Der nächste Trainer ist international weniger bekannt, weniger erfolgreich, aber ungleich einflussreicher: Marcelo Bielsas sturer Ansatz des Offensivfußballs war Grundlage für viele Trainer nach ihm. Erster deutscher Trainer in der Auflistung ist Jürgen Klopp, der Menschenführung und Fußballphilosophie beim BVB zu einer sinnvollen und passenden Mischung zusammenbrachte und nun mit dem Liverpool FC im Champions-League-Finale steht. Danach folgen mit Antonio Conte und Maurizio Sarri, der gerade beim SSC Neapel verabschiedet wurde, zwei Italiener im Fokus. Während der eine durch seinen unbändigen Siegeswillen besticht (Conte), zeigt das Beispiel Sarri, das man auch als Quereinsteiger im Fußball etwas erreichen kann – auch wenn man Unmengen an Zigaretten und Espressi konsumiert.
Braucht es als Trainer eine gute Spielerkarriere?
Danach beschäftigt sich das Werk mit Peter Bosz, dem ehemaligen BVB-Trainer, bevor Joachim Löw ein Kapitel gewidmet wird. Dieser wird von Escher als Pragmatiker beschrieben, der stets auf der Suche nach neuen taktischen Entwicklungen ist und seine Mannschaft dementsprechend verändert. Mit Thomas Tuchel und Julian Nagelsmann folgen dann zwei Beispiele dafür, dass man als erfolgreicher Trainer keine sonderlich erfolgreiche Spielerkarriere gehabt haben muss – beide sind inspiriert worden von Guardiola und anderen und gehen mit ihrem “Rulebreaking” (Tuchel) und der Arbeit an mehreren Spielprinzipien und dem Fokus auf differentiellem Lernen (Nagelsmann) neue Wege.
Das Buch endet mit einem Kapitel über Zinédine Zidane, einen der größten Fußballer der Geschichte, der mittlerweile auch als Trainer außergewöhnliche Erfolge feiert. Ihm fehlt der wissenschaftliche Ansatz eines Mourinho oder eines Tuchels, aber dennoch leistet seine Mannschaft Jahr für Jahr Bedeutsames. Laut Escher liegt das an den Freiräumen, die “Zizou” seiner Mannschaft lässt – die Frage, ob dieser Ansatz auch bei einem individuell schlechter besetzten Teams als Real Madrid funktioniert, wird allerdings zurecht gestellt.
Foto: Francesco Pecoraro/Getty Images
Und warum sollte dieses Buch nun Eingang finden in die Bücherregale von Fußballfans? Nun, das ist eine schwierige Frage. Fest steht, dass das Buch für Menschen, die sich überdurchschnittlich intensiv mit dem Fußball auseinandersetzen, wenig inhaltliche Neuerungen bietet. Die meisten Anekdoten und Hintergründe über die Trainer sind bereits bekannt, allerdings ist das auch nicht schlimm – anders als die teilweise als “nerdig” kritisierten Spielanalysen auf “spielverlagerung.de” ist das Buch in Bezug auf seinen Schreibstil leicht zugänglich, die einzelnen Kapitel lesen sich flott und werden durch thematische Einschübe zur taktischen Fachbegriffen aufgelockert. Wenn man das Buch also als Übersicht über die prägenden Trainerfiguren der Gegenwart sieht, ist es wertvoll – das Defizit, dass Tobias Escher mit keinem der Trainer tatsächlich persönlich sprechen konnte, sorgt jedoch dafür, dass die inhaltliche Tiefe ein wenig fehlt.
Tobias Escher: Flüssiger Schreibstil, kompakter Inhalt
Es wäre interessant zu sehen, wie ein solches Buch aussehen würde, wenn Escher tatsächlich die Gelegenheit gehabt hätte, mit den Protagonisten zu reden – im Französischen erschien im Jahr 2011 das Buch “Secrets de Coachs” (zu deutsch: “Geheimnisse der Trainer”), verfasst von den beiden Sportjournalisten Daniel Riolo und Christophe Paillet. Für sie bestand die Möglichkeit, mit Welt-Trainern für ihr Buchprojekt Interviews zu führen – herausgekommen ist ein detailliertes und komplexes Werk, in dem man über die einzelnen Trainer eine Menge erfährt.
Arrigo Sacchi, Rafael Benitez, Marcello Lippi, Ottmar Hitzfeld, Sir Alex Ferguson und Vicente Del Bosque sind nur einige der Trainer, mit denen sich dieses Buch auseinandersetzt. Es entstammt gewiss einer anderen Zeit, ist aber für den Verfasser dieser Zeilen ein Standardwerk, um die Arbeit der Fußballlehrer auf höchstem Niveau zu verstehen. Leider ist dieses Buch bislang nicht auf Deutsch erschienen.
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