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Interviews

Interview mit “FC-Stammtisch Talk”-Moderator Ralf Friedrichs: “Der Talk funktioniert nur gefühlsecht und mit Anfassen”

Was macht ein Fußball-Talkmoderator, wenn es derzeit keine Talks zu moderieren gibt? Wir sprechen mit Ralf Friedrichs über die Zukunft des “FC-Stammtisch Talks”, die Gegenwart beim 1. FC Köln und sein neues Buch mit Thomas Wagner.

FC-Stammtisch Talk Eckhardt Sauren Ralf Friedrichs Werner Wolf
Foto: Ralf Friedrichs

Die Spielweise sorgt auch für ordentlich Kritik der Fans an Trainer Markus Gisdol. Wie siehst du ihn in dem Zusammenhang?

Gespalten. Einerseits nötigt es mir Respekt ab, dass er unter wahnsinnigem Druck im rechten Moment immer noch einen Notausstieg findet und die ganz entscheidenden Spiele gewinnt. Auf der anderen Seite hat auch er – neben den Spielern, die oft in der Kritik zu kurz kommen – seinen Anteil daran, dass es immer wieder zu solchen „Endspielen“ kommt. Das Stuttgart-Spiel war dafür ein gutes beziehungsweise ein schlechtes Beispiel. Solche Spiele hatten wir in dieser Saison schon sehr oft. Ein Gegner der Kategorie „schlagbar“ wurde ja im Vorfeld schon viel zu stark geredet. Dann macht man sich vor diesem Gegner, wohlgemerkt einem Aufsteiger, auch komplett ins Hemd und tritt so defensiv und ängstlich auf, als käme Bayern München, Real Madrid oder Juventus Turin. Eine Woche später bietet man dann tatsächlich den Bayern durchaus Paroli und verliert viel zu hoch. Das passt alles nicht zusammen.

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Wäre er in deinen Augen noch Trainer, wenn Fans im Stadion wären?

Schwer zu sagen, aber generell wäre die Welt eine andere, würden wir im Normalbetrieb leben. Es käme deutlich mehr Druck vom Umfeld … und zwar nicht, weil die Erwartungshaltung zu hoch ist, sondern weil die geringen Basiserwartungen bisher doch zumeist enttäuscht wurden.

“Im Allgemeinen hat der Vorstand sicher nicht wöchentlich das Tagesgeschäft zu kommentieren. Aber ich würde mir aktuell schon etwas mehr Präsenz wünschen, als nur Geißbock Hennes zum Geburtstag eine Möhre zu spendieren.”

Apropos enttäuschte Erwartungen: Der FC-Vorstand wird von vielen Mitgliedern kritisiert, er würde sich zu wenig einbringen. Teilst du diese Kritik?

Im Allgemeinen hat der Vorstand sicher nicht wöchentlich das Tagesgeschäft zu kommentieren. Aber ich würde mir aktuell schon etwas mehr Präsenz wünschen, als nur Geißbock Hennes zum Geburtstag eine Möhre zu spendieren. Allerdings hat dieser Vorstand bisher mich generell brutal enttäuscht. Er wurde gewählt, um diesen Verein zu reformieren, sicher auch die ein oder andere Strukturfrage zeitnah anzugehen und auch mal die eine oder andere Personalie zu hinterfragen. Die erste Idee aber war, mit einem Armin Veh verlängern zu wollen, was angesichts dessen Leistung einer Katastrophe gleichkam. Jedenfalls für diejenigen, die sich für dieses neue Präsidium stark gemacht hatten. Später hat Alex Wehrle auf der Position des Sportgeschäftsführers seinen Bekannten Horst Heldt durchgesetzt, was auch nicht im Sinne vieler vormaliger Vorstandsunterstützer war. Die merkwürdige Art und Weise der Kaufmann-Entlassung und auch der deutlich unpassende Zeitpunkt waren ebenso diskussionswürdig. Der absolute Negativhöhepunkt aber war die Wahl auf einen neuen Kommunikationschef, der von seinem Profil und seiner Herkunft das absolute Gegenteil von dem war, was man sich gewünscht hätte. Das war völlig daneben und könnte für den Vorstand sicher auch ein Nachspiel haben, auch wenn die Fanszene insgesamt diesen Mann ja verhindern konnte.

1. FC Köln U23 vs. Fortuna Köln 1.FC Köln U21, U 21 vs. Fortuna Köln, Regionalliga West, von links: Hanns-Jörg Westendotf Fortuna, Carsten Wettich 1.FC Köln, Werner Wolf 1.FC Köln, 20.02.2021, *** 1 FC Köln U23 vs Fortuna Köln 1 FC Köln U21 vs Fortuna Köln, Regionalliga West, from left Hanns Jörg Westendotf Fortuna , Carsten Wettich 1 FC Köln , Werner Wolf 1 FC Köln , 20 02 2021,

FC-Präsident Werner Wolf (r.) mit Vize Carsten Wettich (m.) und Fortuna Kölns Präsident Hanns-Jörg Westendorf | Foto: imago images / Herbert Bucco

Du spielst auf die Mitgliederversammlung an, die irgendwann ja bis Ende Juni stattfinden muss, oder?

Natürlich, da wird die Mitgliedschaft nicht nur zu diesem Vorgang eine Menge Fragen haben, da bin ich ganz sicher. Und dem Vorstand kann man nur raten, gute und plausible Antworten parat zu haben, ansonsten kann es ungemütlich werden. Auch in Hinsicht der Bestätigung des Vorstandsnachrückers für Jürgen Sieger, also Carsten Wettich. Aber auch auf die geheimnisumwitterten Finanzzahlen, die Alex Wehrle zu verkünden hat, darf man sehr gespannt sein. Man muss ja mal festhalten, dies sind die Zahlen des alten Geschäftsjahrs, denn wir reden ja immer noch von der 2020er Mitgliederversammlung, die nachgeholt werden muss. Wenn alles gut läuft, haben wir dieses Jahr sogar zwei Versammlungen und es stehen sogar wieder Mitgliederratswahlen an. Es kommt zwangsläufig irgendwann Bewegung hier rein.

Tatsächlich kann da noch einiges in Fluss geraten…

Nochmal zurück zu Alex Wehrle: Ich verstehe nicht, warum man diese Zahlen – die ja eh bereits veraltet sind – nicht längst bekannt gegeben hat. Vor mir aus per Brief an alle Mitglieder. Wir haben als Mitglieder ein Recht darauf, zu erfahren, wie es um den Verein bestellt ist. Gerade in diesen Corona-Zeiten. Das nährt schon ein wenig den Verdacht, dass die Zahlen übler sind als befürchtet und dass man den Zeitpunkt der Veröffentlichung ganz bewusst nach hinten schiebt. Und wer weiß, ob Wehrle dann noch hier ist. Das Dementi nach den Gerüchten aus Stuttgart war für seine Verhältnisse ja äußerst leise und nach allen Seiten hin interpretierbar.

“Um die Zukunft meines und unseres 1. FC Köln mache ich mir natürlich Gedanken. Wir stecken im Prinzip seit dem Herbst 2017 in einer permanenten Führungskrise.”

Soviel zum Thema “entemotionalisiert”. Ich merke: Auch mit Abneigung gegen Geisterspiele und die aktuelle Situation scheinen dich die Dinge rund um den FC ordentlich zu beschäftigen, wie ich feststelle.

Nun ja, die Leidenschaft für seinen Verein verliert man ja nicht. Und ich mache mir eben sehr große Sorgen. Vor dem Abstieg merkwürdigerweise weniger, denn dafür haben wir trotz allem genug Substanz … und zum Glück Mannschaften hinter uns, die deutlich schlechter performen. Aber um die Zukunft meines und unseres 1. FC Köln mache ich mir natürlich Gedanken. Wir stecken im Prinzip seit dem Herbst 2017 in einer permanenten Führungskrise, die sich mal mehr, mal weniger auswirkt. Diese Führungskrise umfasst alle: Vorstand, die komplette Geschäftsführung und auch die Gremien, denn leider hat auch der Mitgliederrat mit der Auswahl zu den Vorstandswahlen ziemlich danebengelegen. Wir müssen das als Verein unbedingt in den Griff kriegen, brauchen neue Ansätze, eine neue Struktur und auch sicher irgendwann neue Köpfe. Aber eines nach dem anderen, zunächst mal gilt es den Abstieg zu verhindern. Das wird sicher noch ein Nervenspiel, welches wir hoffentlich ohne Relegation für uns entscheiden werden. Langweilig wird es sicher nicht, auf allen Ebenen.

Danke für das Gespräch.

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