Dieselbe Stadt, dieselbe Sportart, dasselbe Alter – und doch sind Fortuna Köln und der 1. FC Köln so unterschiedlich. Zum 70. Geburtstag der Versuch einer emotionalen Annäherung an eher entfernte Verwandte, die dennoch nicht immer aneinander vorbeileben können.
Eigentlich trennen den 1. FC Köln und den SC Fortuna Köln nur acht Tage. Acht Tage, die im Jahr 1948 zwischen der Gründung der „Geißböcke“ am 13. Februar und der der Fortuna am 21. Februar lagen. Eigentlich trennen den 1. FC Köln und den SC Fortuna Köln nur knapp drei Kilometer. Drei Kilometer, die zwischen dem Südstadion in Kölner Stadtteil Zollstock und dem Geißbockheim im Grüngürtel liegen. Eigentlich trennen den 1. FC Köln und den SC Fortuna Köln nur 24 Plätze. 24 Plätze, die zwischen dem Schlusslicht der Bundesliga und dem Überraschungssechsten der 3. Liga liegen. Eigentlich sind sich der 1. FC Köln und der SC Fortuna Köln ziemlich nah.
Und doch sind sich beide Fußball-Klubs doch so fern. Auf der einen Seite der 1. FC Köln, die „Geißböcke“, das sportliche Aushängeschild der Stadt, die mittlerweile wie ein 12. Mann hinter ihrem FC steht, eine traditionsreiche wie erfolgreiche Vergangenheit, ein ständig ausverkauftes Stadion, über 100.000 Mitglieder, Umsatz in dreistelliger Millionenhöhe, Profifußball von A bis Z. Auf der anderen Seite der SC Fortuna Köln, der Verein aus der Südstadt, ebenso traditionsreich, doch nicht ganz so erfolgreich, im Südstadion noch nie ein Zuschauermagnet, sehr familiär geprägt, keine großen Sprünge durch die finanziellen Sorgen aus der Vergangenheit, kein Glamour, nur Fußball, eine große Jugendabteilung mit hohem sozialen Anspruch.
Das FC-Gen in der DNA, doch auch Fortuna im Herz
Quasi ein Vergleich zwischen Weltklub gegen Veedelsverein – und doch verbindet et kölsche Hätz die beiden so unterschiedlichen Gebilde. Entfernte Verwandte quasi, die sich kennen, mitunter sogar ganz gut leiden können, aber im Alltag doch nicht allzu viel miteinander zu tun haben. Für mich beginnt das Leben im Spannungsverhältnis zwischen Groß und Klein irgendwann in den neunziger Jahren. Von Kindesbeinen an bin ich verrückt nach Fußball, mit fünf Jahren geht es in den Verein meines Veedels. Natürlich wird einem als „kölsche Jung“ das FC-Gen in die DNA gelegt, doch im Kölner Süden groß geworden ist meine Verbindung zur Fortuna zunächst enger.
Ich schwärme für den FC, doch mein Herz schlägt auch für das „Vereinchen“ um die Ecke. Mit meinem Vater bin ich regelmäßig als kleiner Panz im Südstadion zu Gast: Stehplatz Mitte, Bockwurst und Cola. Es ist das Paradies: Wann immer wir Zeit hatten, schauten wir uns sportlich eher maue Zweitliga-Partien an. Wenig los auf den Rängen, viel Platz zum Herumtoben und die Fußball-Welt entdecken. „Der Schäng könnte jeden mit Handschlag begrüßen“, lacht mein Vater. Einmal ziehe ich sogar bei einem Gewinnspiel das große Los: Meine Nummer auf der Eintrittskarte ist die richtige, ich darf aufs Feld. Beim Würfel mit einem übergroßen Schaumstoffwürfel trickse ich die Erwachsenen aus – und gewinne 107 Mark und 10 Pfennig.
Südstadion ums Eck, Müngersdorf eine Weltreise
Der 1. FC Köln ist da noch weit, weit weg – für einen kleinen Fetz wie mich wirkt schon Müngersdorf wie eine Weltreise. Das Südstadion dagegen ist mit dem Fahrrad erreichbar – erst Kicken auf dem Schulhof, dann ab nach Zollstock! Und immer der Blick auf die Anzeigetafel, für die die Firma meines Vaters verantwortlich zeichnet. Stolz wie Oskar – noch heute bekommt es jeder zu hören, der mit mir im Südstadion zu Gast ist! Dennoch: Der FC bleibt meine Nummer eins. Mein erstes Spiel mit meinem Vater bleibt unvergessen: Es ist elend kalt auf dem Stehplatz, ein eisiger Wind pfeift durch das alte Müngersdorfer Stadion. Das Spiel ist furchtbar, mein Vater holt sich eine Lungenentzündung.
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Das war es mit FC-Heimspielen erst einmal – und doch bin ich hoffnungslos verliebt. Nicht in die kleine Fortuna, die mir mehr wie ein bester Freund geworden war. Sondern in den großen 1. FC Köln, in diesen schillernden Klub mit großer Vergangenheit. Ich entwerfe FC-Aufstellungen mit meinen Lieblingsspielern: Bodo Illgner, Sunday Oliseh, Dorinel Munteanu, Toni Polster. Und träume mich in eine Reihe – einmal dort auflaufen: Ein Kindheitstraum, der nicht in Erfüllung gehen wird. Fußball bleibt meine große Leidenschaft – und mit großen Augen lasse ich mir die große Vergangenheit des kölschen Fußballs erzählen.
Das Stadtderby im Finale des DFB-Pokals
Das Highlight, nicht nur für mich: 1983 treffen die Fortuna und der FC im Finale des DFB-Pokals im Müngersdorfer Stadion aufeinander. Ein reines Stadtderby im Endspiel – noch dazu in der eigenen Stadt. Völlig unwirklich, findet das prestigeträchtige Finale in meiner Wahrnehmung doch immer nur in Berlin statt. Und sowohl der FC als auch die Fortuna scheinen von einer Teilnahme so weit entfernt wie ich von einer Chance auf eine Profikarriere. Ich stellte mir vor, für wen ich damals gewesen wäre – und komme zu keinem Ergebnis. Im ausverkauften Müngersdorfer Stadion waren die Sympathien damals offenbar klar verteilt: Dem Underdog aus der Südstadt flogen dank seiner couragierten Vorstellung die Herzen zu.
Fortuna war durch begeisternde Siege gegen Freiburg, Ulm, Braunschweig, Mönchengladbach und Dortmund ins Endspiel eingezogen und war nicht weit davon entfernt, auch den favorisierten FC um Stars wie Toni Schumacher oder Pierre Littbarski in die Knie zu zwingen. Letzterer war es dann auch, der in der 68. Minute die Partie zugunsten der „Geißböcke“ entschied. Der Titel im DFB-Pokal ging an den FC, doch die Zuschauer feierten die Fortuna: Bei der Siegerehrung und während des Rathausempfangs wurden die Außenseiter lauter gefeiert als der Pokalsieger.
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