den vergangenen Jahren hat man unten Mannschaften, die zumindest den Selbstanspruch haben, nicht zu mauern und den Gegner „mal machen zu lassen“, sondern aktiv und aggressiv auch nach vorne zu spielen. Seien es die Mainzer unter Svensson, die Bochumer unter Reis, der FC unter Baumgart, der VfB unter Pellegrino – das sind alles keine Mannschaften, die sich mit zehn Mann an den Strafraum stellen wollen. Selbst Fürth möchte proaktiv spielen. Sicherlich werden einige dieser Vorsätze irgendwann, wenn es nicht laufen sollte, über Bord geworfen werden, aber rein spielerisch könnte es der ansehnlichste Klassenkampf seit Jahren werden.

Foto: imago images / Herbert Bucco

Kann der FC es packen?

Natürlich. Aber es wird schwer. Wie dieser kurze Streifzug gezeigt hat, wird sich derjenige am ehesten aus dem Abstiegskampf herauswinden, der defensiv stabil steht und gleichzeitig einen Spieler findet, der ihm eine halbwegs zuverlässige Torquote garantiert. Ob letzteres irgendwer aus dem Quartett Modeste-Andersson-Thielmann-Uth sein kann, wird man sehen müssen. Zumindest dürfte Baumgart einer jener Trainer sein, der seine Mannschaft offensiv einstellen und auf den Torerfolg ausrichten wird. Wenn ihm dies gelingt, ist die Möglichkeit da, mindestens zwei Mannschaften hinter sich zu lassen. Auch wenn vermutlich nicht wirklich eine davon Bayer Leverkusen sein wird.

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