Nach 55 Minuten war das Bundesliga-Debüt von Jan Thielmann beendet: Der U19-Angreifer, der überraschend im Nachbarschaftsduell gegen Bayer 04 Leverkusen in die Startelf des 1. FC Köln berufen worden war, musste Marcel Risse Platz machen – nicht ohne sich zuvor noch den Applaus der effzeh-Fans abholen zu dürfen. Sein Arbeitsnachweis liest sich auf den ersten Blick wenig spektakulär: 7,34 Kilometer war der 17-Jährige gelaufen, hatte 18 Zweikämpfe geführt und 23 Ballkontakte gehabt, drei Torschüsse abgegeben und 18 Sprints angezogen. Nach einer herzhaften Grätsche an der Außenlinie sah er die erste Gelbe Karte seiner jungen Bundesliga-Karriere, er hatte die Kölner Führung auf dem Fuß und einen Abseitstreffer von Anthony Modeste vorbereitet.
Die dahinterliegenden Zahlen muten dagegen deutlich beeindruckender an: Jan Thielmann schrieb seinen Namen mit dem Einsatz gegen Leverkusen in die Geschichtsbücher der Bundesliga – der 17 Jahre alte Angreifer war der erste Bundesliga-Spieler des Jahrgangs 2002 und bisher der jüngste Akteur, der in dieser Saison gespielt hat. Auch in der FC-Historie ist sein Bundesliga-Debüt ein ganz besonderes: Hinter Yann-Aurel Bisseck, der in der von Verletzungen überschatteten Abstiegssaison 2017/18 gegen Hertha BSC seinen Einstand feiern durfte, ist Thielmann mit 17,55 Jahren nun der zweitjüngste Spieler in der glanzvollen Bundesliga-Geschichte der „Geißböcke“. Noch vor so klangvollen Namen wie Lukas Podolski, Pierre Littbarski, Thomas Häßler oder Bodo Illgner.
Frischer Spirit für neue Hoffnung im Abstiegskampf
Und die Verantwortlichen waren äußerst zufrieden mit dem Auftritt des Youngsters, der seit 2017 die Schuhe für den 1. FC Köln schnürt. „Jan hat das hervorragend gemacht“, urteilte FC-Sportgeschäftsführer Horst Heldt im „Express“-Gespräch nach dem 2:0-Heimsieg gegen den rheinischen Rivalen. „Frischen Spirit“ habe er mit der Nominierung des jungen Angreifers in die Mannschaft bringen wollte, erläuterte Kölns Coach Markus Gisdol im Anschluss an den wichtigen Erfolg, der dem effzeh neue Hoffnung im Abstiegskampf gab. „Jan hat sich im Training richtig reingehängt, und die Position heute hat für ihn gut gepasst“, war auch der Trainer angetan, wie sich der 17-Jährige auf ungewohntem Terrain geschlagen hatte. Und lobte im Nachgang noch die Mannschaft, die das Offensivtalent hervorragend aufgenommen habe.
Erst kurz vor der Partie in der Besprechung habe Thielmann erfahren, dass er im so wichtigen Nachbarschaftsduell gegen Leverkusen in der Startelf stehen werde. „Wir haben überlegt, wann wir es ihm sagen, und waren der Meinung: Je später, desto besser. Er sollte dann auch sein Handy ausmachen, maximal noch seine Eltern informieren“, schilderte Horst Heldt die Hintergründe zum Debüt des Juniorennationalspielers, der vor zwei Jahre von Eintracht Trier in den Nachwuchs des 1. FC Köln gewechselt war. Für den Youngster ging mit seinem Bundesliga-Debüt ein Traum in Erfüllung, ist er doch von Kindesbeinen Fan der „Geißböcke“. Auch ein gewichtiges Argument, warum sich Thielmann 2017 trotz Angeboten von nationalen und internationalen Spitzenclubs für einen Wechsel nach Köln entschied.
Denn bereits in Trier hatte sich das Ausnahmetalent mit 31 Toren in einer Saison in die Notizbücher der umtriebigen Bundesliga-Scouts geschossen, schaffte den Sprung in die deutsche U15-Nationalmannschaft. Der Startschuss für eine steile Karriere des in der 2000-Seelen-Gemeinde Föhren in der Nähe von Trier geborene Angreifers, der seine ersten fußballerischen Schritte bei der JSG Hetzerath/Föhren/Bekond machte und sich dann 2015 der Eintracht anschloss. Die Anteilnahme an seiner Entwicklung ist in seiner Heimat noch groß. „Wahnsinn!!!“, schrieb der SV Föhren auf seiner Facebook-Seite und gratulierte seinem ehemaligen Jugendspieler zum überraschenden Bundesliga-Debüt. Auch bei Wegbegleitern aus seiner Trierer Zeit war die Freude groß: „Als ich hörte, dass er gegen Leverkusen tatsächlich spielt, war ich sprachlos und geschockt – im positiven Sinn. Er wurde schließlich als 17-Jähriger Jhon Corboba und Simon Terodde vorgezogen“, sagte beispielsweise sein ehemaliger Jugendtrainer Marcel Lorenz dem „Trierischen Volksfreund“.
Lob von den Kollegen: “Er ist weit für sein Alter”
Dass der erste Profieinsatz für den Rechtsfuß nicht allzu lange auf sich warten ließ, kam wahrlich überraschend, auch wenn Thielmanns großes Talent schon längst ein offenes Geheimnis am Geißbockheim gewesen war. Mit der U17 wurde im zurückliegenden Sommer Deutscher Meister, hatte in verschiedenen taktischen Rollen in der Offensive entscheidenden Anteil am Titelgewinn der jungen „Geißböcke“, die im Endspiel Borussia Dortmund bezwangen. Der Sprung in die U19 gelang dem Angreifer dann erstaunlich schnell: Als junger Jahrgang zählt Thielmann beim Tabellenführer der A-Jugend Bundesliga West zu den wichtigen Säulen, hat als Rechtsaußen bereits jetzt sechs Treffer auf seinem Konto. Kaum verwunderlich, dass der schnelle und einsatzfreudige Angreifer auch schnell Eindruck bei Markus Gisdol, der ihn im internen Test gegen die U21 bei den Profis einsetzte, hinterließ.
Eine rasante Entwicklung für den extrem ehrgeizigen Thielmann, der in der Kabine bei seinen Teamkollegen als lockerer Typ und Spaßvogel gilt. Auch bei den Profis schaffte der Jungspund in sagenhaftem Tempo den Anschluss, überzeugte die Wortführer im Team mit Willen, Robustheit und spielerischem Können. „Er ist technisch sehr versiert und weit für sein Alter. Auch im Kopf ist er klar, er verhält sich neben dem Platz super. Das sind alles Grundvoraussetzungen für eine gelungene Profi-Karriere“, lobte FC-Keeper Timo Horn den Neuling. Gerade sein Auftreten sorgt für Anerkennung – auch bei seinem neuen Trainer: „Er macht für mich einen sehr stabilen Eindruck. In jungen Jahren hat er schon eine erstaunliche Persönlichkeit. Es gefällt mir, wie er auftritt“, weiß Markus Gisdol um die charakterlichen Vorzüge des 17-Jährigen, dessen „Unbekümmertheit“ auch FC-Kapitän Jonas Hector zu beeindrucken wusste.
Damit der Youngster diese Unbekümmertheit auch beibehält, nahmen ihn Verein und Trainer nach dem starken Auftritt gegen Leverkusen auch etwas aus dem öffentlichen Fokus. „ Ich habe Jan danach erstmal in Ruhe gelassen. Es suchen gerade sicher viele Leuten den Kontakt zu ihm“, erklärte Gisdol auf der abschließenden Pressekonferenz vor dem Duell in Frankfurt, für das Thielmann abermals den Sprung in den Kader geschafft hat. Das Reden überließ er erst einmal anderen – über ihn gesprochen wurde nach seiner Premiere in der Bundesliga ebenfalls genug. Die Anzeichen, dass von Jan Thielmann noch öfters die Rede sein wird, waren nach den ersten 55 Minuten in der höchsten deutschen Spielklasse deutlich genug. Das historische Debüt mit den wenig spektakulären Leistungsdaten macht Lust auf mehr.