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Fankultur & Sportpolitik

Interview mit Fanhilfe Kölsche Klüngel: “Stadionverbote sind eine rein repressive Maßnahme”

In den letzten Jahren haben sich in vielen deutschen Städten Fanhilfen zusammengefunden, so auch in Köln. Im Interview mit effzeh.com erklären die Ehrenamtler, warum ihre Arbeit so wichtig ist, warum sie davon abraten, zur Stadionverbotskommission zu erscheinen und was aus Fansicht strittige Punkte im neuen Polizeigesetz sind.

Foto: roteboecke.com

effzeh.com: Wie werden Stadionverbote (SVs) in Köln vergeben?

Die Stadionverbotsrichtlinien vom DFB sehen vor, dass sobald ein Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Fußballspielen von der Polizei eingeleitet wird, ein Stadionverbot ausgesprochen werden sollte. Das ist juristisch ein bisschen schwammig formuliert. “Sollte” ist relativ nah dran an “muss”, ist aber kein “muss”. Es besteht also ein gewisser Handlungsspielraum für die Vereine.

In der Regel läuft es so ab, dass die Polizei ein Ermittlungsverfahren eröffnet, was dem Verein auch mitgeteilt wird. Beim FC bekommt der Betreffende dann eine Einladung zur Stadionverbotskommission. Dort kann man sich dann zur Sache äußern, wenn man möchte. Die Kommission entscheidet dann – nach getätigter Äußerung oder auch nach nicht getätigter Äußerung – ob und wenn ja, wie lange man Stadionverbot bekommt.

Wir weisen aber auch ausdrücklich darauf hin, dass unsere Anwälte keine großen Freunde dieser Kommission sind. Wir haben sogar davon abgeraten, hinzugehen. Der Grund dafür ist einfach: Wenn man sich dort äußert, tätigt man Dritten gegenüber eine Aussage. Jeder Anwalt sagt, dass man sich erstmal nicht äußern und Akteneinsicht beantragen soll. Genau das ist bei einer Stadionverbotskommission nicht gewährleistet. Da sitzt man zehn Leuten gegenüber, die mit dem Verfahren nichts zu tun haben und soll sich aber denen gegenüber zum Verfahren äußern. Das ist rechtlich sehr schwierig, zumal es auch schon vorkam, dass Teilnehmer der Stadionverbotskommission dann vor Gericht vorgeladen wurden und dort berichten sollten, was der oder die Beschuldigte in der Kommission gesagt hat. Das ist für jeden Anwalt ein Horrorszenario und darum raten wir davon ab, zur Stadionverbotskommission zu gehen. Der Verein hingegen möchte natürlich, dass man hingeht, damit man sich ein Bild von den Leuten machen kann.

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effzeh.com: Wie könnt ihr FC-Fans helfen, die zur Stadionverbotskommission müssen?

Also zuerst mal müssen wir überhaupt von dem Termin wissen, man muss uns Bescheid geben. Denn eventuell ist jemand, der zur Stadionverbotskommission erscheinen soll, schon damit überfordert, dass überhaupt ein Verfahren gegen sie oder ihn eingeleitet wird. Wir können da helfen. Je nachdem welches Schreiben der Betroffene erhält, können wir raten, wie man darauf reagieren solle. Wenn man zum Beispiel eine Vorladung der Polizei erhält, muss man dort nicht zwangsläufig erscheinen. Wenn aber der Vorladung allerdings ein staatsanwaltschaftlicher Auftrag zugrunde liegt, sollte man definitiv hingehen und dies bestenfalls mit einem Anwalt. Das wissen aber viele nicht. Wenn dann ein Verfahren eingeleitet wurde, helfen wir den Betroffenen auch, indem wir Anwälte vermitteln. Sollte allerdings so ein Brief eintrudeln, kann man uns immer gerne ansprechen.

Was gegen Stadionverbote unternommen werden kann

effzeh.com: Wenn ein SV ausgesprochen wurde, kann man sich dann noch dagegen wehren?

Meistens ist man erstmal machtlos und muss abwarten, wie das Ermittlungsverfahren ausgeht. Kommt es zu einem Freispruch oder einer Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO), muss das Stadionverbot sofort aufgehoben werden. Dabei liegt „sofort“ auch immer im Ermessen des Sachbearbeiters, wie schnell „sofort“ umzusetzen ist. Bei Einstellung nach § 153 oder 153a – der Einstellung bei Geringfügigkeit beziehungsweise Einstellung unter Auflagen– muss der Verein dann nochmal neu entscheiden, ob ein Stadionverbot weiter bestehen bleibt. Das Ermittlungsverfahren ist dann formell abgeschlossen, ob gegen Auflagen, wie die Zahlung eines geringen Geldbetrags oder nicht, ist dafür egal.

effzeh.com: Um mal mit einem Mythos aufzuräumen: Ein lebenslanges Stadionverbot gibt es nicht, oder?

Nein, das gibt es nicht. Wir wissen aber tatsächlich von einem Fall, wo jemand momentan faktisch ein lebenslanges Stadionverbot beim Verein hat. Das heißt dann aber offiziell „lebenslanges Hausverbot“. Derjenige darf dann nicht mehr zu den Heimspielen, das gilt aber nicht bundesweit. Gemäß der DFB-Richtlinie darf ein Stadionverbot nicht länger als fünf Jahre gelten.

COLOGNE, GERMANY - DECEMBER 01: Fans of 1.FC Koeln during the Second Bundesliga match between 1. FC Koeln and SpVgg Greuther Fuerth at RheinEnergieStadion on December 1, 2018 in Cologne, Germany. (Photo by Maja Hitij/Bongarts/Getty Images)

Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images

effzeh.com: Stadtverbote, Aufenthaltsverbote, Betretungsverbote – ist das alles dasselbe?

Ja, eigentlich schon. Die Stadtverwaltung von Freiburg nennt es Aufenthaltsverbot, die Polizei in Köln nennt es Bereichsbetretungsverbot. Die umgangssprachliche Bezeichnung ist aber Stadtverbot.

effzeh.com: Kann man sich gegen so ein Stadtverbot wehren?

Ein Bereichsbetretungsverbot stellt einen relativ gewichtigen Eingriff in die Grundrechte dar. Also ja, auch wenn es oft schwierig ist, sollte man immer Einspruch einlegen, wenn man das Stadtverbot als ungerechtfertigt empfindet. Zuerst kommt eine Anhörung von Stadt oder Polizei, die man wahrnehmen sollte. Auch schriftlich muss man dann Einspruch einlegen. Wenn der endgültige Bescheid kommt, steht einem der Rechtsweg offen und man kann dagegen klagen. Die Verwaltungsgerichte in Köln sind aber nicht so schnell und so ein Verfahren kann sich über Jahre hinziehen. Das kann dazu führen, dass erst lange im Nachhinein festgestellt wird, dass die Maßnahme ungerechtfertigt war. Das heißt: Am betreffenden Spieltag war man dann trotzdem nicht da.

Was genau man unter Stadtverboten verstehen kann

effzeh.com: Wird ein Betretungsverbot von der betreffenden Stadt ausgesprochen, in der der FC spielt, wird nicht selten eine Bearbeitungsgebühr von den Personen verlangt. Die Stadt Freiburg praktiziert das beispielsweise. Welche Städte noch?

Alle Städte in Baden-Württemberg machen das so, wie auch die betreffenden Städte in Niedersachsen. Wir hatten mit Schreiben aus Freiburg, Wolfsburg, Sandhausen, Magdeburg und Dresden zu tun. Das stellt für die Betroffenen eine enorme finanzielle Belastung dar, denn selbst wenn sie gar nicht vorhatten, zu dem Spiel zu fahren, müssen sie diese Gebühr bezahlen. Wenn man sich vorstellt, dass wir 17 Auswärtsspiele haben und im Durchschnitt 50 Euro pro Auswärtsspiel erhoben werden, ist das sehr viel Geld. Bei dem Auswärtsspiel in München wurden sogar 150,- Euro pro Person verlangt.

effzeh.com: Wer bekommt solche Schreiben mit einem Stadtverbot?

Das ist leider für uns schwer zu sagen. Es kann schon reichen, einmal bei einer fußballbezogenen Maßnahme festgenommen worden zu sein. Es ist nicht so, dass alle, die solche Schreiben bekommen, schon mal rechtskräftig verurteilt worden sind. Vielmehr reicht es, wenn die Polizei einen als potenziell „gewaltbereit“ einstuft. Dann können die szenekundigen Beamten nach persönlichem Empfinden festlegen, wer ein Stadtverbot bekommt. Für uns ist das jedoch absolut willkürlich und wir versuchen, da eine Art Muster herauszulesen, aber das gibt es einfach nicht. In den Begründungen taucht teilweise auf, wenn jemand mal vor Jahren betrunken ein Straßenschild in der Nacht der Abifeier umgetreten hat. Da wird den Leuten ein Strick aus Dingen gedreht, die mit Fußball oder dem FC nichts zu tun haben. Wir prangern an, dass bei der Vergabe von Stadtverboten keine Transparenz herrscht und die meisten, die ein solches Stadtverbot bekommen, niemals verurteilt wurden und viele Verfahren früher oder später sowieso eingestellt werden. Die Beurteilung der Leute liegt absolut im Ermessen der szenekundigen Beamten und wie diese einen einschätzen.

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effzeh.com: Also könnte das jedem passieren, der einmal in eine polizeiliche Maßnahme gerät?

Ja, das ist ja schon passiert. Nachdem beim Spiel der FC-Amateure gegen Rot-Weiss Essen Pyrotechnik gezündet wurde, wurden nach dem Spiel 120 FC-Fans von der Polizei im Franz-Kremer-Stadion eingekesselt und erkennungsdienstlich behandelt. Dafür wurden sie bis spät in die Nacht festgehalten. Ohne zu wissen, wer diese 120 Leute genau sind, hat die Polizei damals dem 1.FC Köln geraten, gegen alle 120 Personen Stadionverbote auszusprechen.

effzeh.com: Wie viele wurden es im Endeffekt?

Es wurden insgesamt 72 Stadionverbote ausgesprochen, dabei sind aber auch Stadionverbote für das Heimspiel gegen Hoffenheim und man kann das heute nur schwer aufdröseln, wer für was ein Stadionverbot bekommen hat. Fest steht: Bei den Amateuren wurden 14 Fackeln gezündet, sonst ist da nichts passiert. Hinzu kommt, dass alle Verfahren eingestellt wurden, es gab nicht eine Verurteilung. Trotzdem bekamen rund 60 Leute Stadionverbot und haben in der Konsequenz die historische Europasaison verpasst und durften ein Jahr lang nicht ins Stadion. Das macht einfach nur wütend. Wir hätten uns von der Stadionverbotskommission ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl gewünscht.

Denn das Stadionverbot kann auch Jahre später noch Konsequenzen für diese Leute bedeuten und gegen sie verwendet werden. Obwohl diese Verfahren alle eingestellt wurden, werden solche SVs als Punkt aufgeführt, warum Menschen heute in Wolfsburg ein Stadtverbot im Vorfeld eines Spiels zugeschickt bekommen: In der Begründung heißt es dann, dass man vor Jahren während einer Pyro-Aktion im Block anwesend war. Auch wenn bewiesenermaßen keine Straftat vorgelegen hat, reicht das aus, um einer Person die Fahrt nach Wolfsburg zu verbieten und gegebenenfalls zudem mit einer Geldstrafe zu belegen – alles im Vorfeld des Spiels wohlgemerkt.

effzeh.com: Wow, das klingt nach einem unverhältnismäßig großen Aufwand für die Behörden.

Ja, wie viele Beamte da beschäftigt sind, würde uns auch mal interessieren. Da wird sich auf jeden Fall große Mühe gegeben. Um mal auf das Dietmar-Hopp-Verfahren zurückzukommen: Wenn man sich überlegt, wie viele Menschen beim Hoffenheim-Spiel im Stadion waren und wie viel Arbeit das gewesen sein muss, sich jeden von den rund 3000 Menschen auf Band anzuschauen und dann 21 Leute zu identifizieren. Und diese Mühe haben die sich ja nicht nur mit den Kölnern gemacht, das haben sie auch mit der Dortmunder und der Berliner Fanszene gemacht. Auch dort sind Anzeigen wegen Beleidigung der Person Hopp eingegangen.

effzeh.com: Erfüllen den Stadionverbote ihren Zweck? Was wollen Vereine damit erreichen?

Wir sind grundsätzlich gegen Stadionverbote. Diese sollen ja eigentlich eine zivilrechtliche Präventivmaßnahme sein, tatsächlich handelt es sich aber um eine rein repressive Maßnahme. Die Vereine wollen damit ausdrücken, dass sie damit potentielle Störer aus den Stadien raus haben wollen – egal ob diese verurteilt werden oder nicht. Wir sagen aber: Es ist immer besser, die Leute dabei zu haben, als sie draußen zu lassen.

Auf der nächsten Seite: Was bedeutet das neue Polizeigesetz in NRW?

 

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