Sechs Punkte aus zwei Spielen – das hatten beim 1. FC Köln nur die wenigsten erwartet. Nach den beiden Erfolgen gegen Leverkusen und Frankfurt machte der FC nicht nur einen Sprung in der Tabelle, auch das Selbstvertrauen, das zuletzt so arg gelitten hatte, ist bei den “Geißböcken” innerhalb von nur wenigen Tagen angestiegen. Im Fußball kann es eben manchmal ganz schnell gehen, bisweilen entscheiden auch Kleinigkeiten. Es war beileibe nicht so, als hätte Markus Gisdols Mannschaft in den vergangenen 180 Minuten beide Gegner dominiert. Vielmehr waren es eine stabilere Grundordnung als noch zuvor und eben auch das nötige Momentum, die für die veränderten Dynamiken in den Spielen verantwortlich waren. Passende personelle Anpassungen jeweils nach einer Stunde in beiden Spielen trugen ebenfalls dazu bei, dass der FC zwei späte Siege feiern konnte.
Mit diesen sechs Punkten im Rücken geht der Bundesliga-Aufsteiger nun in die abschließende Partie des Jahres: Werder Bremen liegt punktgleich mit den Kölnern auf Rang 15, aufgrund des schlechteren Torverhältnisses (minus 17 bei den Bremern, minus 15 beim FC) befinden sich die “Grün-Weißen” aktuell auf dem Relegationsplatz. Die Formkurve der Mannschaft von Trainer Florian Kohlfeldt zeigt nach unten: Zuletzt gab es drei Niederlagen in Folge, darunter mit dem 1:6 gegen Bayern und dem 0:5 zuhause gegen Mainz durchaus deutliche Ergebnisse. In den letzten zwölf Spielen gab es nur einen Erfolg für die Hanseaten. Unter dem Strich steht damit die schwächste Zwischenbilanz einer Bremer Mannschaft nach 16 Spieltagen, mit einer weiteren Niederlage in Köln wäre es die schlechteste Bundesliga-Hinrunde der Vereinsgeschichte.
Anspruch und Realität stimmen bei Werder Bremen aktuell nicht überein
Vor der Saison hatte man sich das in der Hansestadt noch anders vorgestellt: Die Ambitionen gingen etwas weiter nach oben. Dass es aktuell nicht so läuft, könnte gleich mehrere Gründe haben, die dem FC aus der Abstiegssaison 2017/2018 noch bekannt sein dürften. Zuerst erwischte Bremen das Verletzungspech in massiver Form. Der lange Ausfall von Abwehrchef Moisander, der mittlerweile wieder fit ist, traf die Defensive. Mit Niclas Füllkrug fehlt im Angriff ein Stürmer, der lange Bälle festmachen kann und auch im Strafraum eine gewisse Präsenz ausstrahlt. Durch den Abgang von Max Kruse, der im vergangenen Jahr der Go-to-Guy in der Bremer Offensive war, fehlten damit schon zwei wichtige Akteure.
Der Transfersommer bot dann wenig Überraschendes, weil Sportchef Frank Baumann in erster Linie auf arrivierte Spieler, die an anderen Bundesliga-Standorten nicht mehr wie gewünscht zum Zug kamen. Dazu gehörte auch der ehemalige Kölner Leonardo Bittencourt, der aus Hoffenheim in den Norden wechselte – gegen den FC fehlt er aber aufgrund seiner fünften Gelben Karte. Yuya Osako, der im Sommer 2018 nach Bremen zog, gehört neben Milot Rashica in diesem Jahr noch zu den wenigen Lichtblicken beim SVW. Claudio Pizarro, ein weiterer früherer FC-Spieler, ist immer noch im Kader – weshalb man sich nochmal dazu entschied, mit der Vereinslegende den Vertrag zu verlängern und den Umbruch hinauszuzögern, ist wohl eine berechtigte Frage. Wohin es führen kann, wenn Spieler nur wegen früherer Verdienste gut dotierte Verträge bekommen, ist auch in der Domstadt sichtbar.
Der 1. FC Köln ist mittlerweile konkurrenzfähig
Die Serie von schlechten Ergebnissen schien lange Zeit nicht wirklich ernstgenommen zu werden, weil erst nach der herben Pleite in München auf einmal hieß, dass nun der Abstiegskampf ausgerufen werde. Zuvor hangelte man sich an der Weser offenbar zulange an der These entlang, dass Werder das Potenzial für Europa habe. Die Fakten sprechen jedoch eine andere Sprache: Bremen ist der einzige Bundesligist, der in dieser Saison noch nicht zu Null spielte. 40 Gegentore nach 16 Spielen sind obendrein neuer Negativrekord in der langen Geschichte des Vereins.
„Wir müssen uns immer wieder neu beweisen.”
Beim kommenden Gegner aus Köln ist die Lage ein wenig entspannter. Die beiden jüngsten Siege haben gezeigt, dass der FC durchaus konkurrenzfähig sein kann – auch gegen nominell stärkere Gegner. „Es ist wichtig, alles immer im richtigen Maße einzuordnen”, sagte Geschäftsführer Horst Heldt nach dem Sieg gegen Frankfurt. „Wir müssen uns immer wieder neu beweisen. Vielleicht haben wir jetzt ein bisschen Selbstsicherheit bekommen, weil wir phasenweise viel besseren Fußball gespielt haben. Wir müssen weiter als Team agieren, alle zusammen. Da ist jeder gefordert”, lautete seine Marschroute für das letzte Spiel des Jahres.
Skhiri und Hector: Zwei Ankerspieler beim 1. FC Köln
Die Startelf der letzten Woche, mit Skhiri und Hector als Herz der Mannschaft im zentralen Mittelfeld, dürfte nur unwesentlich verändert werden. Kingsley Ehizibue könnte seinen Posten als Rechtsverteidiger wieder einnehmen, zudem ist wieder offen, wer zu Spielbeginn den Stürmer gibt. Von Experimenten mit zwei Angreifern zu Beginn ist Gisdol offenbar abgerückt, die Rollenverteilung zwischen Skhiri, Hector und Drexler funktionierte zuletzt zu gut, um einen dieser Spieler für einen weiteren Stürmer zu opfern. Trotz der positiven Ergebnisse war beim 1. FC Köln nun aber auch nicht alles rosig: Die Entscheidungsfindung im offensiven Umschalten ist immer noch ausbaufähig, wovon viele überhastete Pässe und falsche Laufwege Zeugnis ablegen.
Auch im geordneten Spielaufbau wird häufig der Panik-Ball gewählt, anstatt konstruktiv aufzubauen. Zumindest gelingt es dem FC jedoch, die notwendige Intensität an den Tag zu legen, um den Gegner möglichst lange vor dem eigenen Tor wegzuhalten. Gegen Leverkusen und Frankfurt ließ die Kölner Hintermannschaft vergleichsweise wenig Torchancen zu, die Gegentreffer fielen nach Eckbällen. Das Innenverteidiger-Paar Sebastiaan Bornauw und Rafael Czichos scheint immer besser zueinander zu finden, die Abstimmung auf die Bewegungen und Aktionen des Anderen ermöglicht, dass die Abwehr immer mehr an Sicherheit gewinnt.
Der Schnitt von einem Punkt pro Spiel ist noch erreichbar
Gegen Bremen dürfte mit Yuya Osako ein Stürmer auf die Kölner Abwehr warten, der sich immer wieder zwischen die Linien fallen lässt und dort am Kombinationsspiel teilnimmt. Hier wird entscheidend sein, wie die Läufe des Japaners aufgenommen werden. Der Moment der Übergabe zwischen Innenverteidigung und Sechser erfordert viel Kommunikation, um dem ehemaligen Kölner nicht zu viel Zeit zu ermöglichen, damit er beispielsweise Pässe in die Tiefe zu Rashica spielen kann.
Dass der FC in einem Duell mit Bremen als formstärkere Mannschaft ins Rennen gehen würde, war vor wenigen Wochen noch nicht zu erwarten, die fußballerische Realität spricht aber eine andere Sprache. Mit einem Erfolg und dann 17 Punkten wäre eine gute Ausgangslage für das Jahr 2020 geschaffen, um das Ziel Klassenerhalt zu erreichen.