Es sollte etwas mehr als 15 Jahre dauern, bis die beiden kölschen Clubs wieder in einem Pflichtspiel aufeinandertrafen. Ausgerechnet zum 50-jährigen Jubiläum stieg der 1. FC Köln aus der Bundesliga ab, der tiefe Fall des einstigen Vorzeigevereins war perfekt. Mit Tränen in den Augen ging es auch für mich, mittlerweile dank meines Bruders Stammgast in der Südkurve, ins Fußball-Unterhaus, wo neben sportlichen Größen wie Meppen, Ulm oder Gütersloh auch die Fortuna auf uns wartete. In der Südstadt witterte man die große Chance, den Platzhirsch in der Stadt zu attackieren: Gemeinsam mit den Haien und Bayer Leverkusen wollte die Fortuna nicht nur sportlich die Nummer eins in Köln werden.
Die Fortuna blüht im Derby auf
Das kam nicht überall gut an – auch bei mir nicht. Die Entscheidung: In den Derbys schlägt mein Herz nur für den FC. Sportlich zunächst die falsche Wahl: Die Fortuna um Trainer Toni Schumacher deklassierte ihren Stadtrivalen, gecoacht von Bernd Schuster (im Jahr zuvor noch Fortuna-Trainer), im ersten Schlagabtausch im Müngersdorfer Stadion mit 4:2. Die Wachablösung schien gar nicht mehr so weit weg – der taumelnde FC verlor sogar das Rückspiel sang- und klanglos mit 0:3, beendete die Saison aber noch vor der Fortuna, der im Saisonendspurt die Kraft ausging.
1999/2000 folgte dann unter Ewald Lienen die sportliche Wiederauferstehung der „Geißböcke“, die am Ende der Saison in die Bundesliga zurückkehren sollten. Mit erfrischendem Offensivfußball überrannte der FC die Gegner und spielte sich in die Herzen der Fans zurück. Ein wichtiger Faktor dabei: Ex-Fortune Dirk Lottner, ein kölscher Jung aus der Südstadt, der auch beim FC-Sieg im Derby die treibende Kraft war. Zwei Treffer erzielt „Lotte“ gegen seinen Ex-Verein, der zunehmend im Chaos versinkt.
Fahrstuhl da, Absturz dort: Die Wege trennen sich
Mittlerweile legendär, damals weniger lustig: Mitte Dezember entlässt Löring Trainer Toni Schumacher in der Halbzeitpause – die Schlagzeilen sind dem Fortuna-Patriarchen damit sicher. Und die Ablehnung meines Vaters auch: „Mit so einem Club möchte ich nichts mehr zu tun haben“, sagt er sich und meidet fortan das Südstadion wie der Teufel das Weihwasser. Das Rückspiel entscheidet die Fortuna im Jahr 2000 wieder klar für sich, für den Klassenerhalt reicht es in der Südstadt trotzdem nicht.
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Der FC wieder erstklassig, die Fortuna nach 26 Jahren nicht mehr in der 2. Bundesliga: Die Wege trennen sich abermals, die Machtverhältnisse scheinen ein für allemal klar gestellt. Während der FC in den Fahrstuhl zwischen den beiden besten Ligen Deutschlands einsteigt, verliert die Fortuna nach dem Abstieg den Boden unter den Füßen. Finanzielle Probleme bei Mäzen Löring machen dem Verein in der Südstadt das Leben schwer, 2001 folgt die Insolvenz. Drei Jahre später wird der Spielbetrieb sogar komplett eingestellt. Die Anteilnahme ist groß, auch beim 1. FC Köln: Durch ein Benefizspiel der „Geißböcke“ sowie Spendenaktionen in der ganzen Stadt kann der Verein am Leben gehalten werden.
Die Radrennbahn als Heimat der kölschen Bundesligisten
Für mich im wahrsten Sinne des Wortes eine Herzensangelegenheit: Hier mein Kindheitsfreund aus der Südstadt, dort meine große Liebe in Müngersdorf. Trotz der Wunden aus der Vergangenheit eine Selbstverständlichkeit – doch die sportliche Gegenwart bei der Fortuna ist damals trist. Landesliga, ganz weit von weg von einstigen Erfolgen im Profifußball. Es folgte die sportliche und finanzielle Erholung: DeinFußballclub.de, Investor Michael Schwetje, Trainer Uwe Koschinat und vor allem Klaus Ulonska sind die Schlagworte. Vor allem den umtriebigen Präsidenten (eigentlich FC-Fan) mit seiner herzlich-liebenswürdigen Art und seinem Spendenball habe ich in den vergangenen Jahren tief in mein Herz geschlossen.
Es sind schöne Erinnerungen an wunderbare Tage im Südstadion. Schöne Erinnerungen wie die Erinnerungen an die guten alten kölschen Zeiten, als es das „Vereinchen“, wie der Schäng zu sagen pflegte, sogar in die Bundesliga schaffte. 1973/74 spielte die Fortuna das einzige Jahr in der Beletage des deutschen Fußballs – und hielt sich dort wacker. Damals teilten sich die Kölner Spitzenvereine nicht nur eine Liga, sondern auch die Spielstätte: Aufgrund des Neubaus des Müngersdorfer Stadions absolvierte sowohl der FC als auch die Fortuna ihre Heimspiele in der 29.000 Zuschauer fassenden Radrennbahn in Müngersdorf.
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Die beiden direkten Duelle im kölschen Derby entpuppten sich jedoch als klare Angelegenheit: Das Hinspiel sicherte sich der FC mit 2:0, im Rückspiel entzauberte Heinz Flohe die Fortuna beim deutlichen 5:0-Erfolg mit einem Hattrick. Am Ende fehlte den Südstädtern jedoch nicht viel zum Klassenerhalt: Erst am letzten Spieltag zog der Wuppertaler SV durch ein Remis in Stuttgart und der besseren Tordifferenz an der Fortuna vorbei.
Dramatisches Aus in der Relegation
Dass die Südstadt offenbar ein Händchen für dramatischen Entscheidungen hat, wurde mir schon als kleiner Sympathisant mit einem Blick klar: Der Fortuna war das Glück in den entscheidenden Momenten ihrer Geschichte nicht so wirklich hold. 1986 beispielsweise hatten die Zollstocker die große Chance auf die Rückkehr in die Bundesliga: Am letzten Spieltag sicherte sich Fortuna die Teilnahme an der Relegation, wo mit Borussia Dortmund ein Schwergewicht warten sollte.
Nach einem 2:0-Erfolg im Hinspiel standen die Vorzeichen dafür nicht schlecht, doch das Drama nahm in Dortmund seinen Lauf: Nach früher Fortuna-Führung sicherte Jürgen Wegmann dem BVB in letzter Sekunde das Wiederholungsspiel, das der Bundesligist dann deutlich mit 8:0 für entschied. „Was wäre, wenn…“ – diese Frage stellte sich noch in den neunziger Jahren, als die Dortmunder zu Meisterschaften und einem Champions-League-Triumph stürmten, viele Beobachtern. Für Fortuna wäre es jedenfalls die Rückkehr auf die große Bühne gewesen, die letztlich aber in Köln zumeist der FC bespielen durfte.
Alternative zum Hochglanzprodukt Bundesliga
Und heute? Heute leben beide Vereine mehr oder minder aneinander vorbei. Sympathien sind vorhanden – in der Stadt, bei den Fans und auch bei den Klubs. Für mich als FC-Anhänger ist ein Besuch im altehrwürdigen und recht baufälligen Südstadion eine wohltuende Abwechslung zum Hochglanzprodukt Profifußball. Keine Cheerleader, keine Bezahlkarten, keine Dauerwerbesendung. Einfach nur Fußball – immer wieder schön, zumal ich mittlerweile einen Steinwurf entfernt vom Südstadion lebe. Meine Leidenschaft für den FC lässt sich so prima mit meiner Sympathie für die Fortuna verbinden.
Dennoch: Im Alltag sind die beiden Klubs sich trotz aller Gemeinsamkeiten fremd. Das zeigt allein schon ein Blick auf die Feierlichkeiten zum 70-jährigen Jubiläum: Beim FC gibt es ein Sondertrikot, ein Wendedress in Reminiszenz an frühere Spielkleidung mit integrierten Bildern aus der ruhmreichen Historie, verkauft in limitierter Anzahl in hochwertiger Verpackung. Dazu läuft im Deutschen Sport & Olympia Museum eine Ausstellung, die die Geschichte des Vereins präsentiert. Von der Gründung 1948 bis zur Jetzt-Zeit mit Europapokal und Abstiegskampf.
Ein Wiedersehen in der 2. Bundesliga? Nicht ausgeschlossen!
Und die Fortuna? Begnügt sich zum 70. Geburtstag mit einem Jubiläums-Gottesdienst und der Eröffnung des neuen Nachwuchsleistungszentrums im Jean-Löring-Sportpark. Kurios: Auch in diesem Jubiläumsjahr könnte sich ein Derby anbahnen. Dem FC droht als Tabellenletzter der Bundesliga der bittere Gang in die Zweitklassigkeit, die Fortuna schielt derweil nach starker Hinrunde noch ein wenig auf dem Relegationsrang. Es sind auch diese Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Geschichte, die die Beziehung zwischen dem großen 1. FC und der kleinen Fortuna prägen.