Einmal noch wird Jonas Hector seinen 1. FC Köln als Kapitän aufs Feld führen, während im Hintergrund die FC-Hymne erklingt und ein volles Stadion mitsingen und den Schal gen Himmel erheben wird. Einmal noch wird er sich nach dem Einlauf mit seinem Ballkind auf dem Spielfeld aufstellen und Richtung Tribünen winken, anschließend mit den Spielern des Gegners aus München abklatschen, zum Mittelkreis gehen und dem bayerischen Kapitän Thomas Müller den obligatorischen FC-Wimpel überreichen. Danach wird er einen kurzen Smalltalk mit dem Schiedsrichter halten und das Prozedere der Seitenwahl bestreiten. Um danach 90 Minuten lang alles für den Verein geben. Wie er es in Köln seit 2010 gemacht hat, als er von seinem saarländischen Heimatverein SV Auersmacher in die U21 gewechselt ist.
Jonas Hector wird all dies routiniert meistern, wie er fast alles immer so routiniert wie unaufgeregt und grandios gemeistert hat in den letzten Jahren, wenn er auf dem Fußballfeld stand. Dann allerdings wird der Schlusspfiff ertönen und seine Karriere vorbei sein. Und damit auch die Routine, an die er sich noch auf dem Feld halten konnte. Er wird den Bayern vielleicht zur Meisterschaft gratulieren, vermutlich aber nicht, denn der Meister kommt aus Dortmund. Danach wird aber vor allem ihm gratuliert werden.
Allen voran vom Gegner aus München, von den Mitspielern, dem Funktionsteam und anderen wichtigen Personen aus dem Geißbockheim. Zu einer grandiosen Karriere, die ihn bis ins EM-Halbfinale führte. Vor allem aber wird er ganz viel Liebe von den Fans erfahren. Nicht nur weil er sportlich überragend und eine Ausgeburt an Konstanz war, sondern auch aufgrund seiner Persönlichkeit. Das ganze Stadion wird den Kapitän vollkommen zurecht so emotional hoch leben lassen und verabschieden wie selten ein Spieler vor ihm in Köln-Müngersdorf verabschiedet wurde. Vielleicht wird Jonas Hector diesen Trubel um seine Person gar nicht wollen. Und dennoch wird er ihn genießen. Dafür gibt es keine Routine, nur die Gewissheit dass Tränen rollen und Gänsehaut garantiert ist. Weil Jonas Hector eben nicht nur ein erstklassiger Spieler war, sondern auch ein erstklassiger Typ ist, den man in der kommenden Saison im FC-Trikot sehr vermissen wird.
Ebenfalls verabschieden wird das Müngersdorfer Stadion Timo Horn. Unglaubliche 21 Jahre lang schnürte der Rondorfer die Schuhe für die Geißböcke und absolvierte dabei insgesamt 329 Pflichtspiele für den Verein. Seitdem er im Winter 2021 von Marvin Schwäbe verdrängt worden war, saß er allerdings nur noch als Nummer 2 auf der Bank. Sein Vertrag läuft im Sommer aus, der Torhüter wird sich eine neue Herausforderung suchen. Er will wieder eine faire Chance auf die Nummer 1, wie er es kürzlich im vereinseigenen Podcast ausdrückte. Dies kann nach eigener Aussage in Deutschland sein, aber auch das Ausland ist möglich. Dies ist verständlich, sportlich sieht er in Köln keine Zukunft und um jetzt jahrelang die Bank statt ein Tor zu hüten, dafür ist die eigene Karriere letztendlich doch zu schade. Wohin es Horn verschlagen wird, werden die FC-Fans mit Sicherheit gespannt verfolgen und auch ihm nach dem Spiel alles Gute für seine weitere Karriere wünschen.
Hinter diesen beiden Spielern öffentlich etwas leiser wird ebenfalls Ellyes Skhiri dem Müngersdorfer Stadion zum Abschied Servus sagen. Mit seiner Qualität hat dies allerdings wenig zu tun. Der Tunesier, 2019 aus Montpellier an den Rhein gewechselt, ist in den letzten Jahren zu einem, wenn nicht dem Schlüsselspieler im Mittelfeld gereift. Die Erfolge der letzten Jahre tragen maßgeblich seinen Namen. Aber auch der Vertrag des Dauerläufers endet im Sommer, eine Verlängerung lehnte er ab. Er wird mit Leipzig, aber auch Frankfurt und dem Ausland in Verbindung gebracht und hat mit Sicherheit die Klasse, zukünftig auf gehobenen internationalem Niveau zu spielen. Sein Abgang ist mehr als nachvollziehbar, er ist dem 1. FC Köln entwachsen. Und gerade deswegen ein unermesslicher Verlust, der in Verbindung mit dem Abgang Hectors für einige Sorgenfalten die kommende Saison betreffend sorgt. Immerhin ist die drohende Transfersperre nun vorerst vom CAS aufegschoben worden bis zur Berufungsverhandlung, die erst in einigen Monaten anstehen dürfte.
Sorgenfalten sollen morgen allerdings keine Rolle spielen. Denn dann wird es darum gehen, den drei Spielern einen möglichst schönen Abgang zu verschaffen, an den sie sich noch lange erinnern werden. Sie alle haben in den letzen Jahren ihren Beitrag geleistet, ihre Identifikation und Leidenschaft mit dem 1. FC Köln sollte nicht zur Debatte stehen. In diesem Sinne: Danke Jonas, Danke Timo, Danke Ellyes!
Ausgangslage
Anders als Hector und Skhiri wird Horn am Samstag zunächst nicht spielen. Trainer Steffen Baumgart verwehrt seiner Nummer 2 einen allerletzten Startelfeinsatz im Tor der Kölner. Eine Entscheidung, die man sicherlich hart finden kann. Und dennoch ist sie nachvollziehbar: Denn für den Gegner am 34. Spieltag, den FC Bayern München, geht es in diesem Spiel noch um alles: Gewinnen sie und stolpert gleichzeitig Borussia Dortmund im Heimspiel gegen Mainz 05, wäre der Rekordmeister auf einmal doch zum 11. Mal in Serie Deutscher Meister. Besonders wahrscheinlich ist dies nicht, und dennoch: Falls die 05er den BVB ärgern, will sich nachher kein Kölner nachsagen lassen, nicht alles gegeben und den Bayern die drei Punkte geschenkt zu haben. Das wäre nicht nur gegen die Integrität des Wettbewerbs, sondern auch komplett gegen Baumgarts Naturell. Also wird Schwäbe das Tor hüten.
Nebenbei geht es für den 1. FC Köln auch noch darum, mit einem Sieg eventuell auf einen einstelligen Platz zu springen. Denn es sind nur drei Punkte Rückstand auf Mainz 05. Umgekehrt könnte man mit einer Niederlage noch auf den 11. Platz zurückfallen und ausgerechnet von Borussia Mönchengladbach überholt werden, die derzeit zwei Punkte weniger aufweisen. Im Vergleich der anderen Entscheidungen in der Liga keine große Sache natürlich, und dennoch bedeutet jeder Punkt mehr Geld. Etwas, dass die Kölner dringend gebrauchen können.
Auf personeller Ebene ausfallen und damit die Saison beenden wird Steffen Tigges. Er erlitt eine Schulterverletzung und muss sogar operiert werden. Zum Saisonstart soll er allerdings wieder zur Verfügung stehen. Und auch für Sargis Adamyan ist die Saison beendet. Daneben fehlen weiterhin die langzeitverletzten Stürmer Florian Dietz sowie Mark Uth. Abgesehen davon, dass Davie Selke der letzte verbliebene Stürmer ist, können die Rheinländer also aus dem Vollen schöpfen.
So lief das letzte Aufeinandertreffen
Joshua Kimmich beendete die Kölner Party in der Münchener Allianzarena in der 90. Minute Ende Januar mit einem Gewaltschuss in den Knick von weit ausserhalb des Strafraums. Nach der frühen Führung von Ellyes Skhiri nach einem verlängertem Eckball früh in der Partie verteidigten die Geißböcke lange leidenschaftlich, verpassten es allerdings auch den zweiten Treffer zu schießen. Am Ende wurde der Druck zu groß und die Kräfte schwanden, ohne die Einzelaktion von Kimmich hätte es vermutlich dennoch für drei Punkte gereicht. So stand am Ende ein verdientes 1:1. Ein Punkt mit dem die Kölner trotz des späten Gegentores besser leben konnten.
Schlüsselspieler
In Bremen konnte er verletzungsbedingt nicht in der Startelf stehen, zum Saisonabschluss gegen die Bayern allerdings wird er alleine schon aufgrund mangelnder Alternativen wieder in die Startelf zurückkehren und seine starke Form zum Saisonende unterstreichen wollen: Davie Selke war einer der Schlüssel, warum der 1. FC Köln letztlich souverän die Klasse hielt. Gegen die Bayern werden sich die Kölnern voraussichtlich wenig Chancen erarbeiten, eine effiziente Chancenverwertung ist logischerweise wichtig, wollen sich die Kölner gegen motivierte und verzweifelte Bayern etwas ausrechnen.
“Gegen Bayern ist es immer eine Herausforderung”
Steffen Baumgart
Top-Fakt
Bereits achtmal hat der FC Bayern München in dieser Saison nach Führungen noch Punkte abgegeben (fünf Remis, drei Niederlagen). In Summe macht dies 19 Punkte. Dies passierte dem Deutschen Rekordmeister zuletzt vor 31 Jahren in der Saison 1991/1992. Eine stärkere Konstanz nach eigener Führung verhindert also womöglich die 33. Deutsche Meisterschaft. Für die Kölner heißt dies umgekehrt: Die Bayern sind auch nach Rückstand verwundbar, auch ein kölner Rückstand beendet nicht das Spiel.
Das sagen die Trainer
Steffen Baumgart (1. FC Köln): „Gegen Bayern ist es immer eine Herausforderung, die nehmen wir an. Nicht wegen der Meisterschaft, für uns soll es einfach ein geiles Spiel werden. […] Wir erwarten eine richtig gute Truppe. Aber ich weiß auch, dass meine Jungs alles raushauen werden. Dann ist es nicht so einfach, gegen uns zu gewinnen.“
Thomas Tuchel (FC Bayern München): “Unsere Situation ist völlig klar: Wir müssen gewinnen und brauchen Schützenhilfe. […] Trotzdem müssen wir bis zum Ende laufen, völlig unabhängig davon, wie es auf den anderen Plätzen steht. Wenn man für den FC Bayern arbeitet, muss man immer alles geben, bis zum Schlusspfiff. […] Ich erwarte einen emotionalen Gegner, ein extrem emotionales Stadion“
Schiedsrichter
Sven Jablonski (SR), Stefan Lupp (SR-A. 1), Marco Achmüller (SR-A. 2), Tobias Reichel (4. Offizieller), Christian Dingert (VA), Thorsten Schiffner (VA-A)
So könnte der FC spielen
Schwäbe – Schmitz, Hübers, Chabot, Hector – Skhiri, Martel – Ljubicic, Kainz, Maina – Selke