Rückblende: Der 1. FC Köln spielt am ersten Bundesligaspieltag im letzten Spiel am Sonntag um 17:30 gegen einen Gegner auf Augenhöhe. Zuvor hat der Auftritt im DFB-Pokal Schlimmstes vermuten lassen. Bereits nach sechs Minuten liegt man 0:1 hinten, das 4-Raute-2 des Trainers griff noch überhaupt nicht und nicht wenig Fans haben zu diesem Zeitpunkt wohl erwartet, dass es eine sehr lange, schwierige Saison werden würde. Hätte damals jemand auf einen souveränen Klassenerhalt nach 28 Spieltagen mit letztlichem Einlaufen auf den Playoff-Plätzen für Europa gerechnet, man hätte diese Person wohl für unverbesserlich optimistisch gehalten.
Standortbestimmung für beide Teams
Sprung in die Jetztzeit: Erneut hat sich der FC in der ersten Pokalrunde gegen ein klassentieferes Team äußerst schwer getan. Während man sich 2021 aber noch mit Ach, Krach und Marvin Schwäbe knapp gegen Carl Zeiss Jena durchsetzen konnte, stand im Jahr 2022 das bittere Pokal-Aus gegen den SSV Jahn aus Regensburg. Der Gegner freilich ist in diesem Jahr auch nicht die Berliner Hertha, sondern ein Aufsteiger. Aber eben nicht irgendein Aufsteiger, sondern der FC Schalke 04.
Das Besondere an dieser Partie ist daher, dass keiner der beiden Vereine so ganz genau weiß, wo er gerade steht. Beim FC wähnte man sich einen Schritt weiter als im letzten Jahr und gab forsch “Berlin” als Pokalziel aus – gut gerüstet sah man sich nach einigen Aktivitäten auf dem Transfermarkt für die anstehende Saison mit erhoffter Dreifachbelastung; „Nach dem Trainerwechsel in der vergangenen Saison brauchte es seine Zeit, bis die Mechanismen greifen. Dieses Problem haben wir in der jetzigen Vorbereitung nicht. Jetzt weiß jeder, worum es geht, worauf man sich einstellen kann und welchen Fußball wir spielen. Vom Kopf her sind wir viel weiter als letztes Jahr“, konstatierte unter der Woche dann auch Torwart Marvin Schwäbe.
“Jetzt weiß jeder, worum es geht, worauf man sich einstellen kann und welchen Fußball wir spielen. Vom Kopf her sind wir viel weiter als letztes Jahr.”
Marvin Schwäbe über die Vorbereitung (Quelle: fc.de)
Zumindest die Sorge der Dreifachbelastung hat Regensburg zunichte gemacht: maximal zwei Wettbewerbe werden es sein. Allerdings zeigt diese Delle im Pokal auch, dass man Erfolg nicht am Reißbrett planen kann und Entwicklungen nicht immer linear verlaufen, sondern manchmal auch Rückschritte beinhalten.
Schalkes Neuausrichtung
Der Gegner hingegen kommt mit der Euphorie eines Aufsteigers nach Müngersdorf – allerdings auch mit der Ungewissheit eines Aufsteigers: Reicht der Kader für die Bundesliga? Können die Säulen des Zweitligajahres ihre Leistung auch eine Spielklasse höher abrufen? Muss man auf dem Transfermarkt noch aktiv werden? Dabei haben die Gelsenkirchener hier schon ganz ordentlich zugeschlagen und einiges Transferaktivitäten zu verbuchen. So viele gar, dass alle hier aufzuzählen den Rahmen sprengen würde. Zu den prominentesten Neuzugängen gehören sicherlich die nun festverpflichteten Thomas Ouwejan (zuvor von AZ Alkmaar ausgeliehen) und Rodrigo Zalazar (Eintracht Frankfurt). Zudem kamen in Sebastian Polter (VfL Bochum) und Alexander Schwolow (Hertha BSC, Leihe) bundesligaerfahrene Profis sowie in Leo Greiml (Rapid Wien; an ihm war wohl der Effzeh auch interessiert), Alex Kral (Spartak Moskau) und Tom Krauß (RBL, Leihe) Männer mit Potential, in der Bundesliga den Durchbruch zu starten. Für Ozan Kabak (nach Hoffenheim) und Rabbi Matondo (Glasgow Rangers) nahm man insgesamt kolportierte 8 Mio. Euro, andere Spieler wie Salif Sané (vereinslos) und Ko Itakura (Borussia Mönchengladbach) konnte oder wollte man nicht weiter beschäftigen. Also ein großes Kommen und Gehen – von der Mannschaft, die einst sang- und klanglos aus der Bundesliga abstieg, sind sogar nur noch vier Spieler übrig; aber auch das Gesicht der Aufstiegsmannschaft hat sich ordentlich verändert.
Durch diese hohe Fluktuation und naturgemäß durch den Wechsel der Spielklasse weiß allerdings niemand auf Schalke gerade so recht, was man von der Mannschaft erwarten kann. Gerade in der Offensive könnte es auf Bundesliganiveau etwas dünn werden: Marius Bülter (8 Tore in 58 Bundesligaspielen), Polter (19/97) und ein gewisser Simon Terodde (10/57) sind bislang alle nicht als Erstligaknipser aufgefallen. Tatsächlich hat alleine Anthony Modeste mehr Bundesligatore erzielt, als die drei zusammen – in gerade einmal zwei Saisons. Die “Knappen” selbst scheinen hier auch noch Handlungsbedarf zu sehen und stehen kurz vor der Verpflichtung von Jordan Larsson – Sohn von Schwedenlegende und FC-Losfee Henrik. Für Sonntag wird er aber noch keine Option sein – ebenso wenig wie ein anderes unliebsames Szenario eventuell vermieden werden kann: auch der Einsatz Simon Teroddes ist nämlich noch fraglich, ihn plagen muskuläre Probleme – allerdings stellte Schalke-Trainer Frank Kramer in Aussícht, dass Terodde am morgigen Samstag das gesamte Programm absolvieren wird können. Allerdings wichtig sei, “dass er möglichst viele Spiele für (Schalke) machen kann, deswegen muss man da sehr gut abwägen.”, so der neue Trainer der Knappen.
Kampf der Systeme
Allerdings ist das Spielsystem des FC Schalke auch nicht zwingend darauf ausgelegt, dass die Stürmer am Fließband treffen – anders als etwa bei FC, wo Modeste klarer Zielspieler unzähliger Flanken ist. Bei Schalke ging es könnte es – so die Eindrücke aus Testspielen und dem Pokal – eher darum gehen, dass der Stoßstürmer als Wandspieler agiert und Bälle auf die nachrückenden offensiven Mittelfeldspieler ablegt, wo mit Zalazar und dem nächsten Ex-Kölner Dominick Drexler in der Theorie torgefährliche Spieler lauern. Bülter, Polter und Terodde haben alle den nötigen Körperbau dafür, Terodde aber natürlich auch selbst ein Knipser-Gen, das vielleicht die letzte Chance bekommt, auch in der Bundesliga einmal aktiviert zu werden. Für den FC wird es also viel darum gehen, den Rückraum zu sicher und diese Spieler nicht in verheißungsvolle Abschlusspositionen kommen zu lassen. Sollte FC-Trainer Steffen Baumgart erneut auf ein System mit einfacher Sechs zurückgreifen, kommt hier besonders viel Arbeit auf die beiden offensiven Außen in der Raute zu, die den Sechser hier unterstützen müssen. Es ist daher gut möglich, dass Baumgart erneut auf Florian Kainz setzen wird, da dieser mehr Defensivarbeit verrichtet, und den im Pokal gefälligen Linton Maina erst bringt, wenn die Schalker müde sind. Davon ab wird spannend zu beobachten sein, hat Baumgart in der Spieltagspressekonferenz bekannt gegeben, dass Luca Kilian den angeschlagenen Timo Hübers ersetzen wird. Da auch Mark Uth ausfällt, muss Baumgart andere Lösungen in der Offensive präsentieren. Spannend wird sein, ob er hier personell auf das Pokalausscheiden reagieren wird – etwa ob der gefällige Jan Thielmann einen Platz in der ersten Elf finden wird. Als sicher gilt, dass Marvin Schwäbe Timo Horn im Tor ersetzen wird und dass Jonas Hector seinen Platz in der Mannschaft finden wird – sei es als Ersatz als Linksverteidiger für Kristian Pedersen oder doch im defensiven Mittelfeld auf der “Doppelsechs”. Der Kader gibt all diese Gedankenspiele her.
Egal wer aber letztlich spielen wird, viel wichtiger wird ohnehin die Einstellung sein: ist man bereit, nach 120 kräftezehrenden Minuten, Baumgarts Pressing bedingungslos durchzuziehen und die Wege für den Nebenmann mitzumachen, um diesen abzusichern, werden die Schalker Probleme bekommen – denn ein derartiges Pressing gibt es in der zweiten Liga schlichtweg nicht, als die Bremer vom SV Werder dies dann doch einmal auspackten, ging Schalke mit 1:4 unter, gleiches widerfuhr ihnen gegen stark pressende Regensburger in der letzten Saison – von deren Pressing kann schließlich auch der FC ein Lied singen. Doch, all das ist Vergangenheit (und zudem saß damals noch ein anderer Trainer auf der Schalker Bank) – in der Gegenwart zählt nur, dass man Schalke die Euphorie des Aufstieges gleich zu Beginn nimmt und von Anfang an klar macht, wer der etablierte(re) Bundesligist ist und wer hier das Heimspiel hat. Dann sind DFB-Pokal-Auftritte und erste Spieltage auch kein Indikator für den Verlauf einer Saison.
Top-Fakt
Köln ist gegen Schalke so lange unbesiegt wie gegen keinen anderen Club: seit acht Spielen warten die Knappen auf einen Sieg gegen den FC.
Das sagen die Trainer:
Steffen Baumgart: “Wir haben ein Heimspiel und wollen erfolgreich sein. Schalke ist zwar ein Aufsteiger, aber für mich haben sie nur ein Jahr Pause gemacht. Es geht darum, gut zu starten – in Sachen Leistung, aber auch beim Ergebnis.”
Frank Kramer (Schalke 04): “Nach dieser Vorbereitungszeit nun endlich loslegen zu dürfen, da haben wir richtig Bock drauf. Es wird laut im Kölner Stadion werden. Man spürt überall und bei jedem, dass es kribbelt und dass es höchste Zeit wird, dass es losgeht.”
So könnte der FC spielen
Schwäbe – Schmitz, Kilian, Chabot, Hector – Skhiri – Thielmann, Ljubicic, Kainz – Modeste, Adamyan