Spielen da Themen, die im Erfolg erst so richtig aufkamen, wie der Schritt auf den chinesischen Markt, die Fantasien von einem Stadionneubau oder mögliche Einstiege von Investoren eine Rolle für diese Entfremdung – ist der Riss dort zu finden?
Müller-Römer: Natürlich spielen diese Themen im Rahmen dieser Entfremdung eine Rolle. Auch weil wir im Gemeinsamen Ausschuss unsere Rolle ernst genommen und bei Projekten wie Investoren-Kontaktaufnahme, Stadionneubau oder der China-Kooperation kritisch nachgefragt haben. Von uns gab es da eine viel zurückhaltendere und bedächtigere Herangehensweise, die in der Euphorie, in der die Führungsetage schwebte, aber direkt als Misstrauensbeweis bewertet wurde. Übrigens ist das China-Thema ja gescheitert, was wir von Anfang an erwartet haben, weil man mit so einer Diktatur keine Geschäfte machen kann.
Und in Sachen Stadion?
Müller-Römer: Das ist ein komplexes, schwieriges Thema. Da sind so viele Beteiligte, da muss man sehr vorsichtig agieren. Es war sicherlich etwas arg euphorisch, mal eben so zu proklamieren, dass man hier irgendwo einen 80.000er-Tempel hinbauen könnte. Da war ja von Anfang an klar, dass das nicht so einfach gehen wird. Der 1. FC Köln kann nicht ohne die Stadt Köln ein neues Stadion bauen. Man muss da sehr vorsichtig vorgehen. Das politische Feld ist auch immer ein Minenfeld.
“Aus unserer Sicht bleibt es alternativlos, dass man miteinander spricht – und das tun wir auch.”
Das Thema Stadion hat wohl auch dazu beigetragen, dass sich die Beziehung zwischen der aktiven Fanszene und der Vereinsführung massiv verschlechtert hat oder gar nicht mehr existent ist. Sehen Sie das auch so? Besteht auch zwischen Mitgliederrat und Fanszene kein Kontakt mehr?
Müller-Römer: Das Thema Stadion hat sicher dazu beigetragen. Aber auch die ganz konkreten Vorfälle in der Kurve haben ihren Anteil. Denn es hat ja einige Stadionverbote gegeben. Naturgemäß haben beide Seiten da eine sehr unterschiedliche Auffassung. Wir haben uns bemüht, zu vermitteln. Übrigens waren wir im Umgang mit der Kurve lange Zeit einig mit unserem Präsidenten. Der Mitgliederrat hat Werner Spinner, der das Verhältnis mit der aktiven Fanszene verbessern wollte, dabei immer unterstützt. Während einige andere in der Führung keinen Sinn darin gesehen haben, mit der aktiven Fanszene zu sprechen, waren wir immer der Meinung, dass man mit ihnen reden muss. Denn aus unserer Sicht gehören alle zum Verein, auch die Ultras. Insgesamt hat man sich aber immer weiter entfremdet. Die Fanszene hat viele Strafmaßnahmen als ungerechtfertigt betrachtet. Aus unserer Sicht bleibt es aber alternativlos, dass man miteinander spricht – und das tun wir auch. Nicht miteinander zu reden und einfach zu sagen ‘Der andere ist ein Idiot, mit dem brauche ich nicht sprechen’, ist nie eine Lösung.
Kann es für diese Problematik überhaupt eine dauerhafte Lösung geben?
Müller-Römer: Nein, das glaube ich nicht. Man kann immer nur versuchen, das zu verbessern. Denn die aktive Fanszene ist ja auch kein fester, unverrückbarer Block, auch da finden Veränderungen statt. Dementsprechend wird man an dem Thema immer arbeiten müssen. Und da wird man sicher auch mit dem DFB und der DFL noch einmal über ein paar Punkte reden müssen, weil da gerade was die Kommerzialisierung angeht, aus meiner Sicht die falsche Politik gefahren wird. Dass die Fans sich gegen diese totale Kommerzialisierung und die Zerstückelung von Spieltagen mit Protesten wehren, kann ich gut verstehen. Da wird der Fußball auch tatsächlich kaputt gemacht. Fußball darf kein reines Geldvermehrungsprodukt sein – die eigentlichen Ideale, die hinter diesem Sport stehen, darf man nicht vergessen.
Ist es ein realistisches Szenario, dass die aktive Fanszene unter dem aktuellen Vorstand noch einmal zum Dialog bereit ist?
Müller-Römer: Im Moment haben sich beide Seiten ziemlich eingegraben. Das könnte derzeit wahrscheinlich nur ein Mitgliederrat hinbekommen, der mit den richtigen Leuten besetzt ist, die auch die entsprechende Erfahrung haben. Denn die braucht man da auch. Man muss schon wissen, worum es da geht. Da rein zu marschieren und zu sagen, jetzt wird hier mal alles neu gemacht, stößt eigentlich nur alle vor den Kopf. Man muss die Verhältnisse kennen.
“Derzeit haben wir jetzt zumindest das Vier-Augen-Prinzip.”
Wie schätzen Sie die derzeitige Kontrolle der Geschäftsführung durch den Vorstand ein – ist die effektiver als zu den Zeiten Jörg Schmadtkes?
Müller-Römer: Das können wir im Moment gar nicht genau sagen, weil wir über viele Dinge schlicht nicht informiert sind. Wir mischen uns ja gerade nicht ins operative Geschäft ein. Sondern wir kommen damit nur im Rahmen des Gemeinsamen Ausschusses in Kontakt, wo wir zu ganz konkreten Verträgen oder Spielertransfers gefragt werden müssen, weil die Satzung es so vorsieht. Nur in diesem Rahmen stellen wir dann unsere Fragen. Im Einzelnen können wir das also nicht beurteilen. Anders ist aber, das ist bekannt, dass wir in der sportlichen Leitung nicht nur Armin Veh, sondern auch Frank Aehlig haben. Das war auch einer der Punkte, die wir kritisiert haben – also dass Jörg Schmadtke sich verselbstständigt und Jörg Jakobs ins Nachwuchsleistungszentrum wegkomplimentiert hatte. Als wir davon erfahren haben, haben wir Werner Spinner gesagt, dass wir das für gefährlich halten. Einer alleine kann schnell falsch liegen und Fehler machen – es sollten sich mindestens vier Augen mit solchen Dingen befassen, selbst wenn am Ende nur einer entscheidet. Der eine sollte sich vorher zumindest mit den Argumenten eines anderen auseinandersetzen müssen. Die Meinung vertrete ich nach wie vor. Derzeit haben wir jetzt zumindest das Vier-Augen-Prinzip. Zu allem weiteren kann der Mitgliederrat nichts sagen.
Welchen Verlauf der Mitgliederversammlung erwarten Sie? Was wünschen Sie sich?
Müller-Römer: Wünschen würde ich mir, dass es fair, gesittet und ruhig zugeht. Ich befürchte aber, dass das nicht so sein wird, weil die Stimmung derzeit angeheizt ist und gezielt angeheizt wurde – auch durch die Diffamierung meiner Person. Da wird sich der ein oder andere vermutlich schon zu dummen Bemerkungen hinreißen lassen. Hoffentlich gelingt es, das Ganze im Zaum zu halten. Schließlich geht es hier nur um Fußball. Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten sind richtig und wichtig, aber sie müssen immer mit Respekt und Fairness geführt werden.