Über die Jahre wurde Flohe selbstbewusster und vollbrachte auf seiner Position die unfassbarsten Kunststücke. Doch das Spiel lenkte weiterhin Overath, einen „Du oder ich, einer von uns beiden ist zu viel“ Wettbewerb hat es trotzdem nie gegeben, weil Flohe seine Rolle akzeptierte und sie individuell auslebte. Er machte sein eigenes Ding, war ein glänzender Solist, der aber auch mit Overath hervorragend harmonieren konnte. Im Zusammenspiel waren sie an guten Tagen ohne jegliche Übertreibung ganz sicher eines der besten Mittelfeld-Duos dieses Planeten. Wenn sie ins Rollen kamen, dann war kein Gegner auf der Welt stark genug, hier Paroli zu bieten.
Doch leider war das Gesamtpaket des 1. FC Köln in den frühen 70er Jahren schlicht zu inkonstant. Großen Triumphen über die Bayern, den HSV oder auch Gladbach folgten oftmals unerklärliche Schlappen bei den sogenannten Kleinen. Der FC, vor jeder Saison Mitfavorit auf die Meisterschaft, brachte die PS nicht vollends auf die Straße. Immer leistete man sich während der Saison unerklärliche Schwächephasen, sehr oft zum Saisonbeginn. Trotz beeindruckender Aufholjagden war dies in der Folge nicht mehr zu kompensieren. So waren die „Geißböcke“ zwar Dauergast im UEFA-Cup, aber die Titel fehlten. Gleich drei verlorene DFB-Pokalendspiele zwischen 1970 und 1973 taten ihr Übriges.
Kreativste FC-Phase, doch die Titel holten andere
In einer Zeit, als der FC sich durchaus zu den Top-Mannschaften in Europa zählen durfte, fehlt es der Mannschaft am endgültigen Killerinstinkt für eine lange Bundesliga-Serie oder für die ganz entscheidenden Spiele. Die ebenfalls gut besetzten Teams aus Bayern und Mönchengladbach sahnten die Titel ab, weil sie schlicht konstanter waren. Der FC hingegen schmückte sich ungewollt mit der Titelzeile „Die Diva vom Rhein“. Noch heute wird unter den Zeitzeugen darüber diskutiert und auch gestritten, woran diese Titel-Phobie lag. Das Personal war mindestens so gut wie das der Konkurrenz. Viele Fans urteilen, nicht ganz zu Unrecht, dass am Geißbockheim lange Zeit einfach keinen Trainer von Spitzenformat fehlte, der das nicht ganz einfache Team leiten konnte. Erst ein Hennes Weisweiler zeigte sich der Aufgabe gewachsen.
Auch der Verdacht, dass die damals unumstrittene Autorität des Stars Wolfgang Overath einfach zu groß und zu selbstverständlich war, scheint nicht ganz unberechtigt. Viele alte Medienberichte und auch Zeitzeugen belegen heute eine absolut nicht mehr denkbare Machtfülle Overaths. Top-Torjäger Dieter Müller erklärte im effzeh.com-Interview seinerzeit, wie oft Overath Trainer Tschik Cajkowski vor versammelter Mannschaft verbal abkanzelte. Auch zu den verpassten Meisterschaften hatte Müller eine klare Meinung. „Wir waren zwar immer im Europapokal, aber den ganz großen Coup haben wir da noch nicht geschafft. Erst, als Weisweiler kam, änderte sich das“ deutet Müller zunächst an, dass es einen starken Trainer brauchte, um den FC titelfähig zu bekommen.
Wurde die Machtfülle Overaths zum Problem?
Weiter stellte er fest: „Wolfgang Overath war sicher einer der größten Fußballer, mit denen ich gespielt habe. Aber er war natürlich als Mensch nicht ganz unproblematisch, weil er schon ein Egoist war. ‘Flocke’ war mehr der Teamspieler, der von allen geliebt wird.“ Im weiteren Verlauf des Interviews bestätigt Müller noch die Machtfülle des Stars: „Wenn sich jemand gegen ihn gestellt hat, dann gab es mit Wolfgang schon Probleme.“
Die Verdienste von Wolfgang Overath für den 1. FC Köln sind und bleiben unbestritten. Doch darf aus der heutigen Position schon konstatiert werden, dass der Verein schlicht zu lange und zu viel Machtfülle zugelassen hat. Die zu lange selbstverständliche Alleinherrschaft des Regisseurs hatte das Spiel des 1. FC Köln, trotz der immensen Fähigkeiten eines Wolfgang Overath, zu ausrechenbar gemacht. Vor allem in seinen späteren Jahren vermochte der Weltmeister von 1974 dem Verein nicht mehr die Impulse zu geben, die ein aufstrebender Heinz Flohe wohl bereits ab 1973/1974 hätte geben können.
Auf der nächsten Seite: Da war mehr drin für Flohe beim DFB