Folge uns
.

Allgemein

Bittencourt läuft an, Köln trifft

Wie der effzeh gegen Dortmund gewinnen konnte – unser taktisches Nachspiel:

Im letzten Spiel vor der Winterpause gelingt dem effzeh ein überraschender, aber nicht gänzlich unverdienter Erfolg gegen den BVB. Dieser Sieg ist zu großen Teilen der Taktik zu verdanken, mit dem das Trainerteam die Mannschaft in die Partie schickte und welche dann während des Spiels noch gewinnbringend modifiziert wurde. Mehr dazu in unserem taktischen Nachspiel.

Peter Stöger setzte gegen die Positionsfußball-Maschine des BVB auf drei zentrale Innenverteidiger (Sörensen ergänzte die Kette um Maroh und Heintz), während Olkowski und Hector spezielle Rollen in diesem Spiel zuteilwurden – beide Außenverteidiger wechselten ihre Rollen mehrfach in den 90 Minuten, insbesondere Hector stellte seine Polyvalenz unter Beweis. Oftmals wird eine solche Fünferkette als destruktives Mittel verschrien, obwohl sie gegenüber der Viererkette einige Vorteile hat, wenn man denn in der Lage ist, diese für sich zu nutzen. Im Gegensatz zu Eintracht Frankfurt, welche im Spiel gegen den BVB sogar mit einer Sechserkette antraten, wählte der effzeh ein Zwischending aus einem hohen Fokus auf die Endverteidigung und gelegentlicher offensiver Nadelstiche. Der bisherige Saisonverlauf hatte ja eindrucksvoll bewiesen, dass der BVB mit seinen Akteuren in der Lage ist, viele Systeme erfolgreich zu bespielen.

Mannorientierungen auf Dortmunder Spielmacher

Gerade im ersten Durchgang zeigte sich, dass der effzeh die Ballzirkulationsmechanismen des BVB durch Mannorientierungen auf die beiden tiefliegenden Spielmacher Weigl und Gündogan ins Stocken zu bringen versuchte. Die Verschiebebewegungen der Dreierkette funktionierten gut, in Situationen, in denen einer der Außenverteidiger die Kette verlassen musste, pendelte sie sich auf eine Viererkette ein. Im Spielaufbau der Dortmunder wurde Joo-Ho Park bewusst weniger angelaufen, um ihm in Aufbausituationen viel Verantwortung zu übertragen. Der Neuzugang von Mainz 05 beschränkte sich auf sichere Pässe und war in der ersten Halbzeit fast kein Faktor. Der BVB versuchte vielmehr, über die rechte Seite zu attackieren, auf der sich anders als sonst häufiger Henrikh Mkhitaryan blicken ließ. Die linke Verteidigungsseite des effzeh um Hector, Heintz und Svento hatte  das aber weitestgehend im Griff.


Dementsprechend kam der BVB trotz sehr hohen Ballbesitzes (76% nach einer Viertelstunde) zu keiner klaren Chance. Nach einem Eckball in der 18. Minute ging der Favorit dann trotzdem in Führung, als die Zonenverteidigung des effzeh nicht griff und Maroh sich zu spät in die Zone bewegte, die er hätte verteidigen müssen. Sokratis konnte ungehindert einköpfen. Diese Führung spielte dem BVB natürlich in die Karten, doch der effzeh zeigte, dass Auf- und Einstellung nicht nur zum Verteidigen gewählt wurden. Das Spiel wurde nach einer knappen halben Stunde offener, weil die Jungs von Peter Stöger es vermehrt schafften, den Aufbau des BVB frühzeitig zu stören und so in der gegnerischen Hälfte in Ballgewinn zu kommen. Torwart Roman Bürki wurde so angelaufen, dass er mit seinem schwächeren linken Fuß die Bälle spielen musste, was in der ersten Hälfte zu einigen Ballgewinnen und Halbchancen führte. In der zweiten Halbzeit sollte sich dieses Muster wiederholen. Auch der bis dato besten effzeh-Chance, einem Sörensen-Kopfball nach einem Freistoß aus dem Halbfeld, ging ein Ballgewinn im Pressing zuvor. Trotzdem war die Führung des BVB verdient, da die Schwarz-Gelben das Spiel im Griff hatten.

effzeh intensiviert Pressing im zweiten Abschnitt

Nach dem Wechsel nahm Tuchel zwei Umstellungen vor, Bender ersetzte den angeschlagenen Gündogan und Stammlinksverteidiger Schmelzer kam für Park. Doch auch Stöger holte in der Kabine das Schachbrett raus: Olkowski interpretierte seine Rolle auf rechts im zweiten Durchgang etwas höher, in etwa so, wie es Hector auf der linken Seite sonst auch tut. Letzterer nahm im Verlauf der zweiten Hälfte eine immer freiere Rolle im System ein und zeigte sich auch häufiger im Zentrum.

Die Abschlussaktionen von Svento und Gerhardt zeigten, dass das der effzeh nicht willens war, sich gegen den BVB zu ergeben. Dass man in Müngersdorf auch durchaus Spektakel kann, sollte sich im weiteren Verlauf herausstellen. Wie Tuchel auch auf der Pressekonferenz anmerkte, ging dem BVB die Präsenz in der gegnerischen Hälfte ab, obwohl die Ballbesitzzeiten immer noch hoch waren. In der eigenen Hälfte konnte der BVB dem effzeh aber nicht gefährlich werden, sodass nur vereinzelte Offensivaktionen der Dortmunder zu verzeichnen waren. Der effzeh steigerte hingegen die Intensität im Pressing und zwang den BVB zu immer mehr Ballverlusten – exemplarisch dafür eine Szene, in der Jonas Hector den Dortmunder Torhüter Bürki anlief und einen lange Ball erzwang. In der ersten Hälfte des zweiten Durchgang verlagerte sich das Spielgeschehen immer mehr in die Dortmunder Hälfte, woraufhin Stöger mit einer weiteren Anpassung reagierte: Olkowski und Svento wurden durch Modeste und Bittencourt ersetzt.

Bittencourt und Modeste als Game-changer

Im Anschluss daran spielte der effzeh mit einer interessanten Mischformation, in der Lehmann den absichernden Sechser gab und Gerhard und Bittencourt im Zentrum agierten. Hector unterstützte Lehmann im Zentrum und schob mit an, während die drei verbliebenen Defensivspieler eine Dreierkette bildeten. Zoller kam über links, Risse über rechts. Mit Modeste im Sturm stellte der effzeh fortan einen körperlich starken Akteur gegen Bender und Sokratis.

In dieser Phase begann ebenfalls, was Tuchel später als „Emotionalisierung des Spiels“ beschreiben sollte: der effzeh wurde angetrieben durch das Publikum immer leidenschaftlicher, während die Spieler des BVB zunehmend müder und unkonzentrierter wurden. Schließlich brachte eine weitere Pressingsituation gegen Bürki, dieses Mal durchgeführt von Bittencourt, den Ausgleich. Der Offensivspieler des effzeh verhinderte durch seine Laufbewegung, dass Bürki den Ball mit seinem rechten Fuß spielen konnte, woraufhin der Schweizer (nicht zuletzt durch einen Platzfehler) einen flachen Ball in die Mitte spielte. Dort war Zoller aufmerksamer als Weigl, stibitzte den Ball und schloss eiskalt zum 1:1 ab. Peter Stöger gab im Nachinein zu, in diesem Moment durchaus überlegt zu haben, die Mannschaft zu bremsen und den Punkt zu sichern (wie er es schon oft getan hatte), doch in diesem Spiel war die Gemengelage anders: die Dortmunder schienen in ihrem 30. Pflichtspiel nicht mehr in der Lage zu sein, zurückzuschlagen. Im Anschluss an einen Eckball war es wieder das Anlaufen Bittencourts, welches einen Befreiungsschlag von Schmelzer zur Folge hatte, Sörensen ging dem Ball energisch entgegen und beförderte ihn per Kopf in die Gefahrenzone. Dort stand Modeste, besorgte das 2:1 und beendete seine Torflaute. Damit gelangen dem effzeh ein nicht erwarteter Sieg und ein versöhnlicher Jahresabschluss. Aus taktischer Sicht muss man festhalten, dass Stöger vor dem Spiel eine gute Strategie wählte, die durch die vorgenommenen Umstellungen dann vollends aufging und Tuchels Dortmunder vor Probleme stellte. In Gänze betrachtet war es wohl das Zusammenspiel von Taktik, der angesprochenen Emotionalisierung des Spiels und einem physisch wie psychisch erschöpftem BVB, die den effzeh gewinnen ließen.

Mehr aus Allgemein

.