Fangen wir mit den nicht ganz so großen Gefühlen an. Die zeigten die Spieler von Bayern München nach dem nun wirklich für sie unverhofften Gewinn des Meistertitels. Gewiss, vor allem Joshua Kimmich brüllte einiges heraus, das als freudvoller Jubel identifiziert werden konnte, die anderen Spieler umarmten sich – eher überrascht als freudig angetan. Ein wenig wirkte dies wie Muster einer Jahrzehnte langen Routine. Und doch sollte man so ehrlich sein, den Bayern zu attestieren, dass ihnen die überraschende Meisterschaft selber ein wenig peinlich zu sein schien.
Einen starken Auftritt hatten die Stars von der Säbener Straße dann eine Viertelstunde später, als sie sich nach der Überreichung der Meisterschale dem Spalier zu Ehren von Timo Horn und Jonas Hector anschlossen und zumindest für einige Minuten die Meisterfeier Meisterfeier sein ließen, um den beiden langjährigen FC-Spielern ihren Respekt zu zollen. Ein wenig gewundert werden sie sich haben, die erfolgsverwöhnten Bayern, dass das Stadion deutlich mehr als eine halbe Stunde nach Spielschluss noch immer voll war.
“Wenn ich sehe wie Jonas heute gespielt hat, kann sich jeder vorstellen, dass ich da ein weinendes Auge habe. Und Timo bleibt ein Kölner Junge, egal wo er hingeht. Wir werden erst im nächsten Jahr merken wie sehr die Jungs fehlen.”
(Steffen Baumgart)
“Wenn ich sehe wie Jonas heute gespielt hat, kann sich jeder vorstellen, dass ich da ein weinendes Auge habe. Und Timo bleibt ein Kölner Junge, egal wo er hingeht. Wir werden erst im nächsten Jahr merken wie sehr die Jungs fehlen.”
(Steffen Baumgart)
Und möglicherweise werden sie sogar irritiert gewesen sein über einen Satz, den sie in großen Lettern unterhalb der Kölner Südkurve lesen konnten und der so gar nicht zu der erfolgsverwöhnten Welt eines mehrfachen Gewinners der Champions League passen wollte: Gefühl ist wichtiger als Geld. Gewidmet war dieser Satz dem scheidenden Kölner Mannschaftskapitän Jonas Hector, der in seiner Laufbahn in der 1. Bundesliga keine Titel gewann, dafür aber die Herzen seiner zigtausenden Fans, die für ihn und Timo Horn so lange ausgeharrt hatten.
Schneller Rückstand – Kölner Ausgleich – Bayerns Siegtor in letzter Minute
Die Partie war gerade erst acht Minuten alt, als Kingsley Coman traf. Hoch in den rechten Winkel, mit einem Schuss, für den das Adjektiv “unhaltbar” erfunden wurde. Die Kölner mussten sich ob des frühen Rückstands ein wenig schütteln, spielten dann aber mutig nach vorne und kamen auch zu einigen Gelegenheiten, von denen die Schusschance für Eric Martel in der 24. Minute die größte war. Kurz vor der Pause versagte Schiedsrichter Sven Jablonski dem vermeintlichen 2:0 der Bayern nach Hinweis des VAR die Anerkennung. Leroy Sané, der Schütze, hatte den Ball vorher mit dem Arm berührt.
Nach der Halbzeit übernahm Steffen Baumgarts Team zunehmend die Spielkontrolle und drängten die Bayern mehr und mehr in deren Hälfte des Spielfelds. Davie Selke bot sich per Kopf die Chance zum Ausgleich, doch Keeper Yann Sommer konnte den Ball noch über die Latte lenken. In der 81. Minute meldete sich der VAR erneut bei Jablonski. Serge Gnabry hatte einen Flankenversuch von Denis Huseinbasic mit Hand und Arm abgewehrt – Elfmeter. Dejan Ljubicic übernahm die Verantwortung und verwandelte sicher – 1:1.
Den Bayern drohte nun die Zeit wegzulaufen. Sie rannten an, die Kölner verteidigten mit Leidenschaft. In der 90. Minute waren sie allerdings machtlos, als Jamal Musiala nach einer gekonnten Ballmitnahme zum 1:2 traf. Wenig später stand dann der elfte Titelgewinn in Folge der Bayern fest. Und doch geriet dies wie auch die Übergabe der Meisterschale in Müngersdorf zur Nebensache. Größeres stand an – zwei langjährige FC-Größen wollten verabschiedet werden.
Was in Erinnerung bleibt: Der Abschied von Timo und Jonas
Natürlich waren es die letzten Momente, die Timo Horn und Jonas Hector als Spieler des 1. FC Köln auf dem Rasen des Kölner Stadions verbrachten, die von diesem Nachmittag in Erinnerung bleiben werden. Und es wahr wahrlich keine einfache Aufgabe für die Organisatoren, einen würdigen Abschied zu gestalten bei einer fast zeitgleich stattfindenden Ehrung des neuen Deutschen Meisters. Und doch wurde die Verabschiedung den beiden FC-Größen gerecht durch ein Spalier, das aus Mitarbeitern, Verantwortlichen, Teamkollegen und ehemaligen FC-Spielern gebildet wurde – und vor allem durch die Fans, die mit großer Herzlichkeit den beiden für ihre lange Zeit im Trikot mit dem Geißbock auf der Brust dankten. Das tat auch Steffen Baumgart, der die Bedeutung der beiden Spieler noch einmal hervorhob: “Wenn ich sehe wie Jonas heute gespielt hat, kann sich jeder vorstellen, dass ich da ein weinendes Auge habe. Und Timo bleibt ein Kölner Junge, egal wo er hingeht. Wir werden erst im nächsten Jahr merken wie sehr die Jungs fehlen,” sagte er zum Schluss.
Eine letzte Ehrenrunde, ein letztes Mal auf dem Zaun vor der Südkurve, dann war die Zeit beim 1. FC Köln für Horn und Hector zu Ende. Gewiss werden sie noch oft an die Bilder ihres Abschieds zurückdenken. Vielleicht fällt ihnen dann dabei etwas auf, das es nur in Köln zu geben scheint: Menschen, die die Gabe haben, gleichzeitig zu schunkeln und zu weinen.
Und so waren die beiden Protagonisten auch tief beeindruckt von dem, was Verein und Fans für sie auf die Beine gestellt hatten. “Das war heute ein toller Abschluss für die 21 Jahre beim FC,” sagte Timo Horn und auch Jonas Hector schien überwältigt: “Das war schon richtig toll, was uns an Sympathien entgegengebracht wurde. Es scheint, wir haben einiges richtig gemacht in den letzten Jahren,” merkte er an.
“Das war schon richtig toll, was uns an Sympathien entgegengebracht wurde. Es scheint, wir haben einiges richtig gemacht in den letzten Jahren.”
(Jonas Hector)
Diese Gefühle haben an diesem Nachmittag vieles verdrängt, die Erinnerungen an das Spiel, die Erleichterung über den Aufschub der Transfersperre, die Gedankenspiele um mögliche Verstärkungen. Es wird auch in der Saison 2023/24 Bundesligafußball in Müngersdorf zu sehen geben, aber es wird anders sein. Ohne Jonas Hector, den Mannschaftskapitän, an dem sich viele aufrichten konnten und ohne Ellyes Skhiri, den Dauerläufer und Strategen im zentralen defensiven Mittelfeld. Welches Gesicht das Team haben wird, ist ungewiss. Eines jedoch ist sicher: Man wird sie vermissen, Jonas, Ellyes und Timo.