Nach Marco Höger, Konstantin Rausch und Artjoms Rudnevs ist Sehrou Guirassy der vierte Neuzugang des effzeh in dieser Transferperiode. Vom französischen Erstligisten wechselt der 20-jährige Stürmer nach Köln und soll den Angriff auf Sicht beleben. Doch welchen Spielertyp hat sich der effzeh geangelt? Zusammen mit Max Quelch-Woolls haben wir uns über unseren neuen Angreifer unterhalten. Max arbeitet als Fußball-Analyst bei der Firma Football Radar, die sich in erster Linie um Fußballstatistiken kümmert. Sein Fokus liegt momentan auf der zweiten französischen Liga – wer könnte also besser geeignet sein als er, um uns Näheres über das etwa 3,8 Millionen Euro teure Talent aus der Ligue2 zu erzählen?
effzeh.com: Max, nach langem Tauziehen ist Sehrou Guirassy doch noch ein effzeh-Spieler geworden. Ist er den ganzen Aufwand denn wert?
Max Quelch-Woolls: Das wird sich natürlich erst mit der Zeit herausstellen, aber Köln hat auf jeden Fall einen vielversprechenden jungen Stürmer verpflichtet, den viele große europäische Klubs, unter anderem auch Arsenal, beobachtet haben. Obwohl es erst seine dritte Profisaison sein wird und er immer noch sehr unerfahren ist, hat er sich in kurzer Zeit um einiges verbessert. Die Ablösesumme, die zwischen vier und sechs Millionen liegen soll, könnte tatsächlich etwas zu hoch sein, aber wenn man sich die Marktsituation mit den teils astronomischen Preisen, die für junge Spieler gezahlt werden, ist es immer noch ein sehr kluger Deal. [perfectpullquote align=”right” cite=”Max Quelch-Woolls” link=”” color=”” class=”” size=””]”Guirassys Torquote von acht Toren in 16 Spielen ist also sehr beeindruckend”[/perfectpullquote]
effzeh.com: Ist Guirassy denn bereit für den deutschen Fußball? Was muss er noch lernen, um ein guter Bundesligastürmer zu werden?
Max Quelch-Woolls: Die zweite französische Liga ist eine exzellente Liga für junge Spieler. Seine anderthalb Spielzeiten dort standen ihm gut zu Gesicht. Es ist eine sehr physische Liga, in der die defensive Stabilität betont wird. Dementsprechend ist es ein schwierig, ein Tor zu schießen und als Stürmer zu brillieren. Normalerweise sagt man, dass es für einen Angreifer eine sehr gute Leistung ist, in der zweiten französischen Liga zweistellig zu treffen – Guirassys Torquote von acht Toren in 16 Spielen ist also sehr beeindruckend.
Er hat alle Voraussetzungen, die ein Topstürmer braucht: Er ist groß, stark, relativ schnell und hat einen guten Zug zum Tor. Er muss allerdings noch an seinem Verhalten in der torgefährlichen Zone arbeiten. Es würde ihm guttun, den Ball länger halten zu lernen und seine Mitspieler besser einzusetzen. Bereits in Auxerre hat er sich da zuletzt allerdings verbessert gezeigt, also ist es sehr wahrscheinlich, dass er sich bei seinem neuen Klub weiter verbessern wird.
effzeh.com: Gibt es einen Spieler im Weltfußball, mit dem man ihn vergleichen könnte?
Max Quelch-Woolls: Interessanterweise bin ich da tatsächlich zuerst auf Anthony Modeste gestoßen, bekanntlich Kölns Top-Stürmer. Beide sind ähnlich groß, ähnlich schwer. Sie haben beide einen stark ausgeprägten Torinstinkt. Analog zu Modeste zieht es Guirassy vor, den direkten Weg zum Tor zu suchen und auf den Pass in die Tiefe zu warten oder eine Flanke am ersten Pfosten zu verwerten. Die beiden ähneln sich auch darin, dass sie nicht allzu sehr am Aufbauspiel beteiligt sein wollen. Guirassys Spielstil ist eher einfach gehalten, er wartet auf seine Chance im Strafraum.
Obwohl er in Frankreich geboren ist und auch U20-Nationalspieler dieses Landes ist, hat Guirassy auch ivorische Wurzeln – das bringt natürlich unweigerlich Vergleiche zum großen Didier Drogba mit sich. Insgesamt muss Sehrou allerdings noch lernen, seine physisches Potenzial komplett auszunutzen, bevor es ein zutreffender Vergleich werden kann. Nichtsdestotrotz ist er noch ein junger Mann, also kann er sich noch bedeutend weiterentwickeln, wenn er reifer wird. Ihr effzeh-Fans könnt euch allerdings freuen, denn der 1.FC Köln hat einen kompletten Abschlussstürmer bekommen, stark mit beiden Füßen und mit dem Kopf. Er hat auch schon großen Einfallsreichtum vor dem Tor gezeigt und ein paar Hackentore eingestreut.
effzeh.com: Er gilt offiziell als Stürmer, kann allerdings dem Vernehmen nach auch auf dem Flügel eingesetzt werden. Welche Position passt besser zu ihm? Wo hat er während seiner Stationen in Auxerre und Laval gespielt?
Max Quelch-Woolls: Soweit ich weiß, hat Guirassy im Vereinsfußball nie auf dem Flügel gespielt. In Laval, Lille und Auxerre hat er immer als Stürmer agiert. Seine Trümpfe sind seine Physis und sein Abschluss, die wohl beide nicht so zum Tragen kommen würden, wenn er eher auf dem Flügel spielt. Obwohl er keine technischen Schwächen hat, ist er kein besonders kreativer Spieler, er verlässt sich eher auf andere Spieler, die Chancen für ihn herausarbeiten. Ich glaube, dass er deshalb als Flügelspieler verschenkt wäre und ich hoffe, dass er beim 1.FC Köln dort nicht zum Einsatz kommen wird.
In Laval hat er in einem 4-3-3-System meist als vorderste Spitze agiert, in Auxerre spielte er neben Gaetan Courtet im 4-4-2. Als einziger Stürmer war es eher schwierig für ihn bei seinem ersten Klub in Laval, weil dort ein sehr destruktiver Fußball gespielt wurde. In Auxerre trumpfte er dann auf, weil er einen Sturmpartner in Courtet hatte, der ein sehr kreativer und technisch starker Stürmer ist. Er war zu dieser Zeit die perfekte Kontrastfigur für den physischen, direkten Guirassy. Obwohl Guirassy nur kurz in Auxerre war, hat er ohne Zweifel viel von seinem Sturmpartner gelernt.
effzeh.com: Glaubst du, dass er mental stark genug ist, sich in einem anderen Land und in einer anderen Liga durchzusetzen?
Max Quelch-Woolls: Er hat bereits eine gute Mentalität in seiner bislang recht kurzen Karriere an den Tag gelegt. Deswegen glaube ich, dass er in der Lage ist, in der Bundesliga Erfolg zu haben. Er war als sehr junger Spieler bereits Stammkraft in Laval, weiterhin musste er die enttäuschende Situation in Lille verarbeiten, die weniger erfolgreich war als erwartet. Er hat in Auxerre unter Beweis gestellt, dass er aufblühen kann, wenn man ihm die richtigen Bedingungen schafft. Er war darüber hinaus ein wichtiger Faktor für mehrere französische Jugendnationalmannschaften, kürzlich für die U20 beim Turnier in Toulon.
[perfectpullquote align=”left” cite=”Max Quelch-Woolls” link=”” color=”” class=”” size=””]”Ich glaube, er hat aus seiner Zeit in Lille gelernt. In Auxerre hat er eine sehr entschlossene Einstellung an den Tag gelegt.”[/perfectpullquote]effzeh.com: Was weißt du sonst über seine Mentalität? In Lille gab es Gerüchte, dass er das Nachtleben etwas zu sehr mag…
Max Quelch-Woolls: Ich denke, dass die Situation in Lille in erster Linie aus seiner großen Frustration herrührte, da er nicht so viel Spielzeit bekam wie erhofft. Wir müssen allerdings festhalten, dass er immer noch ein sehr junger Spieler ist, der gerade seinen 20. Geburtstag hinter sich hat und deswegen ist es mehr als normal, dass ein paar Fehler gemacht werden. In Auxerre hat er hingegen eine sehr positive und entschlossene Einstellung an den Tag gelegt, also glaube ich, dass er aus seiner Zeit in Lille gelernt hat.
effzeh.com: Riyad Mahrez, N’Golo Kanté und viele weitere: viele Spieler haben es aus der Ligue 2 in internationale Topligen gebracht und sind dort zu Stars geworden. Wie siehst du das Niveau dieser Spielklasse im Vergleich zur Bundesliga?
Max Quelch-Woolls: Natürlich ist das Niveau geringer als in der Bundesliga, was den Vorteil hat, dass vielen jungen Spielern eine Chance gegeben werden kann. Wie ich bereits sagte, der fußballerische Stil ist gänzlich anders, aber das hilft den jungen Spielern, sich in einem schwierigen Umfeld besser zu entwickeln. Viele Klubs können keine hohen Gehälter für erfahrene Spieler zahlen, deswegen ist es eine Notwendigkeit, dass junge Spieler hochgezogen werden. Vereine wie Le Havre, Tours und Nancy haben in den letzten Jahren unter Beweis gestellt, dass mit einem gut ausgearbeiteten und professionellen Jugendkonzept Spieler von hoher Qualität für die Ligue 2 und höhere Niveaustufen herausgebracht werden können. Laval wird ohne Zweifel weiter ein Auge auf Guirassy haben und schauen, wie er sich in Köln entwickelt. Sie werden auch die ersten sein, die daran erinnern werden, woher er kommt, wenn er in Köln einschlägt.