Die Südkurve setzt ein deutliches Zeichen gegen “Pro Köln”. Manche finden das nicht gut. Doch sie liegen falsch. Der effzeh.com-Kommentar.
“Im Stadion sollte Politik keine Rolle spielen” oder plakativer “Keine Politik im Stadion!” Dergleichen ließt man momentan oft, wenn man sich mit der Berichterstattung um die Anti-Pro-Köln-Aktion der Südkurve auseinandersetzt. Oft genug auch mit dem Zusatz, dass man zwar persönlich die “Bürgerinitiative” vom rechten Rand ebenfalls ablehne, aber es eben “um’s Prinzip” gehe. Dabei erscheint eine solch strikte Trennung unmöglich.
Ein gefülltes Stadion ist schließlich eine Mikro-Gesellschaft. Fast ein Abbild des großen Ganzen, lediglich mit der Einschränkung behaftet, dass Menschen, die mit Fußball nichts anfangen können wohl unterrepräsentiert sein dürften. Und wo Menschen sind, dort ist auch Politik.
Die meisten, die nun also den Finger heben und die Positionierung der Südkurve als politischen Akt anmahnen, dürften sich dabei gar nicht bewusst darüber sein, dass ein “Politikverbot im Stadion” zu fordern, ebenfalls eine politische Handlung ist. Unabhängig davon wirken die Kölner Ultras nicht so, als hätten sie vor sich beim nächsten Heimspiel zur Rentenpolitik der Bundesregierung zu äußern. Die Stellungnahme der “Coloniacs” lässt zumindest nicht darauf schließen.
Der Protest gegen “Pro Köln” geht auf den Versuch der “Bürgerinitiative” zurück, im Überschwang um den Aufstieg Wählerstimmen einzusammeln. Erst hatte der Verein diesem Versuch einen Riegel vorgeschoben und nun hatten die Fans offenbar das Bedürfnis, das ebenfalls zu tun. Eindrucksvoll.
Gleiche Kritik aus verschiedenen Motiven
Die Kritiker scheinen sich hier in zwei Lager aufzuteilen: Ein großes, das unabhängig vom Fußballsubkosmos eine allgemeine Abneigung gegenüber “Politik” und den dazugehörigen Akteuren empfindet. “Politik im Stadion” bedroht also die fußballkulturelle Wohlfühloase der Nicht-Auseinandersetzung mit bestimmten Aspekten des gesellschaftlichen Zusammenlebens.
Eine andere – glücklicherweise deutlich kleinere – Kritikergruppe bilden – wie ironisch – die politischen Akteure selbst, denen natürlich nicht daran gelegen ist zum Feindbild von Fußballfans zu werden. Denn das würde Wählerstimmen kosten und die negative Wahrnehmung des angeblich ach-so-harmlosen Pro-Bündnisses verstärken.
Diese Haltung findet sich aber auch bei anderen rechten “Parteien”, wie zum Beispiel der NPD. Bei so manchem Landesverband findet man dort praktisch alle populären Forderungen der aktiven Fanszene als “politische Ziele” ausgegeben. Wörtlich: “Politik raus aus dem Stadion!” Natürlich setze sich die Partei dafür ein, dass die Fankultur erhalten bleibe, keine V-Männer in Fanblocks auftauchten und die Stehplätze auf jeden Fall unangetastet bleiben. Populäre Forderungen mit denen man auf offene Ohren in der Fanszene hofft. “Und Pyros für alle!” kann man dort zwar nicht lesen, aber es hätte noch die Kirsche auf die plumpe Bauernfängerei gesetzt.
Nein, nicht jeder, der sich mit “Politik” im Stadion nicht auseinandersetzen will, ist ein verkappter Neonazi. Das dürfe wirklich auf die allerwenigsten zutreffen. Aber jeder sollte wissen, mit wem er diese Argumentation gemein hat.
Man kann nicht nicht politisch sein
Ganz davon abgesehen, verhält es sich mit dem Versuch “nicht politisch” zu sein ohnehin ungefähr so wie mit der watzlawickschen Kommunikation. Man kann nicht nicht politisch sein. Denn wenn man “nicht politisch” ist, sendet man ebenfalls ein politisches Signal. Und in diesem konkreten Falle hätte das nicht bedeutet – wie man auch immer wieder lesen kann – dem “Pack die kalte Schulter zu zeigen” und ” denen keine Aufmerksamkeit” zu schenken. Es hätte vielmehr bedeutet, dass es der Kurve egal ist, wenn eine rechte Partei versucht auf dem Rücken des Vereins, den wir lieben, Stimmen zu sammeln.
Dass die Fans des 1. FC Köln dort keinen Zweifel aufkommen haben lassen, muss man in einer Zeit des Wegguckens vielmehr loben. Obwohl es eigentlich selbstverständlich sein sollte. Und ein bisschen stolz darf man auch drauf sein. Denn so sehr man auch probiert, nichts mit Politik zu tun zu haben – man wird sie nicht los. Und dann kann man sie auch machen.